Wie „Brettiwoman“ zu ihrem Namen kam

Autorin Kerstin Muckenhaupt schreibt eine „Silvestererzählung“

Theresa Brettschneider ist fertig mit der Welt. Vom Freund verlassen, von ihren Schülern verspottet und von der Schwester verlacht, sitzt sie am Silvesterabend in ihrer Wohnung, vor sich auf dem Tisch 180 Paracetamol, eine Flasche Obstler und der Papierkram für die Nachwelt. Penibel hat sie ihren Abgang vorbereitet. Auch nach diesem soll niemand Arbeit mit ihr haben. Dass dann allerdings immer wieder die Vorgeschichte bei ihr anklopft, um sie beharrlich und ohne dies zu ahnen von ihren Plänen abzuhalten, hat die Protagonistin nicht vorhergesehen. „Brettiwoman“ ist eine ermutigende, tragikomische Erzählung von hoher Bildgewalt geworden.Kerstin Muckenhaupt ist nicht fertig mit der Welt; sie ist nur fertig mit ihrer Erzählung.  Nach zwei lohnenden Lyrikbänden – „Gräserwind“ und „Nasse Federn“ – legt sie nun ihre erste Prosa vor. Auf dem Tisch Kaffee, Schokolädchen und Kerzen statt Tabletten und Obstler, sprechen wir über die Wechselwirkung von Worten und Wirklichkeit, den Mangel an Zuwendung in der Gesellschaft und den Titel „Brettiwoman“. Die Autorin, 46 Jahre alt und im Hauptberuf Lehrerin für Deutsch und Geschichte an einem Gymnasium, zeigt sich wohlsortiert und lebensfroh und lotet ihre Theresa aus:

„Es ist ja nicht so, dass Theresa wirklich aus der Welt gehen will. Eher ist sie verzagt von der Oberflächlichkeit der Welt, dem ewig gleichen Trott und der Beobachtung ihrer eigenen Entwicklung. Sie hat sich immer weiter in eine selbstgerechte Isolation verrannt, deren Aufbrechen sie sich doch eigentlich wünscht. Schließlich erscheint ihr ehemaliger Referendar Jens-Ole auf der Bühne, jung, naiv und ratlos. Er weiß auch nicht so wirklich, wohin mit sich in dieser Nacht“, schmunzelt Kerstin, „und dann geschehen eben Dinge.“

Quelle: privat

Ein spannender Abend, eine unerwartet verlaufende Nacht und ein herrlich verkaterter Morgen nehmen Fahrt auf. Dabei feuert die Autorin erzählerisch aus allen Rohren. „Die Orchidee auf der Fensterbank im Bad zum Beispiel gibt einen guten Einblick in Theresas Seelenwelt. Sie ist ein Verlegenheitsgeschenk von Ex-Freund Ulf. Theresa schmeißt sie nicht weg, sondern lässt sie verkümmern. Am anderen Morgen steckt sie eine Scherbe von Jens-Oles kaputter Rasierwasserflasche ins Wurzelgeflecht. Ich komme ja aus der Lyrik, diese Neigung zur bildreichen Knappheit hat mir sehr geholfen.“„Brettiwoman“ nennt Jens-Ole Theresa schließlich und bricht damit ihren hart klingenden Nachnamen, der nicht zufällig wie „Pretty Woman“ klingt. In diesem Film steigt die Protagonistin auf statt ab. Ganz schön raffiniert. „Es macht mir Spaß, alltägliche Dinge und Gefühlslagen, die schon tausendmal geschildert wurden, neu zu beschreiben und der Sicht auf die Welt damit neue Facetten hinzuzufügen.“ Das leuchtet ein, aber wie genau entstand der Titel des Buches?„Ursprünglich sollte Jens-Ole Theresa bloß ‚Tessi‘ nennen, aber das schien mir zu schwach. Wie es so oft ist im kreativen Prozess, geschah an dieser Baustelle erst einmal lange nichts, und auf einmal kam dieser neue Kosename ins Spiel. Oft schreibe ich wochenlang nichts, ein schwer auszuhaltender Zustand“, gibt Kerstin Einblick in ihre Schreibfortschritte, „und dann purzelt es plötzlich heraus. Ich habe die Szenen wie einen Film im Kopf, sie warten auf das Runterschreiben.“

„Brettiwoman“ kommt gut an. Leserinnen und Leser gratulieren und berichten Kerstin von bester Unterhaltung, die nachdenklich und glücklich macht. „Was unserer Gesellschaft fehlt und worunter Theresa so leidet, ist der Mangel an aufrichtiger Zuwendung, die oft bloß kleine Gesten braucht.“

Kerstin Muckenhaupt hat Gefallen an der Prosa gefunden und arbeitet aktuell an ihrem vierten Buch.

„Brettiwoman“ ist für 13,00 Euro in jeder Buchhandlung unter der ISBN 978 – 3 – 7565 – 2962 – 9 zu bestellen oder zur Not auch beim Riesen im Internet zu finden.