Wai well geren Plattduitsk kuiern?

Plattdeutscher Arbeitskreis in Velmede  

„Sünte Meerten is niu kummenas, Niu is et Koren innebracht, Un schwaak scheynt nau de Sunne, Düär duistr’re Wolkenpracht.“ Mit diesem Gedicht werde ich von Karl-Josef Kramkowski und Franz-Josef Hegener zum Interview begrüßt. Karl-Josef Kramkowski gründete im Februar 2014 den Plattdeutschen Arbeitskreis in Velmede, Franz-Josef Hegener ist das jüngste Mitglied. Beide haben zwar noch einige wenige Erinnerungen an das Plattdeutsche aus ihrer Kindheit, gelernt haben sie es jedoch erst in den letzten Jahren – und sind noch immer dabei. 

Auf dem Tisch liegen verschiedenste alte und neue Wörterbücher, Gedichtbände, Kassetten und andere alte Schätze – alles auf Plattdeutsch. Der Plattdeutsche Arbeitskreis ist ein offenes Angebot in Velmede, bei dem jedoch auch jeder über die Grenzen hinaus willkommen ist. Zurzeit sind es etwa fünfzehn aktive Mitglieder – Männer und Frauen von Calle bis Messinghausen –, die sich einmal im Monat treffen, um gemeinsam plattdeutsche Texte zu lesen. „Die gelesenen Texte übersetzen wir später ins Hochdeutsche“, erklärt Karl-Josef Kramkowski. „Das geschieht anhand von vorbereiteten Kopien. Bei den schwierigen Wörtern schreibe ich schon vorher die Bedeutung daneben.“ Gelesen werden Prosa, Gedichte, Zeitungsberichte, aber auch Lieder mit plattdeutschen Texten, die teilweise selbst ausgedacht sind, werden gesungen. 

 „Plattdeutsch lässt sich sehr häufig vom Hochdeutschen ableiten. Einiges muss aber auch auswendig gelernt werden, dabei helfen oft Eselsbrücken“, stellt er fest. „Ein Schmetterling fliegt durch die Luft, er muss also ein Vogel sein. Er flattert aber nur, wenn die Sonne scheint. Also sagt der Plattdeutsche dazu Sunnenviuel, also Sonnenvogel. Diese beiden Wörter nebeneinander gestellt, versteht man natürlich nicht. Aber wenn einem einmal diese Verbindung bewusst ist, dann kann man es sich gut merken.“ 

Regionale Unterschiede 
Bedenken muss man allerdings, dass Plattdeutsch häufig sogar zwischen den einzelnen Orten variiert. „Man lief ja nicht so gerne über den Berg in das nächste Dorf, sondern blieb im Tal und hatte dann dort seine Bekannten. Und so sind die Mundarten im Sauerland sehr häufig an die Orte gebunden. Die Eversberger, die beispielsweise eher Kontakt zu den Warsteinern und Hirschbergern hatten, sagen: ui und dui und mui – also ihr und dir/dich und mir/mich. In Velmede sagen wir jedoch: ey und dey und mey. In Remblinghausen hingegen heißt es: oi und doi und moi. Und das geht dann munter so weiter.“ 
 
Franz-Josef Hegener ist über einen Freund auf den Arbeitskreis aufmerksam geworden: „Einige Worte kommen aus der Kindheit wieder hoch, wenn wir zusammen sitzen und lesen. Bei manchen Worten muss ich noch ein wenig überlegen. Das geht nicht von heute auf morgen, aber je länger ich dabei bin, desto flüssiger wird es – und dabei unterstützen wir uns alle gegenseitig.“ 

Die verwendeten Texte sind zum Großteil natürlich schon sehr alt. Deswegen sieht Karl-Josef Kramkowski nicht nur den Erhalt der Sprache als Aufgabe des Arbeitskreises: „Diese Texte lassen auch ein Stück weit erkennen, wie diese Menschen damals gelebt und gedacht haben, wie die Atmosphäre war. Und andersrum stellt sich mir daraus die Frage: Aus welcher Tradition stamme ich überhaupt? Denn ich bin ja von meinen Eltern mit dem erzogen worden, was sie aus ihrer Kindheit mitbekommen haben und dazu gehörte eben auch die Mundart. Insofern ist das Plattdeutsche auch ein Rückblick in diese vergangenen Zeiten.“ 

von Sonja Nürnberger