Wichtig ist, dass sich das Immunsystem austobt

Im Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft befindet sich die einzige rein allergologische Abteilung in NRW

von Hermann-J. Hoffe
Immer mehr Menschen sind von Allergien betroffen. Im Fachbereich Allergologie im Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft werden im Jahr etwa 3.000 Patienten ambulant im Medizinischen Versorgungszentrum und weitere 1.250 Patienten stationär behandelt. Seit 1993 ist Dr. med. Friedrich W. Riffelmann (62), zunächst als Oberarzt, ab 2007 als Chefarzt und ab 1.11.2018 als Leiter des medizinischen Versorgungszentrums in Grafschaft für die Allergologie zuständig.
WOLL: Warum haben heute, wie es scheint, fast alle Menschen irgendeine Allergie?
Dr. Riffelmann: Diese Frage wird häufig gestellt. Eine eindeutige Antwort gibt es darauf nicht. Fest steht, dass die Anzahl an Allergikern in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist. Das kann daran liegen, dass die Kinder zu sehr behütet wurden. Denn Kinder, die schon früh mit Schmutz und Tieren in Berührung kommen, sind am gesündesten. Aus diesem Grund sind Kinder auf dem Land wesentlich weniger betroffen.
WOLL: Steigt die Anzahl der Allergiker noch weiter?
Dr. Riffelmann: Es ist wichtig, dass sich das Immunsystem „austoben“ kann und nicht auf normale Stoffe reagiert. Pollen sind etwas Normales, wieso sollte sich das Immunsystem damit beschäftigen? Dasselbe gilt für Nahrungsmittel. Das Problem ist häufig, dass sich das Immunsystem im Kindesalter nicht genug trainieren konnte. Dort muss man ansetzen, um die Zahlen auf lange Sicht wieder zu senken.
WOLL: Welche Formen von Allergien gibt es denn und welche Symptome werden hier in Grafschaft behandelt?
Dr. Riffelmann: Bei Allergien gibt es ein extrem weites Spektrum, das wir hier versuchen abzudecken: von sehr geringen Symptomen an den Schleimhäuten, vielleicht Bauch beschwerden, über chronischen Schnupfen und Asthma bis hin zu schwersten Nahrungsmittelallergien. Letztere nehmen einen großen Teil unserer Arbeit ein. Hier liegen chronische Beschwerden vor und die Betroffenen waren vorher häufig schon bei verschiedenen Ärzten. Es muss allerdings nicht immer eine echte Allergie sein. Gerade
im Erwachsenenalter handelt es sich häufiger um Nahrungsmittelunverträglichkeiten, oft gegen Milch- oder Fruchtzucker. Hier in Grafschaft können wir die Allergie ambulant oder in der entsprechend eingerichteten allergologischen Abteilung behandeln, in der wir bei besonders schweren Fällen Nahrungsmittel- und Medikamententests durch führen können.
WOLL: Die Fachabteilung für Allergologie am Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft hat seit 1982, so die eigene Aussage, Maßstäbe gesetzt. Welche sind das?
Dr. Riffelmann: Bei uns wird nicht nur ein Haut- und ein Bluttest durchgeführt, sondern auch ein Provokationstest (mit Nasenspray, Inhalations- oder Schlucktest). Das bedeutet, dass der Patient mit dem Allergiestoff konfrontiert wird, zum Beispiel mit Pollen, Milben oder beim Schlucktest mit Zusatzstoffen, genauso wie mit Histamin oder bestimmten
Nahrungsmitteln. Das machen nur sehr wenige Kliniken.
WOLL: Bezahlen die Krankenkassen diese aufwändige Diagnostik oder kommt es hier häufig zu Einschränkungen?
Dr. Riffelmann: Die Kassen können im Nachhinein durch den medizinischen Dienst prüfen lassen, ob der stationäre Aufenthalt begründet ist. Chefarzt Dr. Wenzel und ich müssen oft viel Zeit aufwenden, um den stationären Aufenthalt zu begründen. In den meisten Fällen klappt das, aber es gibt auch Fälle, in denen wir einen Rechtsanwalt bemühen müssen, weil die Krankenkassen die Kosten nicht übernehmen wollen.
WOLL: Können Sie Eltern einfache Tipps geben, wie sie Allergien bei ihren Kindern
vorbeugen können?
Dr. Riffelmann: Mindestens vier Monate Stillen wäre ein Rat, damit ist schon sehr geholfen. Aber Allergien sind auch häufig genetisch bedingt. Wenn beide Eltern eine Allergie haben, dann liegt das Risiko bei etwa 80 Prozent, dass das Kind einmal Allergiker wird. Bei Eltern ohne Allergie liegt das Risiko zwischen fünf und 15 Prozent. In beiden Fällen heißt es aber: Frühzeitiger Kontakt mit Dreck, Tieren und auch hochallergenen Lebensmitteln (ab dem 6. Lebensmonat) wie etwa Soja, Fisch oder Nüssen hilft. Dass Impfen Allergien auslöst, ist nicht korrekt. Tatsächlich haben Impfungen sogar einen protektiven Effekt.
WOLL: Wenn die Allergie aber einmal ausgebrochen ist, kann dem Betroffenen nur durch unterstützende Maßnahmen geholfen werden.
Dr. Riffelmann: Welche das sind, hängt natürlich von den Symptomen ab. Es gibt gute Behandlungstherapien wie etwa Immuntherapien bei Pollen- oder Hausstaubmilbenallergie. Unsere Erfolgsquote bei Wespen- oder Bienengiftallergie liegt beispielsweise bei weit über 90 Prozent. Es gibt inzwischen auch sehr gute Medikamente. Zum Beispiel Cortisonspray für die Nase oder die Bronchien, das keinesfalls so schädlich ist, wie viele denken, wenn sie das Wort „Cortison“ hören. Hierbei kommt es nämlich immer darauf an, wie es in den Körper gelangt und in welchen Mengen, und bei einem Nasenspray bleibt der Großteil in der Nase kleben. Auch zum Teil frei verkäufliche Antiallergika sind auf dem Markt. Diese werden Antihistaminika genannt, weil sie gegen das Histamin wirken, das bei allergischen Reaktionen ausgeschüttet wird. Histamin ist auch dafür verantwortlich, dass die Augen rot werden und die Nase läuft oder sich schließt. Die Antihistaminika blockieren diese Wirkung des Histamins, sie lösen nicht das Problem der Allergie, aber sie lindern die Symptome.
WOLL: Sie stellen dann die Patienten hier darauf ein und geben Ihnen die entsprechenden Hilfsmittel an die Hand?
Dr. Riffelmann: Entweder das oder wir schreiben einen Brief mit einer Therapieempfehlung an den Hausarzt. Das kommt immer auf den Einzelfall an.
WOLL: Sie sind in Bochum geboren und haben in Köln studiert. Gibt es etwas, das Sie an Grafschaft und dem Schmallenberger Sauerland besonders schätzen?
Dr. Riffelmann: Die Berge, weil ich Mountainbike fahre. Das Besondere an Schmallenberg ist, dass man hier auf dem Land lebt, umgeben von Natur, aber trotzdem gute Einkaufsmöglichkeiten hat. Ich möchte Schmallenberg erst mit den Füßen voran verlassen.
WOLL: Wir danken Ihnen ganz herzlich für das Gespräch und wünschen Ihnen bei der Arbeit hier im Fachbereich Allergologie am Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft weiterhin viel Erfolg.
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