Von Glocken und Glöcknern in Eslohe

von Andrea Gödde-Kutrieb
Josef Bürger aus Bremscheid hat noch zwei Termine – und das nicht nur heute, sondern jeden Tag. Um 12 Uhr und um 18 Uhr. Dann nämlich geht der 89-Jährige in die St. Jakobus Kapelle neben dem Wohnhaus. Dort läutet er die Glocke. Per Hand, so wie es der Vater und die Mutter schon damals gemacht hatten. Eine seit jeher wichtige Aufgabe, die der rüstige Bremscheider seit sage und schreibe 75 Jahren ausführt. Die St. Jakobus Kapelle ist seit mehreren Generationen im Besitz der Familie und wird von dieser liebevoll gepflegt und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Josef Bürger erinnert sich: „Mein Vater hat früher den Küsterdienst in unserer Kapelle übernommen. Dazu gehörte auch das tägliche Läuten. Die Abendglocke um 18 Uhr übernahm jedoch meistens die Mutter – und das hatte seinen Grund. „Wir Kinder wussten, wenn die Glocke ertönt, heißt das, dass wir nach Hause müssen, wo schon das Abendessen wartet. Die Glocke war überall zu hören, auch wenn wir Schlitten gefahren sind oder sonst irgendwo unterwegs waren. Da gab es keine Ausreden“, lacht er und schaut auf die Uhr. „Es ist schon 12 – ich muss jetzt läuten!“ Er nimmt das an der Wand befestigte Seil und dreht es sich fest um die Hand. So habe er mehr Kraft, erklärt der Bremscheider, denn die Glocke zu läuten sei mittlerweile sehr anstrengend. Er holt tief Luft und zieht in gleichmäßigen Abständen, bis ein melodisches Geläut ertönt. Was denkt er in solchen Momenten? „Unterschiedlich“, sagt er. Aber es sei schon ein besonderer Augenblick – ein Moment des Innehaltens. Meistens bete er dabei den Engel des Herrn, verrät er. Es gibt eine lange und eine kurze Variante. Welche er wählt, entscheidet er danach, wie viel Zeit er hat. „Oft ist es die Kurzfassung“, lacht er. Manche zählten auch beim Läuten, aber das sei nichts für ihn.

Eine lange Tradition

Foto: Heidi Bücker


Mit dem Glockenläuten führt Josef Bürger eine lange katholische Tradition fort, denn das Angelus-Läuten wurde 1571 von Papst Pius V. eingeführt. Bis zu dreimal am Tag ruft die Glocke die Gläubigen zum Gebet auf. Für diesen kurzen Moment soll der Menschwerdung Christi gedacht werden. Auch in evangelischen Kirchen wird mit Geläut zum Gebet aufgerufen, traditionell genau dann, wenn die Gemeinde während des Gottesdienstes das Vaterunser betet. Die meisten Kapellen, und die Kirchen sowieso, sind mit elektronisch gesteuertem Geläut ausgestattet. In der Esloher St. Peter und Paul Pfarrkirche werden damit bis zu vier Glocken und Hämmer bewegt. Jede Viertelstunde ab 7 Uhr wird mit ein, zwei oder drei Hammerschlägen angezeigt. Zur vollen Stunde verkünden die Glockentöne die Uhrzeit. Außerdem wird am späten Samstagnachmittag zehn Minuten lang mit drei Glocken der Sonntag eingeläutet. 40 Minuten später erklingt das Geläut zur Einladung zum Gottesdienst. Die Glocken der katholischen und evangelischen Kirche in Eslohe sind übrigens auch tonal aufeinander abgestimmt – zur Unterscheidung, aber auch zum harmonischen, klangtechnischen Miteinander.

Per Hand gesteuert

Besonderheiten gibt es beispielsweise zu kirchlichen Hochfesten oder zum neuen Jahr. Bei Prozessionen ertönen die Glocken zum sakramentalen Segen und wenn der Prozessionszug sich in Gang setzt. Dieses Geläut ist nicht genau programmierbar und wurde schon immer per Hand gesteuert. Die letzten sechs Jahrzehnte waren dafür zwei gestandene Esloher – Heinz Müller und Gerhard Hoffmann – zuständig. Heute erinnern sich beide schmunzelnd an die Anfänge ihrer Tätigkeit. Dazu saß einer der beiden im Fahnenloch des Kirchturmes und beobachtete das Prozessionsgeschehen. Von unten bekam er ein Zeichen durch Winken eines Taschentuchs. Dieses Startsignal gab er dem Kollegen an der Steuerung weiter, der dann seinerseits das Geläut in Gang setzte. Richtig „modern“ wurde es, als ob Ende der 70er Jahre zwei Funkgeräte von der örtlichen Feuerwehr zur Verständigung genutzt werden konnten.

Der Glockenklang ist gesichert

Heinz Müller und Gerhard Hoffmann haben in diesem Jahr ihre Glöcknertätigkeit an einen jüngeren Nachfolger übergeben. Josef Bürger möchte noch so lange läuten, wie es sein Gesundheitszustand erlaubt. „Meine Söhne sind anderweitig berufstätig und können daher das Geläut per Hand nicht übernehmen“, sagt er. Aber Bürger hat vorgesorgt! Dann wird eben, wie andernorts auch, eine elektronische Steuerung eingebaut. „Das Geld für die Umrüstung habe ich schon zusammen“, schmunzelt er. So ist der Glockenklang von Bremscheid gesichert – wie immer, pünktlich um 12 und um 18 Uhr.