„Wir sind eine Wirtschaftsregion im Grünen.“

Der Landrat des Märkischen Kreises, Marco Voge, im Interview

„Herzlich willkommen im Märkischen Kreis mit seinen 15 Städten und Gemeinden. Am 1. Januar 1975 sind wir aus den Kreisen Iserlohn und Lüdenscheid sowie dem alten Amt Balve entstanden. Wir sind eine Wirtschaftsregion im Grünen mit etwa 410.000 tollen Einwohnern. Die Menschen hier haben das Herz auf dem richtigen Fleck. Die Region lebt unter anderem von einem riesengroßen, ehrenamtlichen Engagement und vielen touristischen Schätzen, die darauf warten, entdeckt zu werden.“ Das sagt Marco Voge, Landrat des Märkischen Kreises. Hermann- J. Hoffe und Tiny Brouwers haben mit ihm für das WOLL-Magazin im Kreishaus in Lüdenscheid gesprochen.

Wirtschaftsregion

WOLL: Ihr Märkischer Kreis ist der westlich gelegenste Teil des Sauerlandes. Wie beschreiben Sie diesen Kreis?
Landrat Voge:
„Erstens spielt die Industrie eine sehr große Rolle, und das soll auch so bleiben. Denn davon hängt unser Wohlstand ab. Etwa 50 % der ungefähr 150.000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Kreis sind in der Industrie tätig. Im nördlichen Märkischen Kreis gibt es die Produktion unter anderem von Badarmaturen und Leuchten. In Lüdenscheid und Richtung Halver und Schalksmühle ist die Metall- und Elektroindustrie sehr stark aufgestellt. An der Lenneschiene entlang ist die Drahtindustrie vorherrschend und rund um Plettenberg gibt es zahlreiche Automobilzulieferer. Dazu hat das Handwerk im Märkischen Kreis einen großen Stellenwert. Hier geht es um rund 3.500 Betriebe mit über 12.000 Beschäftigten. Auch der Tourismus spielt in unserem Kreis eine Rolle; wir haben unter anderem eine riesige Waldlandschaft. Es ist zudem nicht zu verkennen, wo unser Kreis herkommt: aus der Land- und Forstwirtschaft.

WOLL: Wie hat die Industrialisierung im Märkischen Kreis begonnen?
Landrat Voge:
Die Industrialisierung hat in der Luisenhütte in Balve angefangen. Dort steht die älteste erhaltene Hochofenanlage Europas. Wir hatten Erze, es gab Buchenwälder, die für den Ofen verkohlt wurden. Möglicherweise geht die Geschichte der Luisenhütte bis ins Jahr 1732 zurück. Der Bau einer Eisenhütte durch Familie von Landsberg ist jedoch erst für das Jahr 1748 belegbar. 1854 wurde die Hütte aufgrund wachsender Konkurrenz aus dem Ruhrgebiet, aus England und Belgien erweitert und umgebaut. Doch bald nach der Eröffnung der ersten Eisenbahnverbindungen des Ruhrgebietes mit den Hüttenwerken des Siegerlandes, 1865, wurden die Luisenhütte sowie weitere Hütten des Sauerlandes stillgelegt. Der Märkische Kreis hat einen langfristigen Pachtvertrag für die Luisenhütte und ist für das Museum und den Erhalt der Hütte als technisches Denkmal, welches große Bedeutung als nationales Kulturdenkmal hat, zuständig. Alle Sauerländer sind herzlich eingeladen, die Luisenhütte zu besuchen. Sie ist wirklich großartig.

Rahmede-Talbrücke

WOLL: Wie beeinflussen die Probleme mit der Rahmede- Talbrücke an der A45 die Wirtschaft und den Tourismus im Märkischen Kreis?
Landrat Voge:
Die Vollsperrung der A45-Talbrücke Rahmede bei Lüdenscheid hat die Lebensader des Märkischen Kreises und der Region Südwestfalen durchtrennt. Für Lüdenscheid und große Teile Südwestfalens ist die Lage dramatisch. Darum müssen Brückensprengung und Neubau höchste Priorität haben und möglichst schnell erfolgen. Jeder Tag Vollsperrung verursacht nach einer Untersuchung des Verkehrsverbandes Westfalen in der Region einen volkswirtschaftlichen Schaden in Höhe von mindestens einer Million Euro!

WOLL: Es ist typisch sauerländisch, aus der Not eine Tugend zu machen. Ist das hier auch schon passiert?
Landrat Voge:
Es stimmt. Es liegt in unserer DNA, nicht zu jammern, sondern anzupacken. Nicht erst seit der Vollsperrung gibt es viele Kooperationen in unserer Region. Wir legen unsere Hände nicht in den Schoß, sondern fragen immer wieder: Welche Chancen ergreifen wir für die Zukunft?

WOLL: Können Sie einige Beispiele nennen?
Landrat Voge:
Natürlich. Es gab zum Beispiel im Rahmen der A45-Initiative ein Projekt, das bis ins Ruhrgebiet hinein „45 guten Gründe“ nannte, um ins Sauerland oder in den Märkischen Kreis zu fahren. In unserem Kreis kommen 70 % der Übernachtungen von außen aus dem Businessbereich. Der Tagestourismus ist im Märkischen Kreis ebenfalls wichtig. Ich denke hier zum Beispiel an das große Freizeitbad AquaMagis in Plettenberg mit 400.000 Besuchern, an den Sauerlandpark Hemer mit 300.000 und die Burg Altena mit 100.000 Besuchern im Jahr. Ich habe die Luisenhütte schon erwähnt, nennenswert sind natürlich auch das Deutsche Drahtmuseum in Altena, das Technikmuseum Phänomenta in Lüdenscheid und die Dechenhöhle in Iserlohn. Zudem gibt es schöne Wege zum Wandern und Fahrradfahren sowie die Angebote der Gastronomie. Das sind einige der 45 guten Gründe.

Unter dem Titel „Südwestfalen startet durch“ hat die Region rund um das Thema Talbrücke Maßnahmen zur Standortsicherung verfasst. Entwickelt wurde ein Ideenkatalog mit mehr als 20 Projekten und politischen Forderungen. Mehr als 100 Mitwirkende aus Wirtschaft, Bildung, Gesellschaft und Verwaltung haben konkrete Projektvorhaben formuliert, die sich in drei Themen gliedern: Bildungs- und Forschungslandschaft stärken, klimaschonende Mobilität der Zukunft fördern und Fachkräfte der Zukunft gewinnen. Wir sehen, dass es für Unternehmen und Verwaltungen durch die gesperrte Rahmede-Talbrücke schwierig wird, Fachkräfte zu halten oder neue zu gewinnen. Mit Förderung des NRW-Wirtschaftsministeriums ist das Project „HUB45 – Neue Orte des digitalen Arbeitens“ entstanden. Ziel ist, dass vor allem entlang der A45 neue dezentrale Orte für digitales Arbeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitern entstehen, die nicht dauerhaft im Home-Office arbeiten wollen und können.

Zusammenarbeit im Märkischen Kreis

WOLL: Was ist für den Märkischen Kreis außerdem wichtig?
Landrat Voge:
Eine gute Vernetzung. Es gibt sehr viel Zusammenarbeit im und rund um den Märkischen Kreis. So haben wir am 8. Dezember 2022 einen „Masterplan Radverkehrsnetz MK“ beschlossen. Zusammen mit den 15 Städten und Gemeinden wollen wir die Radinfrastruktur stärken und kontinuierlich verbessen. Ziel ist ein alltagstaugliches Radverkehrsnetz für das gesamte Kreisgebiet. Unsere Intention ist klar: sichere und komfortable Radwege auch über Kommunen hinweg zu bauen sowie touristische und überregionale Radverbindungen zu erschließen, wie zum Beispiel die Lenneroute oder den Volmetal-Radweg. Ein weiteres Beispiel ist der neue, kreisstraßenbegleitende Radweg an der K34 zwischen Balve-Mellen (MK) und der Sorpesee-Talsperre in Sundern (HSK). Dieser 1,5 Kilometer lange Radweg ist für Einheimische wie Touristen spannend und soll im Spätsommer dieses Jahres fertiggestellt sein.

WOLL: Jetzt sind wir wieder beim Tourismus. Was muss man Ihrer Meinung nach unbedingt gesehen haben?
Landrat Voge:
Vieles habe ich schon erwähnt, wie den Sauerlandpark in Hemer, die Aktivitäten auf Burg Altena, das Deutsche Drahtmuseum oder die Luisenhütte. Wir haben Premium- Wanderwege wie die Waldroute und den Höhenflug. Wandern Sie auf unseren höchsten Berg, die Nordhelle, lassen Sie sich im Technikmuseum Phänomenta in Lüdenscheid begeistern. Viele weitere interessante Ausflugstipps finden Sie auf unserer Website. www.maerkisches-sauerland.com.

Am Ende des Gesprächs präsentiert uns Landrat Voge freudestrahlend den Kreishaus-Honig. Seit Mai 2022 sind eineinhalb Bienenvölker auf dem Dach des Kreishauses in Lüdenscheid angesiedelt. Dass dort Bienenvölker summen und arbeiten, ist einer zufälligen Idee geschuldet, entstanden aus einem Gespräch mit einem MK-Mitarbeiter und Hobby-Imker. Voge fragte den Imker, ob in der Nähe des Kreishauses ein Bienenstock möglich sei, um einen Beitrag zur biologischen Vielfalt zu leisten. Der Hobby-Imker bejahte die Frage des Landrats und fand sofort einen geeigneten Standort auf dem Dach des Kreishauses. Dieser Honig bleibt etwas Besonderes: „In den freien Verkauf geht der Kreishaus-Honig nicht. Er wird zu besonderen Anlässen verschenkt.“