Wie aus Wörtern Worte werden

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Ein Vergleich

Im Anfang war das Wort, so steht es im Johannes-Evangelium. Am Anfang stehen Worte im Logo der Zeitschrift WOLL. Für mich aber waren es im Anfang die Zwischenräume, das Nichts zwischen den Wörtern und Zeilen. Aber dieses Nichts war nicht gegenstandslos. Es waren die Spatien, der Ausschluss, die Quadraten, die Regletten und Stege von Punktstärke bis Konkordanzgröße.

Sie werden jetzt fragen: Wovon ist die Rede? Ich kann es Ihnen verraten. Vom Schriftsetzer, von einem der schönsten Berufe, den ich in meiner Jugend erlernt habe.

Am Anfang musste ich mich mit dem Blindmaterial vertraut machen, mit dem Material, das man nicht sieht, wenn der Druck entsteht. Bevor ich die Trajanus- oder Bodoni-Schrift in Nonpareille-Schriftgröße auf zehn Konkordanz im Winkelhaken ausschließen und mit Viertelpetit-Durchschuss auf dem Schiff zur Kolumne für den Druck von Geschäftsbedingungen oder anderen Mitteilungen ausbinden konnte, vergingen viele Stunden. Heutzutage kann der Urheber den Text liefern, und in Sekundenschnelle ist dieser für die Zeitschrift oder anderweitige Druckprodukte formatiert.

Der gute Griff, das Gespür zwischen den Fingerspitzen für die Letter, den Buchstaben, die Urzelle für die Wörter, ergab bei mir nach und nach auch das Gefühl für die Worte. Es ist sehr entscheidend, ob das Substantiv Wort, als Mehrzahl gebraucht, nur Wörter sachlich aneinanderreiht oder sich zu Worten verdichtet. In den 125 Fächern des Schriftkastens die Lettern zu finden, die die Wörter bilden, ist eine Sache der Übung, des Erlernens. Aus der Vielzahl der Wörter unserer Sprache diejenigen zu finden, die sich zu Worten fügen, ist unserem Denken geschuldet, das sich in seinen unterschiedlichsten Strukturen zu Aussagen formt, in denen oft das Blindmaterial, das Nichtgesagte mehr Wert ist, als der vermeintliche Mehrwert des Gesagten.

Die Bleisatz-Kolumnen aus vielen tausend Wörtern waren schwergewichtig. Der Buchdruck, der alte Hochdruck, hinterließ mit seinen Wörtern auf der Rückseite des Papiers einen bleibenden Eindruck. Bei den Worten, die wir fügen, geschrieben oder gesprochen, sollten, ja müssen wir abwägen, mit welchem Gewicht sie entstehen, welchen Eindruck sie hinterlassen.

Als Schriftsetzer habe ich im Stehen Wörter gesetzt und zusammengefügt. Als Schriftsteller füge ich im Sitzen Wörter als kleinsten selbständigen Teil meiner Sprache zu Worten als Träger eines Sinnes in Form von Sätzen oder Versen. Es ist der Sinngehalt eines Textes oder Gedichtes, der Wörter zu Worten werden lässt. Und auch die Sprachfärbung lässt Wörter in einer Region, wie bei uns im Sauerland, erst zu Worten mit Heimatklang werden, wenn das ch in Meschede zum k wird und Iserlohn auf lohn und nicht auf Iser betont wird.

Die Technik, mit der wir unsere Texte verfassen, hat sich in den zurückliegenden 60 Jahren umfassend gewandelt. Buchstaben und Zwischenräume haben keine Materialbeschaffenheit mehr, sondern kombinieren sich aus Bits und Bytes. Alte Techniken sind reine Nostalgie. Wären wir noch in den alten Techniken der Satz- und Bildherstellung behaftet, könnte das reichlich in Farbe bebilderte WOLL-Magazin in seinem Umfang nicht vierteljährlich erscheinen. Deshalb mit digitaler Technik weiter so: Worte, Orte, Land und Leute.