Zerrissene Träume

Quelle: Matthies Weber & Schnegg

Expressionistische Kunst vom Aufbruch in die Moderne bis zur NS-Verfolgung  

„ZERRISSENE TRÄUME“ bildet nach „August Macke – ganz nah“ und „Im Westen viel Neues“ den Abschluss der Expressionismus- Trilogie im Sauerland-Museum. Diese Ausstellung weitet den Blick auf die kunsthistorischen Wirkungen des Aufbruchs in die Moderne und die Einflüsse der historischen Ereignisse auf das künstlerische Schaffen.

Historische Einordnung

Die deutsche Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts besticht mit einem zuvor unerreichten Variantenreichtum. Der Expressionismus begann 1905 mit der Künstlergruppe „Die Brücke“ in Dresden. Sie brachen mit traditionellen Stilmitteln, setzten auf Deformation und eine expressive Farbgebung. Auch der „Blaue Reiter“ (1911–1912) unter Wassily Kandinsky und Franz Marc revolutionierte die Kunst, strebte internationale Vernetzung an und öffnete den Weg zur Abstraktion. Der Erste Weltkrieg zerstörte jedoch viele dieser Visionen, sowohl ideell als auch durch den Tod bedeutender Künstler.

Nach Kriegsende erhofften sich jüngere Künstler, mit expressionistischer Kunst gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. Doch diese Ideale scheiterten an politischen und wirtschaftlichen Realitäten der Weimarer Republik. Mit Hitlers Machtübernahme 1933 begann die Verfolgung moderner Kunst. Über 20.000 Werke wurden als „entartet“ gebrandmarkt, viele Künstler wurden verfolgt, ins Exil gedrängt oder ermordet. Die NS-Diktatur zerstörte den zuvor erreichten Reichtum künstlerischer Ausdrucksformen fast vollständig.

Nach 1945 konnten nur wenige an frühere Erfolge anknüpfen. Ein Beispiel ist der Soester Eberhard Viegener, der in der Nachkriegszeit ein beeindruckendes Alterswerk schuf.

Quelle: Matthies Weber & Schnegg

Zur Ausstellung

Die Ausstellung wird gemeinsam mit dem Gestaltungsbüro Matthies Weber & Schnegg aus Berlin konzipiert und mit dem Sammler Dr. Gerhard Schneider kuratiert. Die klassische Sammlungspräsentation ergänzt das Museum um eine dynamische Gestaltung aus Farben, Medien, begleitenden Tischvitrinen und einen Vermittlungszugang für Kinder.

Das für die Ausstellung ausgewählte Titelmotiv „Schwester Maria, schlafend“ von Heinrich Maria Davringhausen befindet sich im ersten Ausstellungsraum zum Blick auf den frühen Expressionismus bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs und gibt exemplarisch Auskunft über die Vielfalt der Stilmittel und Ausdrucksformen, die die Expressionisten entwickelten.

Seit vermutlich rund 100 Jahren erstmals öffentlich zu sehen ist das Werk „Verwundeter Kavallerist am Wasser“ (1917/18) von Lorenz Bösken, das lange in der Versenkung verschwunden war und mit Größe, Farbgebung und Darstellung den Mittelpunkt der Ausstellung zur Verarbeitung des Ersten Weltkriegs bildet.

In künstlerisch hellsichtiger Weise führt im letzten und größten Ausstellungsraum das Werk „Der Abgrund“ (1935) von Georg Netzband dem Besucher vor Augen, dass durch die Politik des „Dritten Reichs“ die Menschheit nicht nur vor einem Abgrund steht, sondern bereits von ihm verschlungen wird.

Die insgesamt etwa 170 Werke aus der umfangreichen Sammlung von Gerhard Schneider umfassen äußerst seltene, zum Teil noch nie öffentlich gezeigte Ölbilder und Grafiken, so zum Beispiel frühe Grafiken des Künstlers Josef Albers oder Werke von Künstlern wie Max Pechstein, Florenz Robert Schabbon und Käthe Kollwitz.

Sammlung Gerhard Schneider

Die Sammlung Gerhard Schneider stellt mit über 6.000 Kunstwerken zum gesamten 20. Jahrhundert einen kaum vergleichbaren Bestand dar. Das hervorstechende Merkmal dieses Fundus besteht in der Verbindung von hohem künstlerischen Gestaltungsanspruch und der Wiedergabe historischer und gesellschaftlicher Ereignisse. Neben einer Reihe renommierter Namen wie Beckmann, Heckel, Kandinsky, Kirchner, Marc, Morgner, Pechstein, Schmidt-Rottluff oder Rohlfs findet sich eine kaum zu benennende Zahl von nahezu Unbekannten. Dr. Gerhard Schneider zu seiner umfangreichen Sammlung: „Insbesondere deren Wirken und ihre Wiederentdeckung zeigen, in welchem Umfang Meisterleistungen in unserer Erinnerung nicht mehr präsent sind.“

Rahmenprogramm

Das umfassende Rahmenprogramm ergänzt die Ausstellung um künstlerisch-kreative Angebote. Sowohl tänzerische als auch lyrische Ausstellungsführungen bereichern die bildende Kunst um weitere, darstellerische Ebenen.

Im Januar liest der Kölner Literat Stephan Schäfer aus „Die Ermordung einer Butterblume“ von Alfred Döblin, der als Wegbereiter des Expressionismus in der Literatur gilt und dessen Texte bereits 1910/1911 in der Zeitschrift „Der Sturm“ von Herwarth Walden publiziert wurden.

Die schillernde Persönlichkeit Alma Mahler steht im Mittelpunkt einer weiteren Lesung im Februar. Alma Mahler war zunächst mit dem Komponisten und Wiener Operndirektor Gustav Mahler verheiratet, hatte eine Affäre mit dem Bauhaus-Architekten Walter Gropius, den sie nach Mahlers Tod und einer Liaison mit dem Maler Oskar Kokoschka heiratete. Nach der Scheidung von Gropius wurde sie die Ehefrau des Schriftstellers Franz Werfel, mit dem sie gemeinsam in die USA auswanderte. Die Lesung beleuchtet einige der Facetten dieser großen Dame, indem sie den autobiographischen Texten Alma Mahlers Stimmen aus ihrer Umgebung und verschiedene Klavierstücke an die Seite stellt. Regelmäßige öffentliche Führungen durch die Ausstellung runden das Angebot ab. Die Ausstellung wird gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.