Warum heißt der Fickeltünnes „Fickeltünnes“?

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Wenn Enthaltsamkeit und Ferkeleien einen gemeinsamen Nenner haben

Wenn Sie sich an unsere letzte Ausgabe erinnern, werden Sie sich sicherlich entsinnen, dass Ihnen in dieser Rubrik mit „Giewelfrigger“ jemand begegnet ist, dessen Ruf nicht allzu positiv ist. Nun, wir begeben uns in dieser WOLL-Ausgabe nicht ans komplett andere Ende der Skala, denn da gibt es dies- wie jenseits sicherlich noch Ärgeres, dafür haben wir es dennoch mit einem echten Heiligen zu tun.

„Fickeltünnes“ – mag sein Name eine religiöse Verehrung eher unwahrscheinlich erscheinen lassen, so verbirgt sich hinter der im Westfälischen auch als „Swinetünnes“ oder „Ferkes Tünn“ bekannten Figur nichts anderes als der Schutzpatron der Bauern und ihrer Nutztiere.

Beim Schreiben dieser Zeilen erklärte sich mir auch eine Kindheitserinnerung: Meine Großeltern mütterlicherseits lebten in Heggen bei Finnentrop und ich war nicht nur in den Ferien oft bei ihnen zu Gast. Viel waren wir im Dorf und im Umland unterwegs und unsere Ausflüge führten auch hin und wieder zur Dorfkirche. Die Heggener Pfarrgemeinde trägt den Namen „St. Antonius Einsiedler“ und fasziniert hat mich stets jene Figur im Außenbereich, zu deren Füßen ein kleines Ferkel steht. Sie ahnen es sicher: Es war eine Figur des Heiligen Antonius – des Fickeltünnes.

Aber wie kommt ein Heiliger zu einem solch eigenwilligen Namen? „Tünnes“ als Kurz- und Koseform von Antonius ist klar, und „Fickel“ heißt nichts anderes als „Ferkel“. Schaut man auf den historischen Heiligen Antonius, stutzt man jedoch erst einmal. Denn der stammte aus Mittelägypten, lebte der Überlieferung nach von 251 bis 356 n. Chr. und erreichte demnach ein für einen christlichen Heiligen angemessen biblisches Alter von 105 Jahren. Mit etwa 20 Jahren soll er allem weltlichen Besitz und allen Begierden des menschlichen Seins entsagt und sich in verschiedene Einsiedeleien in der Wüste zurückgezogen und für gut 85 Jahre in gläubiger Askese gelebt haben …

Wie aber kam der Asket zu seinem Ferkel, der Tünnes also zu seinem Fickel? Nun, die Mönche des 1095 gegründeten Antoniter-Ordens waren Heilkundige und in ganz Europa wegen der Krankenpflege geschätzt. Als Gegenleistung durften die Ordensbrüder ein Schwein auf dem Gemeindegrund halten, das sogenannte „Antoniusschwein“. Alles Weitere erklärt sich dann im Grunde von selbst.

Wie auch immer, am Ende steht der Fickeltünnes für die schöne Eigenart der Sauerländer, bedeutende Gestalten der Menschheitsgeschichte auf liebenswürdige Weise sozusagen zu Ihresgleichen zu machen. Der Fickeltünnes könnte ums Eck wohnen und wäre ohne Frage ein geachteter Mann – vielleicht wegen seiner asketischen Haltung mit leichtem Stirnrunzeln bedacht, gerade zu Schützenfestzeiten, aber er wäre sicherlich ein geschätzter Teil jeder Sauerländer Dorfgemeinschaft.

Ja, wer als Fickel bezeichnet wird, hat vielleicht ganze Arbeit geleistet, aber wohl auch keine eben saubere Leistung vollbracht. Wie wir aber erfahren haben: Auch als Fickel kann man sich auf einen Patron berufen. Und der war sicherlich alles andere als ein „Ferkel“. Wenn man ihn und sein Gedenken mit einem kostbaren Schwein wertgeschätzt hat, dann fällt so ein bisschen Abglanz eben auch auf die Ferkel dieser Welt, woll?!