Zukunftsvision für altes Kraftwerk

Quelle: Mark-E Aktiengesellschaft / Carsten Engel

Das ehemalige Kohlekraftwerk in Werdohl-Elverlingsen blickt auf eine hundertjährige Energiegeschichte zurück. Nun steht beim Umbau der Pioniergedanke im Vordergrund.

Ruhig plätschert die Lenne dahin, Vogelgezwitscher. Im Hintergrund brummen auf- und abladende LKWs. Ein leicht metallischer Geruch erfüllt die kalte Frühlingsluft. Es scheint fast, als hole sich die Natur ein Stück Eigentum zurück. Der Rückbau des Kraftwerks in Werdohl-Elverlingsen ist in vollem Gange. Gleichzeitig ist es ein innovativer Neuanfang der Energiewirtschaft im Sauerland.

Ein paar verbliebene Schornsteine rauchen. Grau verrauchte Fassaden erinnern entfernt an die goldenen Jahre des Kohlekraftwerks. Nun rollen schwer beladene Laster und Bagger über das Gelände. Doch einen Schritt zurück: Werdohl-Elverlingsen blickt auf eine bedeutende Energiegeschichte zurück. Im Jahr 1912 wird das Kohlekraftwerk gebaut. Mit einer Leistung von 7,5 Megawatt versorgt es die lokale Industrie mit Energie. Zu dieser Zeit ist es die größte Anlage in Europa. In den folgenden Jahrzehnten wird das Kraftwerk stetig ausgebaut und modernisiert. In den 1920er Jahren entsteht eine Wohnsiedlung für die Arbeiterschaft.

Quelle: Mark-E Aktiengesellschaft / Carsten Engel

Stilllegung und Rückbau

Ende des 20. Jahrhunderts verändern sich die Marktbedingungen – durch die Energiewende. Trotz regelmäßiger Baumaßnahmen in Werdohl zugunsten des Umweltschutzes wird Kohleverstromung immer unattraktiver. Der Besitzer, die ENERVIE Gruppe zieht Konsequenzen. Ende März 2018 legt sie den letzten steinkohlebefeuerten Block E4 still. „Der wesentliche Grund ist die fehlende wirtschaftliche Perspektive der Anlage vor dem Hintergrund der Veränderungen der energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen“, nimmt Erik Höhne Stellung, Vorstandssprecher der ENERVIE.

In den Jahren nach der Stilllegung wird aus der angrenzenden Siedlung ein Geisterdorf. Abenteurer, Vandalen und Schaulustige durchforsten die „Lost Places“ auf dem Gelände. 64 Wohnungen fanden Platz in 21 Häusern. Seit Ende 2020 wird alles abgerissen. Im Februar dieses Jahres wird der 100 Meter hohe Kühlturm gesprengt. Drei weitere Sprengungen sollen folgen. Das Kraftwerksgelände ist längst eine Dauerbaustelle. Der vollständige Rückbau wird nicht vor Ende 2025 erwartet.

Verkauf an Schrotthändler

Ende 2022 verkauft Mark-E das Gelände an den Schrotthändler Christoph Sattler. Der Industrieversteigerer verkauft viele Anlagenteile ins Ausland. Bereits im August 2023 erwarb der Schrotthändler Thorsten Amsbeck das Gelände von Sattler. Das Kohlekraftwerk wird nun vollständig entkernt und abgerissen. Auf lange Sicht soll ein Gewerbegebiet auf einer grünen Wiese entstehen. Die Konzeption, Erschließung und Vermarktung sollen gemeinsam mit der Stadt Werdohl geschehen. Doch vieles deutet darauf hin, dass die Energiegeschichte im Lennetal noch nicht abgeschlossen ist.

Quelle: Mark-E Aktiengesellschaft / Carsten Engel

Meilenstein der Energiewende

Bereits seit 2002 betreibt Mark-E gemeinsam mit dem Ruhrverband eine Wirbelschichtfeuerungsanlage zur Verbrennung von Klärschlamm und Steinkohle auf dem Gelände. Weiterhin ist der Standort ein wahres Symbol für die Energiewende. In den alten Industriehallen wird seit 2018 ein hochmoderner Batteriespeicher betrieben. In ausrangierten Batterien wird kurzfristig Energie gespeichert und je nach Marktsituation ins Netz zurückgespeist. Neue Batterien werden in einem Ersatzteillager aufbewahrt. Werdohl-Elverlingsen hat dadurch das Potenzial den Regelenergiemarkt zu stabilisieren. Ein wichtiger Beitrag zur Umorientierung in der Energieversorgung. Betrieben wird der Batteriespeicher von einem Konsortium aus vier Energiespeicherunternehmen – unter anderem Daimler und ENERVIE.

Mark-E, der Kraftwerksbetreiber der ENERVIE, verfolgt seit einigen Jahren eine umweltfreundlichere Unternehmensstrategie. Fossile Energieträger werden konsequent rückgebaut. Mark-E setzt auf Gas und regenerative Energieerzeugung aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse. Im Sauerland existieren einige klimafreundlichere Anlagen. Beispiele sind das Pumpspeicherkraftwerk in Finnentrop-Rönkhausen oder die Biomasseverstromungsanlage in Hagen-Kabel. Im Jahr 2023 wurden bundesweit bereits über 50 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen. Und die Tendenz steigt kontinuierlich.

Quelle: Mark-E Aktiengesellschaft / Carsten Engel

Zukunftsvision für Industriebrache

Der metallische Geruch rührt von der aktuellen Schadstoffsanierung. Langsam, aber sicher fallen die Grundmauern des Industrieriesen. Die Natur hat sich in den letzten Jahren viele Teile des Geländes wiedergeholt. Aus dem jahrzehntelangen Vorzeigekraftwerk ist ein verlassener, fast apokalyptischer Ort geworden. Doch nun scheint es eine Zukunftsvision zu geben. Die Geschichte der Energiewirtschaft im Sauerland wird weitergeschrieben – auf eine etwas grünere Weise.