„Wir machen den Sommer bunter!“

Quelle: Montessori Kinderhaus Welschen Ennest

Die Kinder des Montessori Kinderhauses in Welschen Ennest nehmen uns mit in ihr vielseitiges Reich und zeigen uns, wie wir mit Zauberfarbe die warme Jahreszeit in allen Farben erstrahlen lassen können. Zauberfarbe? Das klingt spannend …

Es ist 8.30 Uhr am Dienstagvormittag. Alex nimmt uns mit in „sein“ Haus – genauer gesagt ins Montessori Kinderhaus in Welschen Ennest. Hier verbringt der 6-jährige Kirchhundemer seine Kindergartenzeit. Das braune Holzhaus ist schon von Weitem zu sehen, bunte Buchstaben an der Fassade verraten, wer hier beheimatet ist.

Auf dem Weg zum Eingang befindet sich rechter Hand der Start der Bobbycarstrecke, die sich um einen Teil des Gebäudes und den großen Außenbereich schlängelt. „Ich brause so gerne mit dem Bobbycar über die Strecke und sogar durch den Tunnel. Ich bin richtig schnell“, erklärt Alex, als ich ihn auf diesen besonderen Weg anspreche. Das glaube ich gerne – am liebsten würde ich direkt eine Runde mit ihm um die Wette fahren. Mal sehen, wer schneller ist. Doch alles nach der Reihe.

Ein ökologisches Holzhaus

Wir betreten den Eingang, laufen durch die Garderobe. Dort warten in der Regel 20 Paar Pantoffeln auf ihre kleinen Besitzer, um mit ihnen durch die eingruppige Einrichtung zu toben. Heute sind es nur 15. Fünf sind also schon unterwegs. „Guten Morgen!“, begrüßt uns Leiterin Anne Hartmann-Banusic. Seit mittlerweile sieben Jahren leitet sie die Einrichtung. Gemeinsam mit vier weiteren Pädagoginnen spielt und arbeitet die Erzieherin mit ihren Schützlingen. Ein Personalschlüssel, den man sich nur wünschen kann. Zum Team gehört zudem noch eine hauseigene Köchin und eine Corona-Alltagshelferin. „Unser Kinderhaus hat keinen karitativen Träger, sondern wird von einer Elterninitiative seit seiner Gründung Ende der 1990er Jahr geführt. Das hat den großen Vorteil, dass alle wichtigen Entscheidungen von den Eltern selbst mitbestimmt werden können, und so die Interessen der Kinder am besten berücksichtigt werden. Das im Jahr 2000 neu errichtete Kinderhaus ist ein zweigeschossiges, nach ökologischen Grundsätzen gefertigtes Holzhaus. Wir legen sehr viel Wert auf Umweltbewusstsein, das zeigt natürlich nicht nur unser Holzhaus. Auch unser Außengelände ist ökologisch vielfältig angelegt, wir haben verschiedenste Blumen gesät, Stauden gepflanzt, ein Insektenhotel gebaut. In Planung ist auch ein sogenannter Bienenautomat, an welchem man Kapseln mit Saatgut ziehen kann. Wir sind in der Woche mindestens einmal im Wald. Im Sommer sogar ganze zwei Wochen.“

„Hilf mir, es selbst zu tun“

Während Anne mir von dem Bau des Kinderhauses erzählt, hat Alex immer noch seine Jacke an. Anscheinend klemmt sein Reißverschluss. Ich wundere mich, dass die Erzieherin nicht eingreift. Als ich zu ihm gehen und helfen will, kommt mir Alex zuvor: „Ich kann das schon alleine.“ Oh, okay. Erzieherin Pia Schneider hat die kleine Szene beobachtet, kommt zu uns und lacht: „Wir unterstützen die Kinder dabei, selbstständig zu werden und lassen ihnen dabei die Zeit, die sie brauchen. Auch wenn es für uns Erwachsene manchmal schwer ist, die Kinder einfach machen zu lassen. ‚Hilf mir, es selbst zu tun!‘ ist der Leitspruch der Montessori-Pädagogik, den wir hier ganz selbstverständlich in den Alltag integrieren.“

Wie selbstständig viele Kinder bereits sind, stelle ich fest, als wir den Gruppenraum betreten. Hier hat alles seinen Platz, „vorbereitete Umgebung“ nennen die Montessoripädagogen das. Anerkennungspraktikantin Melissa Murgia erklärt: „Die vorbereitete Umgebung enthält unsere Montessorimaterialien: Dies lädt die Kinder ein, damit zu arbeiten. Es gibt zum Beispiel Sprach- und Mathematikmaterialien oder die sogenannten ‚Übungen des täglichen Lebens‘, bei denen die Kinder Grundfertigkeiten erlernen. Jedes Material ist nur einmal vorhanden, ästhetisch und muss nach seiner Benutzung immer an seinen Platz gestellt werden, sodass das nächste Kind damit spielen kann.“

Alex hat seine Jacke mittlerweile ausgezogen, seine Schuhe an Ort und Stelle gelegt, die Hände gewaschen und sich „angeklammert“. Das heißt, dass er sich die Wäscheklammer mit seinem Namen aus der bereitstehenden Schüssel an den im Flur stehenden Igel befestigt hat. Alle Kinder, die schon im Kinderhaus sind, heften ihre Klammern dorthin. Mia, Hannah, Janne und Marie sind auch schon da, sehe ich.

Während Janne und Hanna im Nebenraum „Baustelle“ spielen, hat Marie es sich auf der Anhöhe gemütlich gemacht. Mia sitzt am Tisch im Gruppenraum und arbeitet (so heißt das in der Montessori Pädagogik) konzentriert an einer Übung des täglichen Lebens, die ihre Feinmotorik schult. „Das macht richtig viel Spaß! Das gefällt allen Kindern!“, erläutert die 6-Jährige. Wenn das so ist, dann will ich euch diese Übung natürlich nicht vorenthalten. Probiert sie einfach aus:

Übung des täglichen Lebens: Bunte Tropfen in einer Seifenunterlage

Du brauchst: ein Tablett, eine Pipette, ein Wasserschälchen, Wasser und Wasserfarbe, eine kleine Untertasse, eine Seifenunterlage und ein Handtuch.      
Fülle das Wasserschälchen mit Wasser. Dieses kann durch eine beliebige Wasserfarbe eingefärbt werden. Dann nimmst du mit der Pipette im Drei-Finger- Griff das farbige Wasser auf und tropfst ein bis zwei Tropfen auf die Vertiefung in der Seifenunterlage, bis alle gefüllt sind.  
Nun saugst du mit der Pipette das farbige Wasser von den Vertiefungen der Seifenunterlage wieder ein und tropfst es zurück in das Glasschälchen.  
Danach säuberst und trocknest du alle benutzten Materialien mit dem Handtuch.  
Am Schluss legst du das Handtuch wieder zusammen und stellst alles ordentlich auf das Tablett, damit das nächste Kind diese Arbeit absolvieren kann.

Trotz Corona immer mit den Kindern in Kontakt

Mittlerweile ist es 10 Uhr und wir erkunden das Erdgeschoss des Montessori Kinderhauses. Hier gibt es einen großen Funktionsraum, der für Bewegungsspiele, Turnen und allerlei andere Aktivitäten, die viel Platz benötigen, genutzt werden kann. Heute hat sich Erzieherin Marina Schulte ihre Gitarre geschnappt und stimmt im Morgenkreis ein Lied an, das die Kinder gerne lauthals mitsingen. „Das Singen mit der Gitarre macht den Stuhlkreis viel lebendiger. Während der Coronazeit, wenn nicht alle Kinder in die Einrichtung kommen, haben wir Videos mit selbstgesungenen Liedern verschickt: Hallo, ciao, ciao, Das Krokodil aus Afrika oder das Lied von der kleinen Raupe Nimmersatt. Das hat den Kindern zuhause immer gut gefallen. Eine kleine Überraschung pro Woche, zum Beispiel eine Bastelübung oder ein Rezept, durfte auch nicht fehlen. So haben die Kinder nie den Kontakt zu ihrem Kinderhaus verloren“, beschreibt Anne die aktuellen Herausforderungen. Erzieherin Christina Krämer ergänzt: „Wir haben auch eine Schulanfängerin, Karlotta, die die ganze Coronazeit nur sehr selten bei uns sein konnte. Sie haben wir immer beispielsweise mit Videos und Briefen auf dem Laufenden gehalten, damit auch sie sich als Teil unserer Gruppe wahrnimmt.“

11.30 Uhr. Ein köstlich würziger Duft lockt Große und Kleine in den Gruppenraum. Köchin Heike Alfes hat das Lieblingsgericht der Kinder gekocht: Speckkartoffeln. Noch eine Viertelstunde müssen wir uns gedulden. Janne und Marie decken den Tisch. „So, jetzt komm aber endlich! Wir müssen dir doch noch unbedingt die Zauberfarbe zeigen!“ Alex und Mia winken mich in den benachbarten Werkraum. „Damit machen wir den Sommer bunter!“, freut sie sich. Für bunte Farben bin ich immer zu haben. Also los!

Mit Zauberfarbe wird der Sommer bunt


Aus 260 g Mehl, zwei Päckchen Backpulver und einem halben Teelöffel Salz rührst du eine Grundmischung an. Nun mischst du einen Teelöffel der Grundmischung mit 5 ml Wasser, einem Teelöffel Salz und einem Klecks Acryl- oder Lebensmittelfarbe deiner Wahl. Danach füllst du die farbige Mischung in eine kleine Quetschflasche oder einen Gefrierbeutel, bei dem du eine klitzekleine Ecke abschneidest. Jetzt kannst du nach Herzenslust auf Pappe malen, Linien nachfahren oder etwas schreiben. Bist du fertig, kommt das Blatt mit deinen Malereien für 30 Sekunden in die Mikrowelle – dort bekommt dein Kunstwerk einen 3D-Effekt und härtet aus. Du kannst es sogar aufhängen.

Nach getaner Arbeit, köstlichem Mittagessen, Zähne putzen und gemütlicher Mittagspause ist es endlich so weit: Es geht raus! Die Kinder ziehen sich selbstständig ihre Schuhe und Jacken an. Alex‘ Reißverschluss klemmt immer noch, aber ich habe dazu gelernt und lass ihn das ganz allein machen – schließlich kann er das schon. Die sauber aufgereihten Pantoffeln warten auf ihren nächsten Einsatz.

Auf der Rennstrecke und im Grünen

Das große grüne Außengelände ist ein Paradies für Kinder: Den Mittelpunkt bildet ein kleines Amphitheater, das zum Beispiel für kleine Aufführungen genutzt werden kann. Spielgeräte und Matschanlange dürfen natürlich nicht fehlen. Und endlich darf ich die Bobbycars auf der Strecke in Aktion sehen. Bei den rasanten Abfahrten überlasse ich das Fahren lieber den Profis. Die Kinder lachen und strahlen vor Freude, wechseln sich mit ihren Autos ab, stellen sich hinten an. Streit? Fehlanzeige.

Vielleicht sollte ich doch eine kleine Abfahrt wagen …