WOLL-Blick aus Berlin

Quelle: Disput/ Berlin!GmbH

Unsicherheiten allerorten

Gut ist die Stimmung nicht in den ersten Wochen und Monaten dieses noch ziemlich neuen Jahres. Der Krieg im Nahen Osten hält uns weiterhin in Atem: In Reaktion auf die Terrorattacken der Hamas treibt Israel seine Militäroperation im Gazastreifen weiter voran. Ein Ende, und vor allem eine politische Lösung, ist nicht absehbar. Ähnliches gilt für die Ukraine: Auch dort ist zum zweiten Jahrestag der russischen Invasion ein Kriegsende nicht in Sicht. In München bei der Sicherheitskonferenz konnte sich auch niemand so recht vorstellen, wie und ob sich Putin je mit einer Niederlage abfinden könnte. Und dann? Geht es immer so weiter? Unsicherheit allerorten.

Deutschland sorgt sich in diesen Tagen mehr denn je auch um die eigene Sicherheit. Kein Wunder angesichts eines unberechenbaren Aggressors im Osten, einer uneinigen Europäischen Union und angesichts amerikanischer Verbündeter, die je nachdem, wer der nächste Präsident wird, womöglich nicht mehr uneingeschränkt zu den ursprünglichen Nato- Schutzverpflichtungen stehen. „Germany alone at home“, spöttelte ein britischer Journalist. Und wirklich: Die Frage, unter wessen (atomaren) Schutzschirm wir denn im Notfall schlüpfen könnten, wird derzeit heiß diskutiert.

Alle Zeichen stehen auf Abschreckung, deshalb hat ein Slogan wie „Frieden schaffen ohne Waffen“ derzeit keine Konjunktur. Dieses Wiegenlied der alten Bundesrepublik ist ausgesungen, Pazifismus gerade nicht en vogue. Auch das ist ein Symptom der Zeitenwende oder des Epochenbruchs, der in vielerlei Hinsicht einschneidender ist als am Anfang gedacht.

Auch in der deutschen Innenpolitik ist derzeit viel Umbruch. Auch hier zeigt das Stimmungsbarometer ganz nach unten. Der Berliner Tagesspiegel diagnostizierte jüngst sogar eine „Schwermutsspirale“. Die hat, gepaart mit großer Unzufriedenheit, ziemlich viele Bereiche erfasst. Überall machen sie ihrem Unmut Luft: die Unternehmen, die Bauern, die Klimakleber. Dann sind da die Demos für Hamas und die Kundgebungen für Israel. Und natürlich die gegen Rechtsextremismus.

Unruhe, Angst und Wut treibt die Menschen auf die Straße, ob in großen Städten oder in der 500-Seelen-Gemeinde. An einem Samstag Anfang Februar zog auch in Bad Fredeburg ein Protestmarsch durch den verkehrsberuhigten Ort. „Bunt ist hübscher als Braun“ stand auf einem der Plakate. In einem Ort weiter südlich lief gar eine Gruppe Frauen unter dem Schild „Schöne Holländerinnen gegen rechts“. Doch der Spaß bleibt sonst in Deutschland überwiegend auf den Karneval begrenzt. Den meisten ist es bitterernst mit ihrem Protest.

Die Demos gegen Rechtsextremismus werden von Medien und Regierung mit Wohlwollen betrachtet. In die berechtigte Wertschätzung für das Engagement der Bürger mischen sich allerdings die Eigeninteressen der Parteien. „Die Europawahl ist die Chance für ein klares Votum gegen rechts“, mahnte jüngst Olaf Scholz. Um dann hinzuzusetzen: Am besten mit der SPD die älteste demokratische Partei wählen! Als wären es nicht gerade die etablierten Parteien von Regierung und Opposition, die mitverantwortlich sind für das Erstarken der Ränder … Denn merke: Nicht die AfD hat die AfD groß gemacht, sondern vor allem jene, die sie gewählt haben. Und die rekrutieren sich – von einem harten rechtsextremen Stamm abgesehen – aus einem Heer der Frustrierten.

Das Vertrauen der von der Politik Enttäuschten (zurück) zu gewinnen, muss das Ziel von bürgerlicher Politik sein. Gefragt sind Konzepte, die inhaltlich und handwerklich überzeugen. Ob die Ampelparteien oder die Union da Erfolg haben werden, wird man spätestens bei den Wahlen sehen, die 2024 anstehen: in Europa, aber auch in Brandenburg, Thüringen und Sachsen.