Wer oder was ist ein Giewelfrigger?

Foto: Hermann-J. Hoffe

Von zarten Gefühlen und kaltem Kalkül

Möglicherweise ist Ihnen diese Szenerie bekannt: Sie wissen, wo Ihr neuer Schwarm wohnt, und wie von selbst führen Ihre Schritte Sie zu diesem Haus, unter dieses Fenster. Das kann Jahre, gar Jahrzehnte her sein, vielleicht aber war es auch der gestrige Abend. Egal, wie lang es her sein mag: Die Erinnerung an so etwas behält eigentlich immer ihre Frische. Da stehen Sie also, schauen nach oben, voller Sehnsucht natürlich, und … ahnen gar nicht, in welcher Gefahr Sie schweben. Denn der elterliche Argwohn ist bekanntlich allgegenwärtig, insbesondere beim Herrn des Hauses. Ihre Absichten mögen die besten sein, aber Ihren schmachtenden Blick, den könnte man tatsächlich nicht unbedingt zu Ihren Gunsten auslegen. Es öffnet sich also vielleicht tatsächlich ein Fenster, das falsche jedoch, und Ihnen wird ein alles andere als freundliches „Samma, wat bis Du denn für‘n Giewelfrigger?!“ entgegengegrollt.

Das Flirten und der Hausgiebel

Giewelfrigger? Ja, richtig gehört. Möglicherweise kennen Sie das Verb „friggen“, das Sauerländisch für „freien“ oder „werben“ bedeutet, das Bemühen um die Zuneigung einer Angebeteten. Und hier zeigt sich bereits, dass das Flirten früher in der Regel reine Männersache war. Entsprechend gibt es den Giewelfrigger auch nur in der männlichen Form. Der „Frigger“ ist also der Werbende. Was aber hat der „Giewel“ – der Hausgiebel – mit Herzensangelegenheiten zu tun? Eine Menge, wenn sich zum Interesse am anderen Geschlecht ein gewisses Kalkül gesellt.

So soll es tatsächlich Fälle geben, in denen der Blick nicht unbedingt besagtem Fenster gilt, sondern prüfend über weit profanere Dinge wandert, über den Giebel eben. Denn dessen Zustand lässt Rückschlüsse auf den baulichen Wer oder was ist ein Giewelfrigger? Von zarten Gefühlen und kaltem Kalkül Zustand des Hauses zu, welches im Idealfall ja später einmal das eigene werden kann und soll. „Drum prüfe, wer sich ewig bindet“ – Friedrich Schillers Zeile bekommt hier eine ganz eigene Bedeutung.

Auch der väterliche Argwohn wird nachvollziehbar. Der prüfende Blick des Möchtegern-Schwiegersohns galt (oder gilt) gerne mal den anderen tragenden Teilen des Hauses, weshalb man auch vom „Pöstenfrigger“ spricht, der die Pfosten ebenso begutachtet wie die Reize der Tochter des Hauses.

Giewelfriggen leicht gemacht

Nun haben sich die Zeiten geändert und damit auch das Flirtverhalten. Längst lassen sich aktiv und passiv beim Flirten nicht mehr geschlechtsspezifisch zuordnen. Da stellt sich die Frage, ob die Damenwelt nicht auch die Blicke schweifen lässt und andere Möglichkeiten abwägt. Wohl nicht ohne Grund lässt sich bei Männern das „Mein Haus! Mein Auto! Mein Boot!“-Verhalten beobachten, ob im Online-Flirt-Portal oder beim Schützenfest. Mann zeigt, was Mann bieten kann. Oder: Giewelfriggen leicht gemacht. Wird es also spannend für Michael Martin, Werner Beckmann und Co.? Müssen unsere Sauerländisch- Wörterbücher bald um die weibliche Form „Giewelfriggerin“ erweitert werden?

Nun, die Zukunft wird es zeigen. So lange kann man sich ein wenig im Schmachten üben, was ja in einer Partnerschaft nicht ganz so falsch sein kann. Und wenn der Blick etwas abschweift, so Richtung Giebel etwa, dann kann das ja auch der zarte Hinweis darauf sein, dass jener vielleicht mal einen neuen Anstrich vertragen könnte, woll?!