Von Neonpink zu Düsterschwarz

Sonderausstellung zu den Sauerländer Hexenverfolgungen in Arnsberg

„Zaubersche“ – schon beim Betreten des ersten von drei Ausstellungsräumen der neuen Sonderausstellung im Sauerlandmuseum in Arnsberg wird plakativ in grellem Neonpink klar, was im Zentrum stehen soll, was als Herzstück des Konzeptes gedacht ist: die Menschen hinter dem Vorwurf „Du Hexe!“, der auch der Titel der Ausstellung ist. Diesem pinken Schriftzug gegenübergestellt, ist ein in Rot gesetztes sogenanntes „Hexenhemd“, das den Angeklagten statt der eigenen Kleidung übergezogen wurde, wenn es an die Untersuchung ihres vermeintlichen Verbrechens ging. Was für sie bedeutete: Haft in dunklen Löchern, Verhöre, (wenn auch verbotene) Suggestivfragen und die Androhung und Anwendung von schmerzhafter Folter. Entsprechend schwarz sieht man, wenn man sich in die Geisteswelt der Verantwortlichen weiterbewegt. Zwei Farben, zwei Pole, die sich durch die Ausstellung zur Hexenverfolgung im Sauerland ziehen, denn sie ist sowohl den Opfern wie auch den Vertretern der Mühlen einer Justiz, deren Grausamkeit wir hierzulande und heutzutage (zum Glück) nicht mehr finden, gewidmet.

Hexenjagden früher und heute

Anhand von 150 hochwertigen und wertvollen Exponaten von 50 Leihgebern wollen die Köpfe hinter der Ausstellung ein so interessantes wie erschütterndes Thema aufgreifen, das vor allem im Sauerland eine breite Blutspur Von Neonpink zu Düsterschwarz Sonderausstellung zu den Sauerländer Hexenverfolgungen in Arnsberg Anja Grevener hinterlassen hat. Die Hexenverfolgungen der Frühen Neuzeit verliefen in mehreren Wellen vom 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts und kosteten tausenden Unschuldigen das Leben. Mittels modernster Präsentationstechniken wird man auf den Kahlen Asten als Hexentanzplatz versetzt, tauchen Namen der Opfer in Schlagzeilen auf oder einer der Verfolger kommt durch eine Schülerin per Video zu Wort. Auf alten Gemälden finden sich die Gesichter der teils fast als fanatisch zu bezeichnenden Verfolger oder das stille Gesicht von Fausts Gretchen. Wer auch einmal von den Vitrinen und Schaukästen nach oben sieht, kann kleine Details entdecken, die den Ernst des Themas leicht brechen und ihn doch auch in typischen Elementen widerspiegeln. Die bewusste Farb- und Raumgestaltung erweckt den Ablauf eines Hexenprozesses bis zum meist unvermeidbaren Ende auf dem Scheiterhaufen und die durch eine Vielzahl von Katastrophen verursachte Hysterie zum Leben. In dem Raum, in dem man vor allem die Verfolger und ihre Geisteshaltung entdecken kann, herrscht eine düstere und dumpfe Stimmung, verzweigte Wege zeigen im nächsten Raum den Verlauf eines Prozesses, die sich am Ende doch wieder vor einem riesigen, lodernden Feuer vereinen. Eine Anklage bedeutete meistens Folter und Hinrichtung. Am Ende des dritten Raumes wird es modern und man springt in die Jetztzeit, denn es wird ein Bogen zur Instrumentalisierung der modernen Medien für Hass und Hetze und zu der Tatsache geschlagen, dass selbst heute noch überall auf der Welt Hexen gesucht und getötet werden. Eine große Weltkarte zeigt die moderne und erschreckend weite Verbreitung des Glaubens an Hexen. Ex-US-Präsident Donald Trumps Getwittere zu den – oft wörtlich von ihm als Hexenjagden (witchhunt) bezeichneten – Angriffen gegen seine Person taucht auf einer der Wände neben Tech-Ikone Elon Musk, Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling oder Klimaaktivistin Greta Thunberg auf, die sich im Licht der Öffentlichkeit des Internets einiges gefallen lassen müssen oder selbst austeilen.

Ausstellung für junge Menschen

Da als ein Schwerpunkt der Ausstellung Jugendliche für das Thema sensibilisiert werden sollen, gibt es ein begleitendes Programm, Material für Lehrkräfte, besondere Führungen und als Highlight einen Escape Room, in dem man eingeschlossen beweisen kann, dass man die Ausstellung mit offenen Augen und Ohren besucht hat, denn die Hinweise zur Lösung des Rätsels zur eigenen Befreiung finden sich nur beim aufmerksamen Gang durch das Museum. Ein Tablet, um das Escape-Spiel spielen zu können, kann im Museum ausgeliehen werden. Natürlich nicht nur von Jugendlichen. Trotz der auch jungen Zielgruppe wird bewusst auf eine Verniedlichung oder Mystifizierung des Themas Hexe à la Bibi Blocksberg, Harry Potter und Co. verzichtet, auch wenn vieles fast kindgerecht erklärt und auf eine explizite Darstellung der Gräuel und Gewalt verzichtet wird. Manchmal reicht beim Anblick eines Folterinstrumentes auch das eigene „Kopfkino“ völlig aus, um die Bedeutung der Exponate zu erfassen. Für Frauen gibt es spezielle Frauenführungen durch die Ausstellung und auch ein Angebot für die Feier eines Kindergeburtstages kann zum Thema gebucht werden.

Das Sauerland war in der Frühen Neuzeit (um 1450 bis ca. 1800), der Zeit der beginnenden Kleinen Eiszeit (15. bis 19. Jahrhundert), des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) und grassierender Pestwellen (ab 1625) einer der Schwerpunkte der Suche nach den Verursachern von Missernten, Viehsterben, Wetterkatastrophen und Unglücksfällen, die Menschen entsprechend versessen darauf, jemandem die Schuld an all dem gehäuften und scheinbar unerklärbaren Elend geben zu können. Diese Sündenböcke fand man im Aberglauben an eine Art dämonische Hexensekte, den Zauberschen, die sich verschworen hatte, die Menschheit mit ihrem Schadenszauber zu quälen. Wahrscheinlich zwei- bis dreitausend Männer, Frauen und Kinder fielen allein im Sauerland diesem Verfolgungswahn zum Opfer. Eine genaue Festlegung ist aufgrund der lückenhaften Überlieferung schwierig. An diese Menschen und ihre Schicksale wird in Arnsberg auf moderne und ansprechende Art bis zum 4. September 2022 hingewiesen und erinnert. Das Sauerlandmuseum residiert im Plettenberger Hof am Alten Markt, dem Sitz der Gefährtin des Kölner Erzbischof Ernst von Bayern/von Wittelsbach (1554–1612). An den Sonntagen gibt es um 11 Uhr öffentliche Führungen, zu denen man sich aber vorher anmelden muss. In unmittelbarer Nähe des Museums kann man am Alten Markt auch das Wohnhaus eines der ehrgeizigsten Hexenjäger des Sauerlandes sehen: Gasthaus Zur Krim, auch Himmelpförtnerhaus, in dem Dr. Heinrich von Schultheiß, tätig als „Staatsanwalt“ gegen die Hexen, lebte.

Wer sich für die Ausstellung, Besuchsinformationen, das Begleitprogramm und die Angebote an Führungen interessiert, findet alle wichtigen Informationen auf der Internet- Seite des Sauerlandmuseums: www.sauerland-museum.de