Von der Schul-AG zum Weltmeister: Felix Griggel aus Meschede ist auf dem Einrad Profi

Foto: Nicola Collas

Der Garten von Familie Griggel in Meschede ist kein gewöhnlicher Garten. Er unterscheidet sich von den meisten anderen Gärten im Sauerland. Denn Sohn Felix nutzt ihn als Trainingsgelände. 30 Holzpaletten, fünf Rohre sowie ein Stahlträger sind dort aufgebaut. Damit übt der Einrad-Profi für die Disziplin „Trial“. 2012 hat Felix Griggel die Liebe zum Einrad entdeckt. Heute ist er der einzige Sportler im ganzen Hochsauerlandkreis, der diese Sportart leistungsmäßig betreibt.

Aus der Ecke zum Weltmeister

Felix hat zwei ältere Schwestern. Die Zwillinge Anna und Marie fuhren als Teenager Einrad und der kleine Bruder wollte das auch unbedingt können. Also schenkten ihm seine Eltern zum Geburtstag auch ein Einrad, das für ihn allerdings noch zu groß war. So landete das Teil erst einmal in der Ecke und ein ganzes Jahr lang beachtete Felix sein Einrad nicht. Bis eines Tages eine Lehrerin der St. Walburga-Realschule in Meschede fragte: „Wer von euch fährt Einrad?“ Felix meldete sich, dass er ein Einrad zu Hause hätte. Diese eine Frage seiner Lehrerin war der Anfang einer großen Karriere. Oder anders ausgedrückt: von der Schul-AG zum Deutschen Meister, Europameister und Weltmeister! Die ersten „Gehversuche“ auf dem Einrad verliefen sehr wackelig, erinnert sich Felix. „Erst mal konnte ich mich nur am Geländer festhalten“, erzählt der 17-Jährige. Später schaffte er schon ein paar Meter Strecke, wenn jemand neben ihm herlief und seine Hand hielt. Felix wurde immer besser und schnell gelangen ihm die ersten Tricks wie Rückwärtsfahren oder Pendeln. Und es dauerte nicht lange, bis er springen konnte. Zunächst sprang
er über Bordsteinkanten und steigerte sich immer mehr. Bei einem Show-Event vor ein paar Wochen in Meschede überwand Felix sogar die 90 cm, wobei er „gar nicht gerechnet hatte, dass ich das schaffe.“ Mittlerweile hat er viele Pokale und Medaillen in seiner Sportart geholt, aber ein Titel ist ihm besonders in Erinnerung geblieben. Sein erster Titel als Deutscher Meister im Einrad-Hochsprung 2015, weil niemand erwartet hätte, dass Felix ganz vorn landet. „Das war ja erst mein zweiter Wettkampf“, sagt der 17-Jährige.

Einrad ist weit mehr als nur ein Rad

Felix Griggel hat keinen festen Trainingsplan. Er trainiert, wenn er Lust und Zeit hat. Vor Wettkämpfen steigert er das Pensum, dann springt er im Garten zu Hause über Paletten oder übt Stillstand. Bei der Disziplin wird ein schmales Brettchen unter das Einrad gelegt. Man darf sich vorher festhalten, um sich auszubalancieren, lässt dann los und muss möglichst lang im Stillstand verharren. Für die 100-Meter oder 400-Meter-Strecke übt er bevorzugt den Start, denn auf den kommt es hierbei besonders an. Vier Einräder besitzt Felix Griggel: eins für Hochsprung, Weitsprung und Trial (Parcours mit Hindernissen) mit einem relativ breiten Reifen. Sein zweites Einrad nennt sich Rennhexe, der Reifen ist ungefähr so dünn wie beim Rennrad, damit fährt der Mescheder die Rennen bis 10 Kilometer, Einbein und Slalom. Dann hat er noch ein Freestyle-Rad für die Disziplinen Stillstand und Langsam-Fahren. Sein viertes Einrad hat den dicksten Reifen, der ungefähr so groß wie der eines Mountain-Bikes ist. Damit fährt Felix Downhill, also durch den Wald, Cross Country und Uphill.

Die ewige Frage des Geldes

Es ist ein teures Hobby, das Felix Griggel da hat, und ohne die Unterstützung seiner Eltern könnte er es auf keinen Fall so profimäßig betreiben. Da sind zum einen die Anschaffungskosten für die Sportgeräte und zum anderen kommen noch die Kosten dazu, die durch die Wettkämpfe entstehen. „Das Problem ist, dass es in NRW nur drei bis vier Wettkämpfe gibt, zu denen man morgens hin und abends wieder nach Hause fahren kann“, erzählt sein Vater Eddi. „Die meisten Wettkämpfe finden in Bayern statt“, sagt er. Da muss entsprechend immer auch eine Unterkunft gebucht werden und so kommen an einem Wochenende schon mal locker 600 Euro für Teilnahmegebühr, Übernachtungen, Verpflegung und Fahrtkosten zusammen. Da Felix kein Profifußballer ist, sondern leistungsmäßig eine Randsportart betreibt, müssen Papa und Mama die Kosten übernehmen. Felix´ Vater hat z. B. vor der Weltmeisterschaft in Spanien die Werbetrommel für die Sportart seines Sohnes gerührt und durch Unterstützer einiges an Geld für den WM-Trip zusammenbekommen. Diesen Sommer möchte der Schüler des Berufskollegs in Olsberg unbedingt zur Weltmeisterschaft nach Südkorea, da werden auch wieder die Eltern einspringen müssen und die Oma. Aber Felix hofft, dass er eines Tages vielleicht doch einen Sponsor findet, denn ohne „wird es auf Dauer schwierig werden, das Ganze zu stemmen“.

Einrad ein Leben lang?

Denn eins steht für ihn fest: Felix möchte noch lange Einrad fahren, denn „das kann man sein Leben lang machen.“ Bei den Wettkämpfen hat er bereits Sportler getroffen, die 50, 60 Jahre alt sind. Auch sein Vater Eddie hat sich von der Leidenschaft seines Sohnes anstecken lassen und mit dem Einradfahren angefangen. „Nach zwei, drei Wochen schaffte er die ersten 40 Meter. Und der ist ja auch nicht mehr der Jüngste“, schmunzelt Felix. Aber das Gleichgewicht kann er halten – und das ist das Wichtigste beim Einradfahren. Sollte Felix Griggel wider Erwarten eines Tages keine Lust mehr aufs Einradfahren haben, könnte er trotzdem weiter Pokale und Medaillen sammeln, denn der 17-Jährige ist auch ein erfolgreicher Schwimmer beim SSV Meschede. Da hat er sich kürzlich in den Disziplinen Rücken und Delphin für die NRW-Meisterschaften in diesem Jahr qualifiziert. Ob im Wasser ohne Balken oder auf einem Rad: Wir werden von Felix Griggel sicher noch einiges hören.
von Nicola Collas