Erfolgreich auf Asche in Cobbenrode und dem grünen Rasen im Olympiastadion in Berlin
So mancher Fußballjunge im Sauerland träumt vielleicht davon, einmal bei einem ganz großen Fußballspiel auf dem Rasen zu stehen. Vor tausenden, begeistert jubelnden Zuschauern. Dieter Richard (68) aus Cobbenrode hat diese wunderbare Atmosphäre häufiger genießen dürfen. Er war auf dem Grün im Olympiastadion in Berlin, auf dem Rasen des alten Stadions am Bökelberg in Mönchengladbach, in dem berühmten Signal Iduna Park in Dortmund oder dem Lohrheidestadion in Wattenscheid. Dort, wo in Kürze die SG Finnentrop/Bamenohl als Oberligist antreten muss, war für viele Jahre sein sportliches Zuhause. Dieter Richard hat von Cobbenrode aus als Spieler und später als Trainer eine erfolgreiche Sauerländer Fußballkarriere gestartet. Dirk Potthöfer, Staffelleiter der Bundesliga des Sauerlandes und Hermann-J. Hoffe, Herausgeber des WOLL-Magazins, haben Dieter Richard in seinem gemütlichen Zuhause in Cobbenrode besucht. Auf dem Sofa in Dieter Richards Wohnzimmer sitzend wurde über den sportlichen Weg des Cobbenroder Fußballjungen gesprochen.
WOLL: Was gefällt Dir am Fußballsport?
Dieter Richard: Mir gefällt am Fußball vor allem, dass das ein Mannschaftsport ist, dass man diesen Sport nur in einem Team ausüben kann.
WOLL: Wie bist Du überhaupt zum Fußballspielen gekommen?
Dieter Richard: Durch die Gegebenheiten in einem Sauerländer Dorf in den 1950-iger Jahren bin ich einfach so zum Fußball gekommen. Was sollte man denn sonst als Junge machen? Wir hatten keine Handys, keinen Laptop oder sonstige Dinge. Wir hatten einen Fußball und waren 1954 Weltmeister geworden.
Meine Mutter war meistens nicht so begeistert, wenn mein Bruder Berni und ich mit kaputter Hose und kaputten Schuhen vom Bolzen nach Hause kamen oder die Knie bluteten. Aber wir hatten liebe, tolerante Eltern und mein Vater war selbst aktiver Fußballer in Cobbenrode. Damit war der Grundstein für das Fußballfieber gelegt.
WOLL: Was war dein größter Erfolg als Fußballer und Trainer?
Dieter Richard: Wir hatten zu meiner Zeit eine sehr gute Jugendmannschaft in Cobbenrode, wurden Kreispokalsieger und durften dann auf Westfalenebene spielen. Das war 1968. Nach zwei erfolgreichen Spielen im Pokal spielten wir dann gegen die Jugend von Sportfreunde Siegen. Obwohl wir mit 6:1 verloren, machten wir ein gutes Spiel. Nach dem Spiel kamen Vertreter des Siegener Vereins zu meinem Vater und wollten, dass ich nach Siegen wechselte. Über Spiele in der Kreisauswahl unter dem damaligen Trainer Krick wuchs mein Ehrgeiz weiter. In dem Jahr war ich im Urlaub bei meiner Tante in Rheydt, habe dort am Training teilgenommen. Nach dem Training kam der Jugendleiter zu mir und fragte, ob ich nicht Lust hätte, in der Jugend-Mannschaft zu spielen. Um es kurz zu machen: Es gingen Telegramme zwischen Rheydt und Cobbenrode hin und her und einige Wochen später war ich in Rheydt, habe meine begonnene Großhandelskaufmannslehre fortgesetzt und beim Rheydter Spielverein in der Jugendmannschaft gespielt. Die erste Mannschaft spielte in der höchsten Amateurklasse. Mit 18 war ich Spieler in dieser Mannschaft des Rheydter Spielvereins.
Für mich war es natürlich ein großer Erfolg, als ich dann schließlich Lizenzspieler bei der SG Wattenscheid 09 wurde. Ich bekam eine Einladung von Kali Feldkamp zum Probetraining in Wattenscheid. Der wollte mich dann haben. Bekleidungsfabrikant Klaus Steilmann, Mäzen des Vereins, hat den Vertrag 1974 unterschrieben. So begann meine Profikarriere. Das war für mich schon ein herausragendes Ereignis. In Wattenscheid durfte ich mit Hannes Bongartz und anderen Größen des Fußballs trainieren und spielen.
In dieser Zeit spielte die SG 09 Wattenscheid um den Aufstieg in die 1. Bundesliga. Die Mannschaft startete mit Siegen bei Eintracht Braunschweig und dem 1. FC Saarbrücken und einem Unentschieden gegen Wacker 04 Berlin. Am Ende wurden sie mit 8:8 Punkten Dritter hinter Aufsteiger Braunschweig und dem 1. FC Nürnberg. Parallel dazu sorgten die 09er im DFB-Pokal für Furore, als sie sich zunächst gegen die Bundesligisten Schalke 04 und Hertha BSC durchsetzten und im Viertelfinale erst in der Verlängerung mit 0:1 gegen den Hamburger SV verloren. 1974 nahm die 2. Bundesliga ihren Spielbetrieb auf und die Wattenscheider gingen nach der Verpflichtung des argentinischen Nationalspielers Carlos Babington als Top-Favorit in die Saison 1974/75. Trotzdem kam die Mannschaft nicht über das Mittelmaß hinaus. 1977 musste sie lange um den Ligaverbleib zittern. – Dieter Richard spielte in dieser Zeit 32 Mal für die SG und erzielte drei Tore.
WOLL: Was unterscheidet den Amateur-Fußball vom Profi-Fußball?
Dieter Richard: Der Leistungsunterschied in der 2. und dann in der 1. Bundesliga ist schon enorm im Vergleich zum Amateurfußball. In Wattenscheid haben wir jeden Tag trainiert, wir waren Halbprofis. Nach einem halben Tag Arbeit ging es zum Training. Das war schon eine große Herausforderung für alle Spieler. Ich habe im Einkauf gearbeitet, andere Spieler im Lager und die mussten körperliche Schwerstarbeit leisten.
WOLL: Konntest Du das Fußball-Gen an Deine Kinder weitergeben?
Dieter Richard: Nein. Ich habe meinen Kindern aber auch völlige Freiheit gelassen. Unser Sohn Thomas hat auch in Cobbenrode, Schmallenberg und Arpe Fußball gespielt. Beide, auch meine Tochter Christina, sind sportlich unterwegs, aber mehr just for fun. Und das ist vollkommen in Ordnung.
WOLL: Was gefällt Dir am Fußball hier im Sauerland und was würdest Du unbedingt verbessern?
Dieter Richard: Ich habe ja schon gesagt, ich war und bin ehrgeizig. Das war ich als Spieler und auch später als Trainer. Zu meiner Zeit konnte man diesen Ehrgeiz von den Spielern und auch Spielerinnen verlangen. Ich habe als Trainer tolle Vorstände gehabt, die sich mit meiner Art des Fußballs identifizierten. Und so konnte ich mit den von mir trainierten Mannschaften gemeinsam einige Erfolge erringen. Besonders an die Jahre in Grevenbrück erinnere ich mich sehr gerne.
Ja, und dann kam 1994 das Angebot von der TSV Siegen, ob ich nicht die Damenmannschaft trainieren wolle. Die waren gerade Deutscher Meister geworden und im Damenfußball so etwas wie der FC Bayern München bei den Männern. Das Pokalendspiel 1995 im Olympiastadion in Berlin war schon ein grandioses Ereignis, trotz der 1:3 Niederlage gegen die Damen des FSV Frankfurt. In der Saison 1995/96 wurden wir dann gegen das Team der SG Praunheim Meister mit den Damen des TSV Siegen. Silke Rottenberg, Silvia Neid und Doris Fitschen waren damals im Team. Auf der anderen Seite standen so bekannte Fußballerinnen wie Steffi Jones, Tina und Pia Wunderlich.
Als Trainer der Damenmannschaft des TSV Siegen und später der Sportfreunde Siegen habe ich den Ehrgeiz und die konsequente Hingabe für das gemeinsame sportliche Ziel sehr stark miterlebt. Das vermisse ich bei sehr vielen Senioren-Mannschaften und -Spielern im Sauerland. Der Amateurfußball im Sauerland ist aktuell, das ist meine Meinung, heute eine ganze Klasse schlechter als noch vor zwanzig oder dreißig Jahren. Ich habe damals selbst gespielt und kann das, glaube ich, ganz gut beurteilen. Wir hatten damals keine Taktik, aber wir waren begeistert.
WOLL: Welche Fußballer aus dem Sauerland sollte man unbedingt kennen?
Dieter Richard: An erster Stelle nenne ich natürlich Wolfgang Paul aus Olsberg, Europapokalsieger 1966, Weltmeister 1966. Auch Theo Bücker aus Bestwig gehört zu den ganz Großen. An dem habe ich mich seinerzeit auch ein wenig orientiert. Hubert Clute-Simon aus Allendorf, der leider schon verstorben ist, war ein brillanter Spieler. Und aktuell auch Sascha Eickel, der im Trainerbereich weit nach vorne gekommen ist. Der ist jetzt bei Borussia Mönchen-Gladbach und trainiert die U 19.
Dirk Potthöfer: Du bist einer der wenigen Fußballer, welcher sowohl als Spieler mit dem SV Thülen im Jahr 1984 als auch als Trainer mit dem SV Schmallenberg/Fredeburg genau 25 Jahre später die Meisterschaft in der Bundesliga des Sauerlandes erlangen konnte. Wie siehst Du rückblickend diese Erfolge?
Dieter Richard: Mein Bruder Berni hat damals als Trainer die Thülener in der Kreisklasse übernommen und in die Bezirksliga geführt. Die hatten, wie man so schön sagt, einen Jahrhundertjahrgang. Mein Bruder Berni war von der Truppe total begeistert: „Ich habe hier eine Mannschaft, die ist schnell, die spielen nur nach vorne. Da sind Granaten drin. Die sehen nur das Tor.“ Die Kameradschaft und gegenseitige Hilfe unter den Spielern war hervorragend. Das hat damals richtig Spaß gemacht. Und in Schmallenberg 2009, da waren auch richtig gute Fußballer dabei; da war jedoch noch mehr Trainingsarbeit gefordert.
WOLL: Dieter, wir danken für das interessante Gespräch und freuen uns, Dich in der kommenden Saison bei möglichst vielen Spielen zu sehen: ob in der Bundesliga des Sauerlandes – Eslohe, Schmallenberg und Fretter sind ja nicht weit –, in der Landesliga – Arpe liegt vor der Haustür – oder in der Westfalenliga oder Oberliga – nach Finnentrop hast Du sicherlich auch noch gute Beziehungen. Bleib gesund!