Vom Siegerland ins Sauerland: „Aber hier ist es auch gut.“

Christian Hermann, Theresa Marson-Hermann und Theodor Hermann.

KRAH-Gruppe: Erfolgreich aus Freude am Widerstand
Weltmarktführer organisiert von Drolshagen aus weltweit die Geschäfte

Theodor Hermann (77) ist Siegerländer. Einer, dem man seine Herkunft gerne anhört und der das berühmte „R“ so richtig rollen kann. „Ich bleibe Siegerländer, aber ich fühle mich hier sehr, sehr wohl!“ Mit diesem klaren Bekenntnis endet ein unvergleichliches Interview mit dem Senior-Chef der KRAH-Elektronische Bauelemente GmbH aus Drolshagen, seinem Sohn und vertretungsberechtigtem Geschäftsführer Christian Hermann (41) und seiner Nichte Teresa Mason-Hermann (38), die als Personalchefin verantwortlich für rund 2.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei dem Weltmarktführer für drahtgewickelte Widerstände im Automobilsegment ist. In diesem Jahr kann der Industriestandort der heutigen Firma KRAH aus Drolshagen sein 100-jähriges Jubiläum und die KRAH-Gruppe, die 1970 von Theodor Hermann und seinem Freund Rainer Fiala gegründet wurde, ihr 50-jähriges Firmenjubiläum feiern. Aus bekannten Gründen fanden keine Jubiläumsfeiern statt. Beim WOLL-Interview Mitte November in Drolshagen mit den Verantwortlichen der KRAH-Gruppe erfuhren WOLL-Autor Hans-Joachim Nierhoff und WOLL-Herausgeber Herman-J. Hoffe aus erster Hand die beeindruckende Erfolgsgeschichte des Sauerländer Unternehmens.

Wir hatten das Gefühl, vorwärts zu kommen

Nach einem Maschinenbaustudium an der Ingenieurschule Siegen beginnt der junge Theodor Hermann aus Kaan- Marienborn noch ein Aufbaustudium als Wirtschaftsingenieur in München. 1968 tritt er auf Empfehlung eines Dozenten, der als Berater für KRAH tätig war, seine erste Stelle bei der Firma Wilhelm KRAH in Drolshagen an. Zu diesem Zeitpunkt plante KRAH den Verkauf des Teilbetriebes „Drahtwiderstände“, da er nicht in das Fertigungkonzept der Blechwarenfabrik passte. Der Berater hatte die Absicht, den Teilbetrieb zu kaufen und Theodor Hermann bot sich an, den Betrieb zu führen. Doch plötzlich zieht sich der Experte mit der Bemerkung: „Das hat keinen Sinn!“, von der Firmenübernahme zurück. Theodor Hermann steht vor einer wichtigen Entscheidung. Soll er nach wenigen Monaten sozusagen „die Flinte ins Korn werfen“ oder an der geplanten Firmenübernahme festhalten? Zusammen mit Rainer Fiala, einem Freund, der sein Studium in München abbricht, steigen die vorwärts denkenden Siegerländer entschlossen in den Vertrag ein. „Wir hatten den Mut etwas zu machen“, sagt Theodor Hermann heute. Eine Offene Handelsgesellschaft mit den drei Gesellschaftern Rainer Fiala, Theodor Hermann und Maria Krah, der Inhaberin der Wilhelm KRAH GmbH, wird am 1. Januar 1970 ins Handelsregister eingetragen.

Schnell konzentriert sich das junge Unternehmen auf eine kleine Marktnische. Die KRAH OHG bietet drahtgewickelte Leistungswiderstände, vor allem für weiße Ware, zum Beispiel Dunstabzugshauben, an. Hauptwettbewerber ist die bekannte und erfolgreiche Porzellanfirma Rosenthal. Doch der David aus dem Sauerland wächst kontinuierlich Jahr für Jahr. „Wir waren einfach günstiger und haben uns vollständig auf die Kundenanforderung konzentriert“, erzählt Theodor Hermann. Dafür verantwortlich war vor allem das flexible Heimarbeits-System, mit dem die Marktanforderungen an ständiger Verfügbarkeit und niedrigen Kosten der Widerstände bestens erfüllt werden konnten. Mitte der siebziger Jahr tritt Eckhard Hermann, der jüngere Bruder des Unternehmensgründers in die Geschäftsführung ein. Maria Krah ist ausgeschieden und die Unternehmensanteile sind jetzt komplett in den Händen der Brüder Theodor und Eckhard Hermann aus Kaan-Marienborn sowie von Rainer Fiala. Alle drei wohnen im elterlichen Haus der Hermann-Brüder und fahren jeden Tag vom Siegerland zur Firma nach Drolshagen im Sauerland. Hier setzen sie mit ingenieurmäßigem Wissen und betriebswirtschaftlichem Geschick ihre Ideen von der Fertigung elektrischer Widerstände immer besser in die Tat um. Die Freude an diesen Zuliefererprodukten drückt sich schon bald und bis in die heutige Zeit im Firmenslogan aus: Freude am Widerstand.

Freude am Widerstand

Mit dem Einstieg Anfang der 80- iger Jahre in die Fertigung von elektrischen Widerständen für die Automobilindustrie nahm der Aufstieg des Fertigungsbetriebes richtig Fahrt auf. „Unsere Unternehmensphilosophie und unsere Art der partnerschaftlichen Zusammenarbeit sprach sich in den Fachkreisen rum“, sagt schmunzelnd Theodor Hermann. Über den bekannten Automobilzulieferer Bosch bekam die KRAH-Gruppe den ersten großen Auftrag aus der Automobilindustrie. Der elektrische Widerstand für das Heizungsgebläse im Golf A1 und auch für die Nachfolgemodelle kommen aus Drolshagen. Das Heimarbeitssystem von KRAH sorgt dafür, dass bis zu tausend Menschen in und um Drolshagen mit der Fertigstellung der verschiedenen Widerstände in Heimarbeit beschäftigt sind. Viele Drolshagener Familien stehen auf der Krah-Lohnliste. „Es ging zu wie in einem Bienenhaus“, erinnert sich der Senior. Das Material für die Widerstände wurde von den Heimarbeitern bei KRAH abgeholt und nach Fertigstellung wieder angeliefert. In den Folgejahren stiegen die Anforderungen an die Qualitätssicherung und vor allem an die Automatisierung der Produktion. Das bislang bewährte Heimarbeitssystem der KRAH-Gruppe kam an seine Grenzen. Mitte der 90-iger Jahre wurde das Heimarbeitssystem, auch aufgrund neuer gesetzlicher Vorgaben, eingestellt. Die vollautomatische Fertigung hielt in Drolshagen Einzug.

Neue Techniken bringen neue Innovationen

Die schnelle Anpassung an sich verändernde Rahmenbedingungen ist wohl ein Wesensmerkmal von KRAH. So wurden im Laufe der Firmengeschichte viele Projekte und Aufträge in kleinen Marktnischen mit Mitbewerbern und Marktpartnern erfolgreich umgesetzt. Nicht selten hörte die Unternehmensführung von KRAH dann die Frage: Wollt Ihr unsere Produktion nicht übernehmen? „Meist haben wir nicht lange überlegt und ja gesagt“, ergänzt Theodor Hermann, der vor dieser Frage schon einmal zu Beginn seiner beruflichen Karriere gestanden hatte. „Mit der Übernahme anderer Firmen haben wir neue Technologien und Fertigungsmethoden kennengelernt und übernommen“, ergänzt Christian Hermann.

Im Jubiläumsjahr beschäftigt die KRAH Gruppe an allen nationalen und internationalen Standorten über 2.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon 180 am Hauptstandort Drolshagen. Im vergangenen Jahr wurde eine Gesamtumsatz von 190 Millionen Euro erzielt. „Dieses Niveau“, glaubt Christian Hermann, „werden wir wohl erst 2022 wieder erreichen.“ Corona sorgt auch bei den Produkten der KRAH-Gruppe für Absatz- und Umsatzeinbrüche.

Vom Siegerland ins Sauerland

Was vor fünfzig Jahren mit jugendlichem Elan und einem ehrlichen Miteinander begonnen wurde, hat sich zu einem beachtenswerten geschäftlichem Erfolgsmodell im Sauerland entwickelt. Die von Beginn an freundschaftliche und ehrliche Art miteinander zu arbeiten und Geschäfte zu machen, hat entscheidend zum Erfolg der KRAH-Gruppe beigetragen. „Das Vertrauen untereinander und zu den Geschäftspatnern steht immer im Mittelpunkt. Dieses grundsätzliche Vertrauen in die Menschen gehört ebenso zur Firmenphilosophie wie Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit. „Auch an den chinesischen Standorten beherzigen wir diese Philosophie und wir sind noch nie enttäuscht worden“, so Theodor Hermann. Und Teresa Mason-Hermann ergänzt: „Diese Prinzipien gelten natürlich auch im Umgang und der Zusammenarbeit mit unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.“ Dazu passt dann wohl auch die Tatsache, dass aus der damaligen Gründer-Wohngemeinschaft in Kaan-Marinenborn eine Dreier-Wohnhausgemeinschaft in Drolshagen, in unmittelbarer Nähe zum Werksgelände geworden ist. In der Zwischenzeit haben sich zwar in nächster Nähe aber doch eigenständige Wohneinheiten der Familien etabliert. Aber noch heute arbeitet man bei Familien Hermann und Fiala oder besser bei KRAH mit Freude am Widerstand aber mit noch mehr Freude zusammen.