Vom Metzgermeister zum Geschichte(n)erzähler

Quelle: privat

Metzgermeister Uli Rauchheld aus Lennestadt-Bilstein ging 50 Jahre seinem Fleischerberuf nach und sorgte damit für frische Lebensmittel in seinem Heimatort. Mittlerweile hat er das Fleischerbeil gegen die Schreibfeder getauscht.

„Du wirst Metzger, Junge!“ Fritz Rauchhelds Vorstellung von der beruflichen Laufbahn seines zweitältesten Sohnes Ulrich, von allen nur Uli genannt, war unumstößlich. Das war damals in den 1960ern so. Man trat in die Fußstapfen seiner Eltern und beschritt den vorgezeichneten Weg. Der 14-Jährige war zunächst nicht begeistert von den Plänen, die sein Vater für ihn hatte. Mochte er in der Schule doch lieber Geschichte, Erdkunde, Rechnen und Heimatkunde. Fächer, die so gar nichts mit Wurst, Steak und Schinken zu tun hatten. Doch er fügt sich dem Willen seines Vaters. Nichtsahnend, dass besonders die Heimatkunde später doch noch eine große Rolle in seinem Leben spielen sollte.

Drei Jahre ging Uli in die Fleischerlehre, die er 1968 abschloss. Er lernte Schlachten, Schweine und Rinder zerlegen, Räuchern, Wurst herstellen, Kräuter und Gewürze richtig einzusetzen. „Schon damals kamen für meinen Vater und mich nur die besten Zutaten für unsere Produkte infrage. Wir haben uns immer gegen künstliche Geschmacksverstärker oder sogenannte ‚Schönheitsmittel‘ für das Aussehen des Fleisches gewehrt. Der Geschmack stand immer im Mittelpunkt, die Optik war eher Nebensache. Das haben unsere Kunden immer sehr geschätzt“, erinnert sich der heute 71-Jährige an die Grundsätze seiner Arbeit. „Außerdem war uns damals schon wichtig, dass die Tiere nicht aus ganz Deutschland zu uns gebracht werden müssen. Unsere Schweine und Rinder stammten aus einem Umkreis von etwa 15 Kilometern. Diese kurzen Transportwege bedeuteten natürlich viel weniger Stress für die Tiere. Das Tierwohl sollte jedem, der mit Fleisch arbeitet, am Herzen liegen.“

Gelebte Nachhaltigkeit

Somit haben die Rauchhelds schon damals intuitiv, wie der Metzgermeister im Ruhestand heute sagt, nach den Prinzipien gearbeitet, die heutzutage intensiv diskutiert und nachgefragt werden: Biofleisch, Verzicht auf Zusatzstoffe, Tierwohl, Nachhaltigkeit. Diese Entwicklung müsste doch eigentlich für ländliche Metzgereien ein Segen sein – arbeiten sie doch so, wie die moderne Gesellschaft es sich wünscht.„Das wäre schön!“, antwortet Uli mit einem bitteren Lächeln. „Leider ist es so, dass in den vergangenen 50 Jahren die Anzahl der Lennestädter Metzgereien enorm zurückgegangen ist. Damals gab es 30 Geschäfte in unserer Region, heute nur noch sechs.“ Doch was sind die Ursachen für das Aussterben der Metzgereien?

Aussterben der Metzgereien

„Die Entwicklung und die Gründe für den extremen Rückgang musste ich leider mit meinem eigenen Betrieb erfahren“, erinnert sich der Bilsteiner. „Nachdem ich nach meiner Ausbildung zehn Jahre auf Wanderschaft war und unterschiedlichste Metzgereien kennenlernen durfte, übernahm ich 1982 unser Geschäft. Meine Frau Dorothea stand mir dabei immer mit Rat und Tat zur Seite. In den folgenden Jahren musste ich unseren Betrieb modernisieren, neue Maschinen anschaffen, auf der Höhe der Zeit bleiben. Das kostete viel Zeit und natürlich Geld. Der Modernisierungsdruck macht zweifellos vielen Metzgereien finanziell zu schaffen.“Und das sind noch nicht alle Herausforderungen, denen sich die fleischverarbeitenden Betriebe stellen müssen. „Im Jahr 2000 folgten neue, viel strengere Hygienevorschriften, welche die Fleischproduktion um ein großes Maß aufwendiger und teurer machten. Aber die größten Schwierigkeiten bereiten uns Kleinbetrieben die großen Konzerne und Discounter. Der Preisdruck ist enorm. Sie können ihr Fleisch aus Massentierhaltung natürlich viel günstiger anbieten als wir unsere nachhaltig produzierten Lebensmittel.“

Bilsteiner Heimatgeschichte

Man merkt, Uli Rauchheld kennt sich gut aus. Sehr gut sogar. Und zwar nicht nur im Bereich des Fleischerhandwerks. Denn Uli Rauchheld hat seine frühe Liebe „Heimatkunde“ zu seinem Hobby gemacht. „Als ich vor Jahren die Tagebücher von Kaspar von Fürstenberg gelesen und viel über die damaligen Verhältnisse, den Alltag und Zeitgeschichte Arnsbergs erfahren habe, wurde mir klar, dass es derartige Zeugnisse über unsere Bilsteiner Gegend nicht gab. Besonders interessierte mich zunächst die Kriegsgeschichte. So begann ich mit der Recherche und fasste die Ergebnisse in meinem ersten Buch über Soldatenschicksale in Bilstein und Kirchveischede zusammen.“ Das Schreiben fiel Multitalent Uli nicht schwer, denn in seiner 45-jährigen Tätigkeit als Übungsleiter beim TuS Bilstein verfasste er so manchen Wettkampfbericht.Mittlerweile hat der sportliche Heimatautor, der erst im September den Berliner Inliner-Marathon absolvierte, sechs Bücher herausgebracht, die sich allesamt mit der hiesigen Vergangenheit und Gegenwart beschäftigen: von einem Werk über die Historie des Ortes Bilstein, der Geschichte der Leichtathletik in unserer Region über einen Bildband über die Veischede und ihren Nebenflüssen bis zu einem Buch über die „Fleischereien in Lennestadt in Vergangenheit und Gegenwart“.

Quelle: privat
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Zukunftsperspektive: Metzgermeister

„Für dieses Buch führte ich etwa 50 Interviews mit Metzgern, ihren Nachkommen oder auch ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Ergebnisse und meine Erfahrungen fasste ich dann in diesem Buch zusammen“, berichtet der Vater einer Tochter und ehemalige Unternehmer. Doch warum sollte jemand trotz der vielen Herausforderungen eine Metzgerei führen wollen?

Uli lacht. Diese Mal ohne Bitterkeit. „Es ist ein unglaublich vielfältiger Beruf, den ich bis zu meinem Ruhestand im Jahr 2014 gern ausgeübt habe. Er ermöglicht viel Kreativität. Man erschafft mit seinen Händen etwas, das man sehen kann. Der Umgang und die Begegnungen mit den Menschen im Laden sind einfach schön. Neben meiner Frau Dorothea stand ich ein- bis zweimal die Woche im Verkaufsraum. Und wenn man dann noch sein eigener Herr ist, die Richtung vorgeben kann und seinen Beitrag für bessere, nachhaltige Lebensmittel leisten kann, hat man doch alles, was man braucht. Leider habe ich noch immer niemanden gefunden, der den Betrieb übernehmen möchte. Meine Tochter zeigt kein Interesse am Fleischerhandwerk“, sprichts und fügt mit Nachdruck hinzu: „Deshalb stelle ich meinen Betrieb für ein Jahr mietfrei zur Verfügung und das Inventar ist kostenlos. Ich würde mich sehr freuen, auf diesem Wege der Geschichte der Metzgereien ein weiteres Kapitel zusichern zu können. Meldet euch, liebe Metzgermeister!“

Na dann, ran an den Speck!