Einmal auf der New York Fashion Week laufen. Das ist der Traum vieler junger Mädchen und Frauen. Doch manche Träume erscheinen so groß, dass man schnell das Gefühl bekommt, sie seien unerreichbar. „Lern etwas Gescheites”, ertönt es mahnend aus dem Familien- und Bekanntenkreis, wenn man keinen der klassischen Berufswünsche verfolgt. „Hast du schon die Fotos von Lisa gesehen? Die glaubt auch, sie sei was Besseres als wir. Die wird doch eh nie erfolgreich”, wird hinter vorgehaltener Hand getuschelt. Und wenn von überall her Gegenwind kommt, ist es manchmal schwierig, an seinem Traum festzuhalten und dafür zu kämpfen.
Anders bei Lisa-Marie Mengelers aus Bestwig. Für sie stand schon früh fest: „Ich will mal groß rauskommen.” Sie ist gerade einmal 18 Jahre jung und lief in diesem Jahr zum ersten Mal auf der New York Fashion Week. Doch der Weg dorthin war für die Sauerländerin alles andere als leicht.
Wie alles begann
Die attraktive Bestwigerin wurde nicht, wie viele andere Nachwuchsmodels, auf der Straße entdeckt: Vor etwa zweieinhalb Jahren entschied sich die damals 15-Jährige, ihr Glück selbst in die Hand zu nehmen. Um ihrem Traum von der Modelkarriere näher zu kommen, nutzte sie den „Ladies Day” in Olsberg. Ein Tag, an dem regionale Händler all das ausstellen, was das Herz einer Frau höher schlagen lassen soll. Auch viele Modenschauen stehen auf der Tagesordnung des beliebten Events im Sauerland. „Könnte ich dort nicht mal mitlaufen?”, überlegte die Schülerin mit den langen blonden Haaren im Frühjahr 2016. Schnell fasste sie ihren Mut zusammen und rief einige Olsberger Geschäfte an, um zu fragen, ob sie noch ein Model für ihre Modenschau suchten. Das Ergebnis war zunächst ernüchternd, denn es hagelte Absagen. Doch dann durfte Lisa kurzfristig bei einem Dessous-Geschäft in Olsberg für ein anderes Model einspringen. Ohne jegliche Erfahrung meisterte die 1,74 Meter große Sauerländerin den Laufsteg mit Bravour und präsentierte an diesem Tag Bademode, Dessous und Brautwäsche.
Damit war der Startschuss gefallen. Die zahlreichen Fotos, die an diesem Tag gemacht wurden, machten in Windeseile die Runde. „Auf Facebook gibt es verschiedene Fotografen-Gruppen, dort habe ich die Fotos vom Ladies Day veröffentlicht und bekam schnell einige Anfragen für Fotoshootings”, erinnert sich Lisa-Marie an den Beginn ihrer Karriere. So baute sie sich in wenigen Monaten ein umfassendes Portfolio auf, mit dem sie sich für weitere Modeljobs bewerben konnte. Und das alles ganz ohne Modelagentur. „Ich bin sehr proaktiv und kümmere mich selbst um neue Aufträge. Sonst kommt man in diesem Beruf nicht weit. Die Leute vergessen einen auch ganz schnell wieder”, erklärt die junge Frau. Die meisten Aufträge bekommt sie über die sozialen Medien. Hier schreibt sie Marken und Designer an oder bekommt Anfragen für neue Jobs. Auf ihrem Facebook- und Instagram-Profil folgen ihr mittlerweile über 3.300 Menschen und bewundern die schönsten Fotos der 18-jährigen Blondine.
Einmal nach New York
Das bisherige Highlight ihrer Karriere: „Ganz klar, die New York Fashion Week!”, sprudelt es aus Lisa heraus. Auch diesen heißbegehrten Job hat sie durch ein soziales Netzwerk ergattert, wie die Schülerin erzählt: „Ich wollte schon immer für die deutsche Designerin Pia Bolte arbeiten. Als sie auf ihrer Facebook-Seite verkündet hat, dass sie noch Models für eine Fernsehshow sucht, habe ich mich sofort beworben und siehe da: Es hat geklappt. Das beste Model der Show wollte sie dann mit auf die Fashion Week nehmen und so saß ich einige Wochen später im Flieger nach New York.” Eigeninitiative und Ehrgeiz zahlen sich also aus. Ein typisches Vorzeige-Model ist Lisa-Marie jedoch nicht, wie sie lachend zugibt: „Ich esse auch echt gerne Pommes und für Sport habe ich momentan auch keine Zeit.”
Schwierige Schulzeit
Doch es lief nicht immer alles so reibungslos für die Sauerländerin. Schon während ihrer Schulzeit wurde sie immer wieder Opfer von Mobbingattacken ihrer Mitschüler. Auch einige Freunde wandten sich von der Schülerin ab, in der Nachbarschaft wurde hinter ihrem Rücken geredet. „Das war eine harte Zeit, aber zum Glück stehen meine Familie und mein Freund immer hinter mir und unterstützen mich bei meinem Traum”, resümiert die junge Frau. Als im April 2017 bei der Pro7-Sendung „taff” dann ein Beitrag über Lisa und das Mobbing an ihrer ehemaligen Schule ausgestrahlt wurde, spitzte sich die Situation zu. Böse Kommentare durfte sich Lisa von da an nicht nur im Alltag anhören, sondern auch im Netz durchlesen. Unter ihren Fotos bei Facebook und Instagram liest man immer wieder Kommentare wie „Boah, bist du hässlich” oder „Du stinkst”. Die meisten Kommentare löscht das Nachwuchsmodel einfach. „Davon lasse ich mich nicht stoppen, das macht mich nur noch stärker”, stellt Lisa selbstbewusst klar. „Und langsam geht das Ganze in die richtige Richtung”, schmunzelt sie und erzählt, dass sie bereits erste Anfragen für Autogrammkarten erhalten hat.
Erst mal in den sauren Apfel beißen
Eins ist sicher: Von ihrem Traum, der großen Modelkarriere, lässt sich die Sauerländerin mit den grünen Augen nicht abbringen: Als ich am Times Square in New York stand, habe ich ein riesiges Plakat von H&M betrachtet und mir vorgenommen: Das ist mein nächstes Ziel, das ich erreichen möchte.” Doch um diesem Traum ein Stückchen näher zu kommen, heißt es jetzt erst einmal: Geduld bewahren. Denn ihre Pläne sind vorerst auf Eis gelegt. In diesem Jahr hat sie in einer Agentur in Mühlheim an der Ruhr eine Ausbildung zur Mediengestalterin begonnen. „Das heißt für mich, dass ich vorläufig in den sauren Apfel beißen muss. Ich möchte mich nun erst mal auf meine Ausbildung konzentrieren, die High Heels müssen vorerst warten”, erklärt Lisa. Trotzdem nutzt sie jede freie Minute um an den Wochenenden oder in ihrem Urlaub neue Modeljobs an Land zu ziehen. Denn nach ihrer Ausbildung steht für Lisa fest: „Ich möchte auf jeden Fall versuchen, hauptberuflich als Model zu arbeiten.”