Wenn sie gemalt hat, war sie in einer anderen Welt

Aus dem bewegten Leben einer 95-jährigen Künstlerin

von Heike Schulte-Belke
„Erinnerungen“, so lautete der Titel der Ausstellung im Foyer des Hauses SENIORENWOHNEN IM PARK, und bei der Ausstellungseröffnung nahm Gerda Sieben-Rethel die Besucher mit auf ihre Reise und die damit verbundenen eigenen Erinnerungen an ein sehr bewegtes Leben.
Gerda Sieben-Rethel wurde bei Hamburg geboren und wuchs in Berlin auf. Dort studierte sie Modedesign und später Kunst in Hamburg. Ihr Lehrer, Professor Mahlau, war ein angesehener Künstler und ernannte sie zu seiner Meisterschülerin – zur damaligen Zeit eine besondere Auszeichnung. Ihre Lebensreise führte sie über England, Lüneburg, München, Darmstadt, in den 70er Jahren nach Bad Fredeburg. Dort war sie im Internat als Lehrerin für Kunst und Englisch tätig und bot abendliche Kunstkurse an. Einiges von ihrem Kunstwissen ist somit im Sauerland erhalten geblieben und auch viele Bilder sind hier entstanden. Sie malte den Rudolf-Becker-Park, die Lennewiesen und heimische Blumenmotive.
„Bereits mit vier Jahren habe ich angefangen zu malen“, verriet die Künstlerin. „Jeden Bleistift, den ich herumliegen sah, nahm ich an mich. Sogar mit dem linken Fuß habe ich gemalt und geschrieben“, erklärte die 95-Jährige stolz.
Entstanden sind viele Gemälde, in Öl und Aquarell und Zeichnungen. Ihr ältestes Bild in der Ausstellung ist ein Selbstportrait aus Studententagen, das sie mit Rötel vor dem Spiegel gezeichnet hat. Ein weiteres Aquarell aus dem Jahr 1954 zeigte ein bei vielen Malern beliebtes Motiv: Pflanzen mit exotischem Touch, ein umgefallener Blumentopf, ein Fenster im Hintergrund mit Blick nach draußen. Ein Portrait des Vaters beim Kreuzworträtsel Lösen, das sie kurz vor seinem Tod gemalt hat, wurde ebenfalls in der Ausstellung gezeigt. „Wenn ich gemalt habe, war ich in einer anderen Welt“, erinnerte sich Gerda Sieben-Rethel lächelnd.
Doch es sind nicht nur die vielen Bilder, die sie in ihrer künstlerischen Welt geschaffen hat. Sie hat genäht, gestickt und gehäkelt, mit Ton gearbeitet und Puppen aus Pappmaché gefertigt. Ihr Maskottchen und ständiger Begleiter bis heute ist Giovanni der Kaspar, eine Puppe, die sie nicht nur kunstvoll gefertigt, sondern auch gemalt hat. Die knapp dreißig Bilder, die in der Ausstellung zu sehen waren, stammten aus der Sammlung von Ludwig Stevermann aus Grafschaft und Viktoria Corey, der Tochter der Künstlerin. Jedes gab einen Einblick in die Schaffensperioden ihres künstlerischen Lebens. Zu jedem Bild konnte Gerda Sieben-Rethel eine Geschichte erzählen: Dabei war ihre Begeisterung für die Malerei auch mit 95 Jahren deutlich zu spüren.
„In unserem Haus SENIORENWOHNEN IM PARK ist man seit Jahren bemüht, durch verschiedene Projekte die Türen nach außen zu öffnen“, erklärt Petra Vollmers-Frevel. Soziale Kontakte, Teilhabe an der Gesellschaft und Austausch mit anderen sollen gefördert werden und den Bewohnern zu mehr Lebensfreude verhelfen. „Diese Ausstellung trägt dazu bei, Menschen zusammenzuführen und die schönen Erinnerungen des Lebens zu teilen“, erklärte sie weiter. „Denn Erinnerungen prägen unser Leben, sind individuell und einzigartig.“