Kräuterexpertin Sylvia König aus Maumke
Da kommt er wieder angerollt.
Der Rasenmäher über die Wiese tollt.
Macht alle Pflänzchen kurz und klein.
Der Rasen soll halt „englisch“ sein.
Doch wird dabei oft nicht bedacht,
was das mit der Natur so macht.
Welch‘ Folgen sind da zu erwarten?
Unlebendig wird der Garten.
(…) – Sylvia König
Die Natur im Sauerland hat so viel zu bieten. Doch oft haben wir den Blick dafür verloren und sind uns gar nicht mehr bewusst darüber, welch kleinen Wunder am Wegesrand wachsen – erst recht nicht im heimischen Garten. Denn bevor dort irgendein Kraut so groß werden kann, dass es auffallen würde, fährt auch schon der Rasenmäher darüber und mäht es raspelkurz.
Mit einem lauten „Miau“ werde ich von Kater Kaspar begrüßt, als ich die Wohnung von Sylvia König betrete. Auf dem Tisch steht schon ein Teller mit frisch gesammelten Pilzen und Kräutern, die meine Interviewpartnerin gleich zu einer leckeren Nudelpfanne verarbeiten will.
Beschäftigt mit Kräutern hat Sylvia König sich schon in ihrer Kindheit: „Meine Oma hat immer Kräuter gesammelt und sie ganz vielfältig eingesetzt“, erzählt sie. „Ihre Ärzte haben oft darüber gestaunt, wie sie ihren Körper mit Kräutern unterstützt hat.“ Auch Sylvias Mutter kannte sich gut aus und so arbeitete auch Sylvia König sich immer mehr in das Thema ein, bis sie sich schließlich entschloss, mehr daraus zu machen. Sie absolvierte 2015 eine Ausbildung beim Kräuterpädagogik in Westfalen e.V.. „Der Verein bietet Schulungen in Zusammenarbeit mit der VHS des HSK in und um Hallenberg an“, erklärt die Lennestädterin. „Einmal im Monat trafen wir uns an einem Wochenende und gingen in die Natur, um zu sehen, wie sie sich in den vergangenen Wochen weiterentwickelt hatte. Was blüht nun, was ist verblüht, was ist ganz neu gewachsen?“ Sylvia lernte viel über Inhaltsstoffe, darüber, welche Kräuter gut in der Küche verwendet werden können und natürlich auch über giftige Verwechsler, bei denen man lieber genauer hinschauen sollte – im Zweifel lieber stehen lassen und genau informieren.
Sylvia ist ausgebildete Gesundheitstrainerin für Ernährung, sie bietet Ernährungsberatung im ganzheitlichen Sinne an. Dazu passte die Kräuterpädagogik-Ausbildung perfekt. Heute gibt sie Workshops bei der VHS oder hält Vorträge – begleitet von ihrer Poesie. „Ich schreibe zu den Kräutern auch gerne Gedichte. Da gibt es so viel zu erzählen. Wie sie früher genutzt wurden und wie das heute ist. Sie sind oft auch ein wenig mahnend, weil ich mir wünsche, dass der Mensch wieder ein bisschen mehr auf die Natur achtet.“
Auch eigene Wildkräuterprodukte aus der heimischen Natur hat sie inzwischen im Angebot, die sie nun auch auf Märkten verkauft. „Man kann so viel aus den Kräutern machen. Ein bekanntes Beispiel ist sicher der Bärlauch, der ja teilweise in Unmengen in den Wäldern im Sauerland zu finden ist.“ Aus den Blättern stellt sie Pesto oder Salz her, Knospen und Samen legt sie ein und auch die Zwiebeln lassen sich verwenden. „Es ist die Vielfalt, die das alles so spannend macht.“
Dabei sammelt sie die Kräuter immer mit Bedacht und Rücksicht auf die Natur. Oft sieht das nämlich leider anders aus: Viele schneiden die ganze Pflanze mit dem Messer ab. So kommen jedoch keine Blüten, den Insekten fehlt die Nahrung und der Pflanze wird die Möglichkeit genommen, bestäubt zu werden, um im nächsten Jahr wieder zu wachsen.
Besonders beliebt sind daher auch ihre Kräuterwanderungen. Ganz unterschiedliche Menschen sind es, die Interesse daran haben, mehr über die Kräuter, die im Sauerland wachsen, zu erfahren. Wie so eine Kräuterwanderung abläuft, ist ganz individuell. „Ich sage immer: Alles kann, nichts muss. Wir schauen uns Kräuter an und kochen danach etwas Schönes daraus.“
Genau hinschauen
Inzwischen riecht es in Sylvias Küche verlockend nach frischen Pilzen und Wildkräutern und auch die Nudeln köcheln blubbernd vor sich hin. Kater Kaspar schaut erwartungsvoll zu seinem Frauchen hinauf, die mir voll Leidenschaft erzählt.
„Wildkräuter sind einfach ein extrem vielseitiges Gebiet. Es gibt hier im Sauerland so viel zu entdecken. Und das auch, wenn man immer die gleichen Wege geht.“ Denn das ist besonders spannend: „Erst dann sieht man nämlich, wie sehr sich die Natur von Woche zu Woche verändert. Wo letztens noch die Knoblauchsrauke stand, steht nun das indische Springkraut. Der Bärlauch hat sich inzwischen komplett in die Erde zurückgezogen und stattdessen stehen dort die Fruchtstände des Gefleckten Aronstabes, dessen Blätter man im Frühjahr leicht mit denen des Bärlauchs verwechseln kann – was man jedoch nicht tun sollte, da der die Speiseröhre verätzt.“
Sylvia stellt mir einen Teller mit Bandnudeln, Pilzen und einer Soße aus Spitzwegerich, Brennnesseln und Giersch (ja, letzteres ist genau das, was sich gerne wie wild im Garten verbreitet, aber eigentlich gar nicht gerne gesehen wird) hin, während sie weiterspricht.
Sich die Pflanzen in der Umgebung einmal ganz genau anzuschauen, in den unterschiedlichen Stadien und zu erkennen, was die Natur für großartige Dinge hervorbringen kann, das möchte Sylvia König den Menschen wieder näherbringen. „Auch ich entdecke immer wieder etwas Neues. Ich weiß, dass ich niemals alles wissen werde, man lernt gnadenlos jedes Mal dazu. Und es gibt so viel auszuprobieren. Allerdings braucht man dafür oft Geduld!“ Denn wenn die Kräuterpädagogin etwas Neues in der Küche testet, es für gut befindet, dann kann es sein, dass es schon wieder verblüht ist, wenn sie das nächste Mal auf Kräutersuche geht – das bedeutet dann: bis zum nächsten Jahr warten.
Wachsen lassen
Unsere Teller sind leer, draußen regnet es inzwischen – wie so oft in diesem Sommer –, aber Sylvia König möchte mir zum Abschluss unbedingt etwas zeigen, was ihr besonders am Herzen liegt.
„Im Garten gibt es so viel zu entdecken, wenn man es denn einmal zu lassen würde“, erklärt sie. „Es würde schon reichen, einmal ein, zwei Quadratmeter Rasen einfach wachsen zu lassen.“ Denn im Garten wächst meistens deutlich mehr als Löwenzahn, Klee und Gänseblümchen. „Dass der Klee nicht nur zehn Zentimeter, sondern durchaus auch mal einen halben Meter hoch werden kann, genauso wie der Spitzwegerich, das wissen die wenigsten.“ Sylvia König zeigt mir Klee, der länger ist als ihr Unterarm, den sie gerade frisch aus dem Wald geholt hatte, bevor ich an ihrer Tür klingelte. „Es ist nicht nur für uns und vor allem auch für Kinder spannend zu beobachten, auch Hummeln, Bienen und Schmetterlinge freuen sich.“ Sylvia König schlägt vor, einfach mal einen Wildblumenmischung im Garten zu verteilen und zu schauen, was passiert. Eines ist klar: Schöner als raspelkurz gemähter Rasen ist es allemal.