Wallfahrtskirche Kohlhagen

SAUERLAND SEELENORTE

„Das ist wahre Präsenz: empfangen, zuhören, mitfühlen“ steht auf der Plakette, die die Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung im Wald oberhalb von Kirchhundem-Wirme als Seelenort ausweist. „Das finde ich genial ausgewählt. Das passt zu diesem Ort und zu dieser Kirche mit der Pietà, die den Besucher empfängt und die zuzuhören scheint, eine Pietà, die von sich aus mitfühlt in der Darstellung“, begeistert sich Pater Jürgen Heite. Zusammen mit seinem Mitbruder Pater Siegfried Modenbach leitet er das 2021 eröffnete Geistliche Zentrum Kohlhagen. Dass die Kirche an diesem ungewöhnlichen Ort im Wald steht, dass sie ein Sauerland Seelenort ist und dass die beiden Mitglieder des Pallottinerordens gerade sie als bestmöglichen Standort für ihr Projekt ausgewählt haben, geht darauf zurück, dass Menschen unabhängig voneinander immer wieder die besondere Ausstrahlung und Kraft des Ortes gespürt haben.

Hart an der Grenze

Kohlhagen liegt an der Grenze zwischen Sauerland und Siegerland, katholischer und evangelischer Welt, den historischen Einflussbereichen der Sachsen und der Franken. In der Stiftungsurkunde von 1490 für die vermutlich erste Kapelle auf dem Kohlhagen steht zu lesen, dass Menschen seit altersher zur Andacht auf diesen Berg gingen und dort Hilfe für allerlei „Leibesgebrechen“ fänden. Bald bekam eine in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts gefertigte Pietà in der Kohlhagenkapelle ein neues Zuhause. Die kleine, unbemalte Figurengruppe zeigt Maria, die ihren toten, vom Kreuz abgenommenen Sohn in den Armen hält. Ihr gütiger Gesichtsausdruck ist geprägt von einer Stimmung zwischen Schmerz und Erleichterung über das „Es ist vollbracht“. In ihrer Schlichtheit und Ausdrucksstärke passt sie nicht nur perfekt ins Sauerland. Sie spricht die Menschen, die zu ihr kommen, so stark an, dass die Kapelle zum Wallfahrtsort wurde.

Barocke Prachtentfaltung

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts ersetzte eine Barockkirche mit für das Sauerland ungewöhnlich üppiger Ausstattung den Vorgängerbau. Und doch ist es immer wieder die kleine, sich von Gold und Farbenpracht absetzende Pietà im linken Seitenaltar, die alle Menschen in ihren Bann zieht. Es vergeht kein Tag, an dem sie nicht von einem Kranz von Opferkerzen umgeben ist. Das liegt sicherlich auch daran, dass die Kirche nicht nur Wallfahrtskirche, sondern gleichzeitig Pfarrkirche für die umliegenden Dörfer ist. Deren Bewohner sind seit vielen Generationen fest mit der Kirche verbunden. Die Namen der alteingesessenen Familien sind in die Kirchenbänke eingeritzt und markieren deren Stammplätze. Wichtige Straßen verlaufen in ihrer Nähe, aber nicht direkt an der Kirche vorbei. Wer den Kohlhagen besuchen will, muss dies gezielt tun. Viele kommen zu Fuß von Wirme den Berg herauf. Von Brachthausen führt eine Straße bis fast vor die Kirchentür. Abgelegen, in vollständiger Ruhe und doch leicht erreichbar – das ist eine der Stärken des Ortes.

Kerzen statt Kameras

Die Suche nach Sauerland Seelenorten und nach einer Immobilie für ein Geistliches Zentrum lief parallel, aber vollkommen unabhängig voneinander. In beiden Fällen fiel aus den gleichen Gründen die Wahl auf den Kohlhagen. „Ich glaube, solche Andersorte oder Andersräume, die braucht man einfach zum Leben“, erklärt Pater Heite. Der Kohlhagen war besonders geeignet, weil dieser Ort mit seiner Geschichte und Ausstrahlung schon so lange existierte und nicht geschaffen werden musste. „Es geht nicht nur um einen Ort, wo man zusammenkommen kann, sondern dieser Ort muss eben auch sprechen. Orte leben von Menschen, aber Menschen leben auch von Orten.“ Dabei hatte das Erzbistum Paderborn den Patres viel prominentere Immobilien angeboten, zum Beispiel die Abteikirche Marienmünster, die zum Weltkulturerbe Kloster Corvey gehört. „Ein ganz toller Ort“, erzählt Pater Modenbach, „aber es gab einen kleinen Unterschied: In Marienmünster gingen viele Leute nur mit Fotoapparat in die Kirche. Hier kommen Leute in unsere Wallfahrtskirche, um eine Kerze anzuzünden.“

Geistliches Zentrum und Seelenort

Die Initiative zur Gründung Geistlicher Zentren ging vom Erzbistum Paderborn aus. In Ergänzung zu den Aufgaben der Pastoralverbünde und Ortspfarreien sollen sie zusätzliche Angebote schaffen und zugleich vernetzend wirken. Gruppen und Einzelpersonen können – möglichst mit Anmeldung – auf den Kohlhagen kommen, um zu erzählen und zuzuhören. „Viele Menschen, die hierhin kommen, kommen mit der Sehnsucht, ein bisschen intensiver in den Glauben einzutauchen“, erklärt Pater Modenbach und Pater Heite ergänzt: „Wobei die Sache mit dem Glauben gar nicht so abstrakt ist, wie man jetzt vielleicht meinen möchte. Glaubensfragen oder Glaubensthemen sind eigentlich durch die Bank Lebensfragen und Lebensthemen. Da braucht es einen, der zuhört. Wo ich aber auch weiß: Dieses Zuhören ist ein diskretes Zuhören.“ So bringt der Kohlhagen auf einfachem, unkompliziertem Weg bei vielen Menschen etwas zum Schwingen – in Resonanz, wie es sich für einen Sauerland Seelenort gehört.

Veranstaltungstipp: Kohlhagener Tafelabend – geboten werden eine kleine, aber feine Speisefolge in mehreren Gängen, Klaviermusik am historischen Ibach-Flügel sowie Gedankenanstöße und Impulse zum Thema Freundschaft. Der nächste Termin ist am 10.04.2024. Eine Anmeldung ist erforderlich.