Wie Schei**e zu Gold wird

Wer zum ersten Mal mit ihm zusammentrifft, kann nur hoffen, dass er das richtige Schuhwerk anhat. Natürlicherweise machen wir einen großen Bogen um ihn herum. Aber was für uns abstoßend ist, ist für Andere ein Schlaraffenland. Der Kuhfladen ist für die meisten Sauerländer ein altbekannter Wegbegleiter, ob physisch oder metaphorisch.

Im alten Ägypten war der Skarabäus, auch der heilige Pillendreher (Scarabaeus sacer), ein verehrtes Tier mit hoher kultureller Bedeutung. Er stand nicht nur für Sonne, Licht und Wärme, sondern auch für die ständige Erneuerung der Natur und des Lebens an sich.

Wer weiß, ob den Ägyptern bewusst war, wie recht sie mit dieser Vorstellung hatten. Ob als Mist, Gülle oder Fladen, der Dung liefert Stickstoff und Mineralien, die die Pflanzen für ein üppiges Wachstum brauchen. Doch nicht nur wir Menschen haben die Notdurft unserer Nutztiere zu schätzen gelernt. Schon seit gigantische, pflanzenfressende Dinosaurier ihre Exkremente in der Landschaft verteilten, sind eine Menge vor allem kleinere Tiere an diesen interessiert. Über die Jahrmillionen haben sich diese Organismen an die Verwertung dieser Ressource angepasst. Und seit der Sesshaftwerdung des Menschen und der damit verbundenen Domestizierung von Nutztieren haben die Tiere auch diese Nahrungsquelle für sich entdeckt.

Es kreucht und fleucht im Kuhfladen

Bei verschiedenen Untersuchungen wurden über 200 verschiedene Tierarten in nur einem Kuhfladen entdeckt. Darunter Käfer, Fliegen, Schmetterlinge, Regenwürmer, Wespen, Milben und noch viele mehr. In dem Haufen tummelt sich ein ganzes Ökosystem mit Jägern und Gejagten, Konkurrenten und Symbionten. Ganze Nahrungsketten bestehen bereits nach ein paar Stunden. Schon in den ersten Minuten beginnt die Besiedlung des noch warmen Haufens. Fliegen in unterschiedlichsten Formen und Größen umkreisen bereits den Haufen, wenn die ersten Mistkäferarten eintreffen und ihre Höhlen in den Dung graben. Die Gelbe Dungfliege (Scathophaga stercoraria) ist eine der ersten Ankömmlinge. Mit ihrem empfindlichen Geruchssinn riecht sie den mikrobenreichen Haufen gegen den Wind. Während die Männchen auf die Ankunft der ersten Weibchen warten, fangen sie schonmal ein paar andere Fliegenarten, die sich ebenfalls für den Fladen interessieren. Treffen die Weibchen ein, beginnt die Balz, die bei den Fliegen ausschließlich auf Kot, bevorzugterweise Kuhdung, stattfindet. Nach der Paarung legen die Weibchen ihre Eier in die noch weiche Oberfläche des Haufens. Je nach Witterungsverhältnissen bildet sich relativ schnell eine feste Kruste um den Haufen, sodass es manchmal schon nach ein paar Stunden für die meisten Insekten unmöglich ist, in den Fladen einzudringen. Jetzt schlüpfen die Eier der Gelben Dungfliege und ihre Larven kriechen in das Innere des Haufens, wo sie sich auf die Jagd nach anderen Larven, Eiern, und kleinen Insekten machen. Haben die kleinen Zweiflügler genug Energie erbeutet, verpuppen sie sich in der Nähe des Fladens und werden schließlich zu den bekannten gelben Fliegen. Jetzt verbringen sie ihr Leben mit der Jagd nach anderen Insekten und Nektar. Dabei bestäuben sie ganz nebenbei unsere heimischen Pflanzen, dienen selbst als Nahrungsquelle für etwa Vögel und kontrollieren die Populationen vieler Schädlinge (z.B. Augen- und Hornfliegen). Nur zur Paarung kehren sie dann wieder zu ihrem Geburtsort, dem Kuhfladen, zurück.

Doch auch wenn die Besiedlung des Haufens schon sehr früh beginnt, heißt das nicht, dass sie auch früh wieder endet. Hat sich erstmal eine harte trockene Haut um den Fladen gebildet, schaffen es nur noch Spezialisten in den nahrhaften Haufen einzudringen. Einer davon ist der Gefleckte Stutzkäfer. Hat er die harte Hülle durchbrochen, bietet sich ihm ein Paradies aus fetten Larven, Eiern und Puppen. Ein einfacher Kuhfladen kann über 1.000 Larven unterschiedlicher Arten eine Kinderstube bieten. Diese nahezu wehrlose Proteinquelle lassen sich die räuberischen Käfer unserer Weiden nicht entgehen. Normalerweise finden sich in einem Fladen im Durchschnitt 50 Käfer, allerdings kann es auch zu Extremfällen von bis zu 800 Käfern pro Haufen kommen. Schließlich beginnen die Regenwürmer damit von unten in den Haufen einzudringen und ihn weiter zu zerlegen.

Je nach Wetterlage ist der Fladen bereits nach wenigen Tagen nicht mehr zu erkennen. Hat sich erstmal eine Menge hochwertigen Proteins in dem Haufen gebildet, werden auch die größeren Bewohner unserer Landschaft auf ihn aufmerksam. Vögel, Echsen und kleine Säuger verteilen, auf der Suche nach Essbarem, die Reste des Haufens in alle Himmelsrichtungen. So können auch die letzten Nährstoffe des Fladens ins Ökosystem zurückgeführt werden. Ein Weiderind produziert nur mit seinen Fladen eine durchschnittliche Insektenbiomasse von 120 Kilogramm pro Jahr. Das entspricht etwa 1,2 Millionen Bienen. Die unterschiedlichen Arten, die hier geboren werden, tragen mit verschiedensten Funktionen zur Stabilität unseres Ökosystems bei.

In Australien führte man in den 60er Jahren 43 europäische Mistkäferarten ein, um den Dung der nicht einheimischen Weidetiere zu verwerten. Die Nährstoffe in den Fladen konnten ohne sie nicht ins Ökosystem zurückgeführt werden. Im Jahr 2015 startete man einen weiteren Anlauf und führte erneut Mistkäfer aus Europa ein. Das Ziel: die Eindämmung einer Fliegenplage. Hier zeigt sich wieder der unschätzbare Wert unserer Kulturlandschaft. Über die Jahrtausende hat sich ein effizientes, aber empfindliches Gleichgewicht gebildet, von dem wir Menschen jeden Tag profitieren. Doch frei nach dem Motto „Was nichts kostet, ist nichts wert“, übersehen wir die Kleinigkeiten, die die Natur uns jeden Tag schenkt, nur allzu leicht.