Wunschlos glücklich mit 100 Jahren

Mit Zufriedenheit, innerer Ruhe und Gottvertrauen

Wenn man Maria Bremerich aus Kirchrarbach sieht und weiß, dass sie gerade einen runden Geburtstag begehen durfte, denkt man ganz bestimmt nicht, dass es ein dreistelliger war. Mit hundert Jahren so auszusehen und auch noch gut auf beiden Beinen zu stehen, das ist ein Segen.

„Sie hat immer die Ruhe bewahrt und ich habe sie nie hektisch gesehen – darum ist sie so alt geworden“, sagt ihre Tochter Marga mit Überzeugung. Aufgewachsen in Immenhausen am Hennesee, wuchs Maria Bremerich zusammen mit vier Geschwistern auf einem kleinen landwirtschaftlich betriebenen Hof auf. „Als Kinder mussten wir jeden Tag etwa zehn Kilometer zur Schule und zurück laufen, über den Köppekopp nach Meschede – im Winter durch tiefen Schnee und über Eis, mit Laternen ausgestattet.“ Nach der Schule mussten die Kinder auf dem elterlichen Hof mit anpacken, wie das früher üblich war. „Mein Vater verlangte das“, sagt die Jubilarin, die eigentlich andere Pläne hatte.

Auf dem Land gab es immer was zu tun

„Wir hatten ein paar Kühe, Hühner und Schweine im Haus, so kamen wir gut über die Runden. Es gab immer was zu tun“, erinnert sie sich. „Im Dorf gab es eine Poststelle mit Telefon, das man hin und wieder benutzen durfte, und das einzige Verkehrsmittel, das es damals gab, war das Fahrrad – und auch das hatten nur die wenigsten.“ Zum Einkaufen und zu allen anderen anfallenden Erledigungen musste man nach Meschede. „Als ich einmal den Wunsch nach einem Fahrrad äußerte, sagte mein Vater nur, ich solle zu Fuß gehen“, erzählt sie weiter. Nach der Schulzeit wäre sie sehr gerne zur Kriminalpolizei gegangen: „Das fand ich immer sehr interessant. Aber eine Berufsausbildung wäre damals undenkbar gewesen, erst recht für Mädchen.“

Kirchrarbach wurde ihr neues Zuhause

Es ergab sich, dass sie durch ihre ältere Schwester den Fuhrunternehmer Theodor Bremerich aus Kirchrarbach kennenlernte. Im Jahr 1941 heiratete sie ihn und lebt seitdem dort. Da er ein eigenes Fuhrunternehmen besaß und lebensnotwendige Waren wie Milch, Getreide und Kartoffeln transportierte, wurde er nicht als Soldat in den Zweiten Weltkrieg eingezogen. Ein großes Glück für Maria Bremerich, wie sie rückblickend weiß. „Viele Männer kehrten nicht zurück, sie fielen dem Krieg zum Opfer oder galten als vermisst“, sagt sie. Aber nach und nach kamen auch einige zurück nach Hause. „Das gab immer ein großes Hallodri, man freute sich.“

Gemeinsam mit ihrem Ehemann Theodor wohnte sie die ersten Jahre in der alten Schule. Gegen Ende des Krieges wurde im selben Haus auch ein Gefangenenlager eingerichtet. Für viele wäre das unvorstellbar, Tür an Tür mit Gefangenen zu leben. Nach dem Krieg ging es langsam aufwärts und es wurde mit dem Bau eines eigenen Hauses begonnen. Ihr Elternhaus fiel damals durch den Bau der Talsperre dem Wasser zum Opfer und ihre Familie wurde im Jahr 1952 umgesiedelt.

„Ganz einfach war es nicht, in der Zeit nach dem Krieg“, erinnert sich Maria Bremerich. „Das Geld wurde immer weniger wert, aber unser Handel lief gut“, erzählt sie. „Es wurde gefahren, verhandelt und gearbeitet – und es wurde gekungelt.“ Mit Hilfe von Pferden wurde ausgeschachtet und das Haus Schritt für Schritt aufgebaut. Immer wenn etwas Geld da war, wurde Baumaterial gekauft oder es wurde etwas getauscht. „Heute leiht man sich Geld, aber bei uns wurden nie Schulden gemacht.“ Zwei Töchter bekamen die Bremerichs und auch sie mussten im elterlichen Betrieb arbeiten. Tochter Marga blieb zu Hause wohnen und war immer mit auf dem Fuhrwagen. Sie hätte selbst gern einen LKW-Führerschein gemacht, aber das machte man damals als Mädchen nicht.

Ein gutes und zufriedenes Leben

Mit einem zufriedenen Lächeln sagt Maria Bremerich rückblickend: „Eigentlich habe ich es ganz gut gehabt im Leben. Wir haben nie gehungert.“ Früher zu Hause auf dem Hof wurde geschlachtet und gepökelt, später im eigenen Betrieb machte sie die Büroarbeiten und hatte sogar eine Hausangestellte. Und neben all den anfallenden Arbeiten strickte sie leidenschaftlich gern Pullover auf ihrer Knittax-Strickmaschine. Einen Führerschein besaß sie ebenfalls, was in der damaligen Zeit nicht alltäglich war.

Seit 1991 ist sie Witwe, aber ihre Lebensfreude hat sie nie verloren. Der Glaube hatte für sie immer große Bedeutung. Rückblickend ist sie sehr dankbar, dass sie auch heute noch zu Hause leben kann. An ihrer Heimat, dem Sauerland, mag sie besonders die schönen Wälder und, dass alles hundertprozentig in Ordnung gehalten wird. Dass sie immer mit ihrem Leben zufrieden war, ist ihr deutlich anzusehen. Auch mit 100 Jahren strahlt sie eine innere Zufriedenheit aus, wie man sie sich nur wünschen kann.

Was wünscht man sich bei einem solchen Leben denn überhaupt zum 100. Geburtstag? „So, wie es ist, ist alles gut. Ich bin wunschlos glücklich, es soll genauso weiter gehen.“ Gesellig war sie immer, aber leider fiel auch die diesjährige Geburtstagsfeier aus und so würde sie sich freuen, wenn sie immer mal Besuch bekommt, sobald das wieder möglich ist. Langweilig ist ihr aber nicht: Auch mit 100 strickt sie weiterhin Socken und Lepradecken und auch am Tagesgeschehen ist sie noch sehr interessiert.

Was hält einen so fit? „Immer die Ruhe zu bewahren und zufrieden zu sein“, ist ihr Tipp. „Ich denke immer positiv.“ Und auch wenn man nie Streit mit ihr kriegen könnte, wie Tochter Marga bestätigt, so hat Maria Bremerich im Leben auch gelernt, sich ab und an Luft zu machen. „Man muss auch mal seine Meinung sagen“, lächelt sie und man merkt ihr an, dass sie auch dabei ihre freundliche und ruhige Art bewahrt. Chapeau – weiter so. Denn was braucht’s mehr als Gesundheit und innere Zufriedenheit, wenn man auf 100 Jahre zurückblicken kann?