Gibt man in den gängigen Suchmaschinen „Veramed-Klinik Meschede“ ein, erfährt man schnell, wo sie zu suchen ist: In Beringhausen, einem Stadtteil von Meschede mit 17 Einwohnern. Die ebenfalls angebotenen Fotos sind überwältigend: Ein Riesenareal mit einem Gebäudekomplex, dessen imposante Gebäudefassade beeindruckt. Und das Ganze mitten im Wald. Großartig und definitiv sehenswert. Die Anfahrt kann ja wohl nicht so schwer sein, Beringhausen 5 steht als navi-taugliche Adresse zur Verfügung. Die Anfahrt von Meschede aus ist allein schon eine Reise wert: Sauerland pur, immer wieder wunderschön! In Beringhausen versagt allerdings das Navi. Kein Problem, eine so große Klinik müsste doch sichtbar sein? Fehlanzeige. Wo man hinschaut nur Wald. Die einzige, als Zufahrtsstraße geeignete Abzweigung, ist gesperrt. Kein Hinweis, wie es weiter gehen könnte und von den 17 Einwohnern ist auch gerade niemand in der Nähe. Und genau das ist das historische Stichwort: Niemand in der Nähe.
Niemand in der Nähe
Ursprünglich war hier im Wald die Ritterfamilie von Beringhausen ansässig, deren Ursprung bis heute unbekannt ist. Der Name lässt sich als der Bären- oder Heldenkühne aus dem altdeutschen Perinhart ableiten. Heute erinnern noch Bernhard oder Bernd an den kühnen Bärenjäger. Erwähnt wird die Ritterfamilie erstmalig 1313 im Güterverzeichnis des Grafen Wilhelm von Arnsberg. Es muss eine der bedeutendsten Ritterfamilien im Kreis Meschede gewesen sein: Pröpste und Dekane des Stifts Meschede gehören genauso dazu wie ein Abt des Klosters Grafschaft und der Besitz anderer adeliger Häuser in der Umgebung (Antfeld, Gevelinghausen, Laer, Meschede und Blessenohl). Auch für die Damen des Hauses war gut gesorgt: Bis 1310 treffen wir sie im adeligen Damenstift in Meschede an.
Das Rittergut stand niemals weder dem Stift Meschede noch den Grafen zu Arnsberg als Lehen zu. Das Rittergut benötigte ganz offensichtlich keinen Schutz. Merkwürdig ist auch, dass es keine Siedlung um das Gut herum gab, die Gefolgsleute wohnten alle in den Wäldern ringsherum, aber eben nicht direkt am Gut. Unklar ist bis heute, welche Anbindung an das damalige Verkehrsnetz bestanden haben könnte. Kein bekannter Verkehrsweg führte hier vorbei, was vielleicht erklärt, warum das Gut nie belagert, bekämpft oder eingenommen wurde: Die möglichen Feinde fanden es erst gar nicht! Da geht es uns heute nicht viel anders.
Die Auguste-Victoria-Knappschaftsheilstätte
Bis ins 16. Jahrhundert war die Familie von Beringhausen Besitzer dieses stattlichen Guts. Danach wechselten die Eigentümer in rascher Abfolge, was für das Gut selbst nicht vorteilhaft war. Schließlich verkaufte Vetter zu Halbeswig um 1900 das Gut an den Allgemeinen Knappschaftsverein Bochum, der darauf eine Heilstätte für lungenkranke Bergleute errichtete. 1904 wurde die Auguste-Victoria-Knappschaftsheilstätte nach Plänen des Architekten Julius Boethke mit 118 Betten eröffnet. Zu der damaligen Zeit eine imposante Architektur und eine mustergültige Heilstätte. Eine verkehrstechnische Besonderheit bot die Seilbahn, die die 110 Meter zwischen Tal und Krankenhaus überbrückte und erst 1913-21 durch eine Zufahrtsstraße ersetzt wurde. Im Zweiten Weltkrieg diente die Heilstätte als Reservelazarett, die Amerikaner nutzen sie weiter als Kriegsgefangenen-Lazarett und gaben sie 1946 an die Ruhr-Knappschaft in Bochum zurück.
Der Name wurde in „Bundesknappschafts-Klinik-Tannenberg“ geändert. Bis zum Verkauf der Klinik 1986 wurden hier ca. 44.000 Patienten behandelt.
Die Geister–Klinik
Nach dem Verkauf wurde das Haus vollkommen umgestaltet und mit einem 20-jährigen Pachtvertrag unter dem Namen Veramed-Klinik neu aufgestellt auf der Grundlage des Konzeptes einer Ganzheitsmedizin zur Nachsorge von Krebs-Patienten. Ein Jahr nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde die Klinik 2009 geschlossen und steht seitdem leer.
Eine so einsam gelegene pittoreske Kulisse zieht zwangsläufig fragwürdige Aktionen an: Vandalismus ist quasi vorprogrammiert, Metalldiebstahl lockt Interessierte unwiderstehlich an. Geisterfreaks und Softair-Waffen-Spieler sind in Versuchung geführt. Sie alle haben ihre Spuren hinterlassen.
Die leidige Affäre um die hinterlassenen Patientenakten, für deren Archivierung sich niemand verantwortlich fühlte, gehört ebenfalls in diese Aufzählung, wobei die tatkräftige Aktion unseres Landrats Karl Schneider sicherlich zu den positiven Aspekten zählt. Ebenso wie die 2019 im Rahmen des NRW Projektes „Stadtbesetzung“ von der Kulturregion „aufruhr“ Veranstaltung „Versehrt“ als Versuch einer sinnvollen Nutzung dieser Kulisse gewertet werden darf.
Wie geht es weiter?
Das Fragezeichen ist groß, riesengroß. 2015 erwarb die Vital Meschede GbR die ehemalige Veramed-Klinik mit der Auflage, zwingend eine medizinische Einrichtung entstehen zu lassen. Bislang liegt der Stadt Meschede dazu noch kein Bauantrag vor. Der Investor hält sich bedeckt und versichert, dass „alles gut wird“.