Wenn Hilfe hilft

Ein Interview mit Dr. med. Rose-Martha Somborn

Dr. med. Rose-Martha Somborn ist Fachärztin für Psychiatrie. Seit zwölf Jahren ist sie im MVZ Bad Fredeburg als Fachärztin für Psychotherapie tätig. Schon 1987 zog Frau Dr. med. Somborn nach dem Medizinstudium aus Bonn ins schöne Haferland nach Obringhausen. Als geborene Rheinländerin beschreibt sie das Sauerland und die Menschen als bodenständig, zuverlässig und naturverbunden. Die einzigartigen Naturlandschaften faszinieren sie bis heute und sie genießt diese t.glich bei ihren Spaziergängen mit ihrem Hund Emil. Die nachgesagte Verschlossenheit der Sauerländer bestätigte sich am Anfang ein wenig, doch ihre Kollegen in der LWL Klinik Warstein, die aus verschiedenen Bundes- und Herkunftsländern kommen, haben geholfen, das Eis zu brechen.

Herausforderung Corona

Ihr Schwerpunkt ist die Verhaltenstherapie, die gerade bei Depressionen und Angsterkrankungen sehr wirksam und in Einzelfällen mit Unterstützung durch Medikamente zu einer besseren Lebensqualität führt. Durch die Corona-Pandemie, die nun schon länger als ein Jahr andauert, gibt es immer mehr Patienten, die vorher aus medizinischer Sicht als psychisch stabil galten, jetzt aber Hilfe suchen. Und zwar in jeder Altersgruppe und aus jeder sozialen Schicht. Die Diagnose lautet meistens Depression, die sich auch mit körperlichen Symptomen tarnen kann. Depressionen und Angsterkrankungen werden leider viel zu oft von der Gesellschaft noch als Schwäche und „sich anstellen“ abgetan. Es geht jedoch nicht darum, sich ein paar Tage schlapp und antriebslos zu fühlen, am liebsten die Decke über den Kopf zu ziehen oder den Haushalt mal etwas schluren zu lassen.

Depressive Menschen leiden unter Lust- und Sinnlosigkeit, Müdigkeit, Gereiztheit und auch Appetitlosigkeit. Oft vernachlässigen sie die Selbstfürsorge, isolieren sich, sagen Termine ab. Menschen können Angst vor dem Jobverlust haben, Existenzängste haben, Angst vor dem Verlust des Partners, vor einer schweren Krankheit, vor Menschenmengen oder Angst vor der Angst haben. Aufgrund der Corona-Pandemie, durch die den Patienten eine Isolation und Einschränkung sozialer Kontakte zur Bekämpfung von Corona staatlich verordnet wurde, leiden immer mehr Menschen unter diesen Symptomen. Durch die Isolation fallen Personen mit einer psychischen Erkrankungen weniger auf und müssen sich nicht für ihr Verhalten rechtfertigen.

Ein Drahtseilakt für die Nerven

Falls arbeiten noch möglich ist, ist es für Menschen mit einer Angsterkrankung sehr schwer, vor allem, wenn sie in großen Betrieben arbeiten. Sie haben Angst, an Corona zu erkranken und ihre Familie oder andere Menschen anzustecken und dadurch Schuldgefühle zu bekommen. Home Office ist ein Drahtseilakt für die Nerven, gerade für Familien und Alleinerziehende. Es kommt schnell zu Streitigkeiten, Eltern fühlen sich verpflichtet, die Lehrer zu ersetzen, haben Angst, beim Homeschooling nicht gut genug zu sein, und sind schnell überfordert. Streitigkeiten, innere Unruhe und unkontrollierte Emotionen können die Folgen sein.

Gerade Jugendliche, für die der tägliche Kontakt zu Gleichaltrigen sehr wichtig ist, sind jetzt besonders anfällig. Die Persönlichkeitsstruktur verändert sich und es kommt der Punkt, an dem man nicht mehr weiterweiß oder starke Veränderung bei einem Familienmitglied feststellt. Was dann? „Es gibt mehrere Möglichkeiten“, erläutert Frau Dr. med. Somborn. „Wichtig ist, zeitnah zu handeln. Sich nicht zu schämen, Hilfe anzunehmen, Hilfe zu finden, offen zu sein und so viel wie m.glich darüber zu reden.“

Eine Ausnahmesituation für alle

Corona ist eine Ausnahmesituation für alle, es bedarf einer persönlichen Durchhaltestrategie. Professionelle Hilfe kann sinnvoll sein, und ist manchmal sogar zwingend erforderlich. Allgemein ist es zwar schwierig, einen Termin bei Ärzten zu bekommen. Doch von Seiten der im Sauerland ansässigen Therapeuten werden relativ kurzfristig Erstgespräch-Termine vergeben.

Schon ein Gespräch kann sehr hilfreich sein. Es wirkt entlastend, hier trifft man auf Verständnis, Respekt, der Focus wird auf die positiven Dinge gelegt. Es werden kleine Verhaltensmuster gezeigt, die man in schwierigen Situationen leicht anwenden kann. „Verstanden zu werden und sich selbst zu verstehen ist sehr wertvoll. Alles geht vorbei, ja, auch Corona … Und solange versuchen wir uns damit zu arrangieren“, so die Psychiaterin.

Ältere Menschen lernen dank Technik, was „Chatten“ und „Zoom“ bedeutet, Bewegungsmuffel gehen auch mal öfters vor die Tür und ein Stückchen weiter. Es riecht lecker aus den sonst kalten Küchen, Kartenspiele und Hula-Hoop-Reifen erobern die Wohnzimmer, Haustiere werden so oft Gassi geführt, dass sie das Sofa vermissen, und es entstehen neue Freundschaften unter Nachbarn. Und der nächste Urlaub kommt bestimmt, außerdem wohnen Sie dort, wo andere Urlaub machen, also … Bleiben Sie gesund!