WingTsun – Kampfkunst und Gewaltprävention

Effiziente Selbstverteidigung und ganzheitliches Training – Eine exotische Sportart etabliert sich im Sauerland

WingTsun ist eine vermutlich im 19. Jahrhundert entstandene chinesische Kampfkunst, die als einer der jüngsten Stile des Kung-Fu gilt. In den späten 1960er Jahren wurde WingTsun in Deutschland durch die amerikanischen Bruce Lee-Filme bekannt und zunehmend beliebt. Trainer Markus Merzhäuser verrät WOLL, was seine Leidenschaft für diese außergewöhnliche Kampfkunst entfacht hat und warum jeder WingTsun einmal ausprobieren sollte.

WOLL: Wie bist du auf WingTsun gestoßen und was fasziniert dich an diesem Sport?
Markus:
Vor ein paar Jahren habe ich an einem Probetraining teilgenommen und war vom ersten Tag an Feuer und Flamme von dem Unterricht bei meinem Sifu Axel Lukas. Sifu ist Chinesisch und bedeutet so viel wie väterlicher Lehrer. Die Techniken und Bewegungsabläufe waren ein guter Gegenpol zu meiner Bürotätigkeit. WingTsun ist ein durchdachtes wissenschaftliches Kampfsystem, bei dem es keine überflüssigen oder akrobatischen Bewegungen gibt – es gilt die absolute Effizienz. Es ist auch kein Kampfsport im klassischen Sinn, sondern eine Kampfkunst. Übersetzt heißt WingTsun „schöner Frühling“ und wurde der Legende nach von einer chinesischen Nonne entwickelt. Neben Körperwahrnehmung und -beherrschung werden auch Konzentration und Gehirn trainiert, und das gemeinsame Training mit netten Menschen macht einfach Spaß. Ich betreibe die Schule nebenberuflich und als Hobby, weil ich Freude am Unterrichten habe, das Erlernte weitergeben und andere Menschen für diese Kampfkunst begeistern möchte.

WOLL: Für wen ist das Training geeignet und welche Voraussetzungen muss ich mitbringen? Was unterscheidet das Erwachsenen- vom Kindertraining?

Markus: Grundsätzlich kann jeder WingTsun erlernen. Da wir keine akrobatischen Bewegungen ausführen, kann ein gesunder Mensch WingTsun bis ins hohe Alter betreiben. Die untere Altersgrenze würde ich auf sieben Jahre setzen, da es doch einige kompliziertere Bewegungsabläufe und Techniken gibt, für die ein gewisses Maß an Körperbeherrschung und Koordination ausgebildet sein muss. Da ich festgestellt habe, dass immer mehr Kinder überhaupt erst mal Gleichgewicht und Koordination erlernen müssen, liegt der Fokus beim Kinder- und Jugendtraining auf den Aspekten Selbstbehauptung und Gewaltprävention, nach der Devise: Jeder vermiedene Kampf ist ein gewonnener Kampf.

Die Kinder und Jugendlichen lernen, worauf es in bedrohlichen Situationen ankommt, wie sie diese erkennen und ihnen entgehen können. Es ist eine Illusion, dass sich ein Kind gegen einen Erwachsenen verteidigen kann, aber es kann die Gefahr erkennen und ihr aus dem Weg gehen.

WOLL: Was unterscheidet WingTsun von Kampfsportarten wie Taekwondo, Karate, Kickboxen, Ju Jutsu oder Kung-Fu?

Markus: Der größte Unterschied ist, dass es keine sportlichen Regeln gibt, wie im echten Straßenkampf auch. Beim Kampfsport werden die Sportler in Gewichtsklassen unterteilt, damit eine Vergleichbarkeit und Fairness möglich ist, sonst gewinnt letztlich immer Goliath. Außerdem werden teilweise Schutzausrüstungen benutzt, und Angriffe auf Augen, Kehlkopf oder Genitalien sind verboten, um das Verletzungsrisiko zu senken. Bei WingTsun dagegen gibt es keine Wettkämpfe und auch kein Sparring.

Da WingTsun – wie viele andere Kung-Fu-Stile auch – seine Wiege im buddhistischen China hat, gibt es in den traditionell ausgeführten Formen, vergleichbar zu den Katas im Karate, auch versteckte Ehrerbietungen an Buddha, was die religiöse Herkunft der Sportart zeigt. Bei richtiger Ausführung und konsequentem Training kann der Größenunterschied z. B. zwischen Männern und Frauen ausgeglichen werden. Um wirklich verteidigungsfähig zu sein und es mit stärkeren oder erfahreneren Gegnern aufnehmen zu können, wird allerdings ein langes Training vorausgesetzt. Mit den Blitzdefence-Programmen unseres Verbandes kann ein gutes Niveau verhältnismäßig schnell erreicht werden.

Es gibt zwölf Schüler- und fünf Lehrergrade. Ab dem fünften Lehrergrad (in bestimmten Fällen auch ab dem dritten) wird der Lehrer zum Sifu ernannt und gilt als Meister des Systems. In den Meistergraden 6 bis 9 werden die beiden Waffenformen Langstock und Doppelmesser erlernt. In den Großmeistergraden 9 und 10 geht es vermehrt um die Philosophie und Weiterentwicklung des Systems.

WOLL: Seit wann gibt es die Schule in Olpe und wie ist sie organisiert?

Markus: Die Schule gibt es seit sieben Jahren, ich habe sie im Frühjahr 2022 von meinem Sifu übernommen und werde das Kursangebot nun nach und nach erweitern. Wir gehören dem ältesten und größten Verband in Europa an, der Europäischen Wing Tsun Organisation (ETWO), die von dem Großmeister Keith Kernspecht 1976 ins Leben gerufen wurde. Er hat bei den großen Meistern in China gelernt und sein Wissen in Europa durch die Gründung von einigen Hundert Schulen verbreitet. Die Ausbildungsstandards sind sehr hoch und es wird Wert auf regelmäßige Fortbildung der Ausbilder gelegt. Momentan liegt der Frauenanteil je nach Schule bei 20 bis 50 Prozent.

WOLL: Warum ist die Sportart in Deutschland und speziell im Sauerland noch relativ unbekannt?

Markus: Im Sauerland sind Kampfsportarten wie Taekwondo, Ju-Jutsu, Kickboxen, Judo oder Karate vermutlich bekannter, weil sie auch in Turnvereinen und Fitnessstudios angeboten werden und zum Teil auf eine längere Tradition in Deutschland zurückblicken können. Sifu Axel Lukas hat mehrere WingTsun-Schulen im Oberbergischen Kreis. Im Sauerland gibt es von der EWTO eine Schule in Attendorn bei meinem Sihing (älterer Kung-Fu-Bruder) Christian Arnoldi.

WOLL: Welche Pläne verfolgst du und warum sollte jeder WingTsun mal ausprobieren?

Markus: Zukünftig möchte ich in den neuen Räumen von Formfaktor zusätzlich zum Kinder- und Erwachsenentraining eine Gruppe für Jugendliche einrichten sowie Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurse für Frauen anbieten. Selbstverteidigung lernt man nicht in einem Wochenendkurs, aber Selbstbehauptung ist der erste Schritt zu einer guten Selbstverteidigung. WingTsun auszuprobieren lohnt sich, einfach weil es toll ist, etwas zu lernen, was nicht alltäglich ist und jeder macht. Außerdem ist es spannend, zu erfahren, was im eigenen Körper steckt und wie Körper und Geist mit einer neuen Sportart gefordert und gefördert werden können. Das Training ist auf Koordination, Formentraining, Kampftechniken und Fitness ausgelegt und jeder kann in seinem eigenen Tempo lernen. Ich gehe ganz anders durchs Leben, wenn ich weiß, dass ich mich im Fall der Fälle selbst verteidigen kann, das ist geschlechterunabhängig und generationenübergreifend, was bedeutet, dass wirklich jeder vom Training profitiert. Einfach mal testen!

WingTsun EWTO
Trainer: Markus Merzhäuser
Tel.: 017670234968
Trainingsort: WingTsun Schule Olpe im Studio FormFaktor, Westfälische Straße 18
Mitglieder in Olpe: 25
https://schulen.ewto.de/57462-olpe
ewtowingtsunolpe@gmail.com

KDK Attendorn e.V.                                       
1. Vorsitzender und Cheftrainer: Antonio Barbarino
Tel. 0171/4031784
Trainingsorte: Attendorn, Wenden und Valbert
Mitglieder: über 250
www.kdk-attendorn.de

Selbstverteidigung für Kinder und Jugendliche; Taekwondo, Parkour und free Running für alle; Kickboxing für Jugendliche und Erwachsene

Ju-Jutsu Club Olpe
1. Vorsitzender: Christof Pöggeler
Tel.: 01722746078
Mail: poeggeler@online.de
Trainingsort: Fitnessstudio Aktiva, Ziegeleistr. 40, Olpe.
Mitglieder: ca. 10
www.ju-jutsu-olpe.de

Shotokan Wenden e.V.
Vorsitzender: Andreas Quast
Tel 0176 6425 9744
Mail: vorstand@shotokan-wenden.de
Trainingsort: Sporthalle (D) der Konrad-Adenauer-Schule Wenden
Mitgliederzahl: 174 (davon 14 passive, 36 Pilates, 124 Karate)
www.shotokan-wenden.de

TVO Turnverein Olpe
Abteilungsleiterin: Yvonne Baethcke
02761 – 826170
Trainingsort: Turnhalle Max von der Grün-Schule Olpe,
Mitglieder: 2100, davon 33 in der Abteilung Taekwondo
www.tvolpe.de