Gisela will´s wissen
Von allen Sportarten können viele, meist Frauen, den des Boxsports wohl am wenigsten verstehen. Männer (auch immer mehr Frauen), die im Ring stehen und mit Fäusten aufeinander losgehen. Warum? Geht es hier um den Umgang mit Aggressionen? Woll-Mitarbeiterin Gisela Wilms wollte es genau wissen und hat mit Fabian und Konstantin Henke gesprochen, erfolgreichen Amateur-Boxern aus Arnsberg-Bruchhausen.
Was gefällt Jugendlichen oder gar Kindern daran, sich zu prügeln? „ Völlig falsch“, entgegnen beide, „mit Prügeln hat der Sport nichts zu tun. Es geht um Körperbeherrschung, um Technik, um Koordination und Fitness. Ein Kandidat mit bedenklicher, aggressiver Motivation würde weder zum Training und erst recht nicht zum Kampf zugelassen. In Bezug auf die Verletzungsgefahr gibt es andere Hobbys, bei denen man gefährdeter ist, zum Beispiel beim Handballspielen“, erläutern die 24-Jährigen. Aber was ist mit blutenden Kopfplatzwunden, schiefen Nasen oder Schädel-Hirn-Verletzungen? Fotos, die vor allem Leserinnen erschaudern lassen, werden häufig in den Medien verbreitet. Die Woll-Mitarbeiterin fragte hierzu den Sportmediziner Dr. Paulus Decker aus Bruchhausen:
„Wenn die Regeln eingehalten werden, was bei Amateuren und Profis streng überwacht wird, ist Boxen nicht gefährlicher als Fußballspielen, Skifahren oder Downhill-Biken. Vernünftig ausgeübt, kann hier tatsächlich von einer gesunden Betätigung gesprochen werden, die Koordination, Fitness und auch das Selbstbewusstsein fördert.“
Fabian und Konstantin sind Zwillinge. Beide haben an Arnsberger Schulen ihr Abitur gemacht, beide studieren Lehramt. Der eine die Fächer Englisch und Philosophie, der andere Deutsch und Geschichte. Werdegänge, die auf einige Personen zutreffen. Aber das gemeinsame Hobby hebt sie von der Masse ab. Seit ihrem 11. Lebensjahr boxen sie beim Amateur-Box-Club Arnsberg. Ein Schulfreund, dem sie einfach mal zuschauen wollten, hat sie auf den Geschmack gebracht. Der Schulfreund hat nach kurzer Zeit aufgehört, Fabian und Konstantin sind bis heute dabeigeblieben.
Woher kommt die Begeisterung für Kampfsport?
Was bewegt Kinder dazu, sich für eine Kampfsportart zu begeistern? „Unser Vater ist Fußballer, hat aber schnell gemerkt, dass wir auf diesem Gebiet nicht das nötige Talent besitzen“, sagt Konstantin schmunzelnd. „Ich habe mich schon immer für Judo, Taekwondo oder Kickboxen interessiert.“ Fabian hat hingegen ohne Umwege in den Ring gefunden. Glück hatten beide mit ihren damaligen Trainern, von denen Hermann Fuchs sie heute noch begleitet. Fuchs, selbst jahrelang aktiver und erfolgreicher Amateurboxer, hatte das Talent der Brüder frühzeitig erkannt und sie entsprechend gefördert. Sprechen die Zwillinge von ihm, bekommt man schnell den Eindruck, dass hier ein Vertrauensverhältnis entstanden ist, das weit über die Beziehung Trainer-Schüler hinausgeht. Sie selbst bezeichnen ihn als „prägende Figur beim Aufwachsen“.
Disziplin, Kontrolle und kleine Listen
Beim Training und beim Wettkampf werden sie ständig kontrolliert. Ärztliche Untersuchungen gehören zum Pflichtprogramm und beim Kampf ist immer ein Mediziner dabei. „In den ganzen Jahren, in denen wir aktiv sind, haben wir natürlich das ein oder andere blaue Auge kassiert, einmal hatte Konstantin eine Gehirnerschütterung, aber das war es dann auch schon“, sagt einer der Bruchhausener. Das Hinarbeiten auf einen Wettkampf hat mit sehr viel Selbstkontrolle zu tun, erklären die jungen Männer. Regelmäßiges Trainieren, ausgewogene Ernährung und eine allgemein gesunde Lebensweise sind unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg. Disziplin ist zum Beispiel erforderlich, wenn sie in ihrer Gewichtsklasse bleiben wollen bzw. vor Kämpfen auch müssen. Fabian tritt in der Gruppe Halbschwergewicht an, Konstantin im Cruisergewicht. Und wenn es dann mal 500 Gramm mehr sind? „Dann hat man, kurz bevor man in den Ring steigt, noch einige Möglichkeiten“, verraten die beiden mit einem Grinsen. „Pflaumensaft tut wahre Wunder und wenn keine Sauna vorhanden ist, lässt man in der Dusche heißes Wasser laufen, zieht sich einige Pullover über und schon ist das erforderliche Gewicht durch Schwitzen innerhalb kürzester Zeit wieder erreicht.“ Danke für die Tipps, denkt sich die Redakteurin.
Die finanzielle Frage
Bei so viel Einsatz und erfolgreicher Laufbahn müsste man doch eigentlich eine Profikarriere ins Auge fassen. „Nein, das kommt für uns nicht in Frage“, entgegnen beide spontan. „Das ist ein harter Beruf, der schlecht bezahlt wird. Nur ein ganz geringer Teil der Profiboxer steht im Rampenlicht und verdient sicherlich gutes Geld. Schätzungsweise 90 % der Sportler hangeln sich aber von Kampf zu Kampf. Wir bleiben bei unserem Amateurstatus und wollen noch einige Siege einfahren. Wir genießen jedes Mal die positive Anspannung, den Adrenalinstoß und das völlige Verausgaben. Wenn wir davon leben müssten, wäre unser Spaß sicherlich nicht so groß.“
Positive Nebenwirkung
Ihr Hobby wird sich in ihrem erlernten Beruf ebenfalls nützlich machen, denn welcher Schüler oder welche Schülerin möchte sich schon mit aktiven Boxern anlegen? Respekt, vielleicht sogar Bewunderung, wird ihnen von daher sicher sein.