Quelle: Vinitha Sritharan
Mein kleines, großes Abenteuer
10.046 – das ist die Entfernung, die mich derzeit vom Sauerland trennt. 10.046 km weit weg von Zuhause erlebe ich Momente, die ich oft nicht in Worte fassen kann. Schöne, aber ab und zu natürlich auch nicht so schöne Momente. Die schönen Momente jedoch haben bislang überwogen und ich bin mir sicher, dass das auch weiterhin der Fall sein wird.
Dass ich am 01.10.21 tatsächlich im Flieger sitze und mein „weltwärts“-Jahr in Ruanda beginne, habe ich lange nicht geglaubt. Grund dafür war die Corona-Pandemie, denn der eigentliche Ausreisetermin sollte Anfang August sein, dann wurde er auf September und schließlich auf Oktober verschoben. Umso mehr hat es mich gefreut, als der Flieger an diesem Tag um 11:40 Uhr tatsächlich abhob und mein kleines, großes Abenteuer begann. Auch wenn mir der Abschied von meinen Liebsten wirklich schwerfiel, war die Vorfreude auf alles, was vor mir lag bzw. immer noch liegt umso größer.
Ich bin nun seit zwei Monaten hier, die Zeit verging wie im Flug. Ich habe hier schon viele tolle Menschen kennengelernt, die mir das Einleben in mein neues Zuhause unglaublich erleichtert haben. Landschaftlich ist es ebenfalls wunderschön, selbst wenn ich noch keinen Afrikabaum (mein Lieblingsplatz im Sauerland) gefunden habe, gibt es hier wirklich einiges zu entdecken. Was ich bisher gesehen habe, ist nur ein Bruchteil von dem, was dieses Land zu bieten hat. Was viele vielleicht gar nicht wissen, ist, dass Ruanda als das Land der 1.000 Hügel bezeichnet wird. Und wer glaubt, dass das Sauerland viele Berge hat, der sollte sich die Berge hier in Kigali mal anschauen. Ich habe bislang noch keine Gegend hier gefunden, die komplett flach ist. Kigali ist eine lebendige Stadt, ruhig wird es nur dann, wenn die Ausgangssperre einsetzt. Und zwar von Mitternacht bis um 4:00 Uhr morgens, denn auch in diesem schönen Land ist Corona ein Thema. Selbst wenn die Inzidenz sehr niedrig und ein Großteil Kigalis vollständig geimpft ist, gelten strikte Regeln, um das Virus weiter unter Kontrolle zu halten. Dazu gehört z.B. das Tragen von Masken sowohl im privaten als auch im öffentlichen Raum, die Einhaltung der AHA-Regeln und die Durchführung eines Corona-Tests für die Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen.
Ich habe viele Fragen von meinen Freunden und meiner Familie erhalten, ob der bisherige Aufenthalt meine Erwartungen schon bestätigen konnte. Ehrlich gesagt, hatte ich gar keine konkreten Erwartungen in Bezug auf meine Reise. Mir war bewusst, dass ich mich auf ein ganz anderes Leben einstellen muss, ohne die ganzen Gegebenheiten aus Deutschland wie z.B. warmes Wasser, was so selbstverständlich für uns ist. In unserer Wohnung haben wir dieses Gut zwar, aber oft funktioniert es nicht, sodass wir entweder kalt duschen oder Wasser erhitzen müssen, um warm duschen zu können. Darüber hinaus ist eine Waschmaschine ebenfalls ein extremes Luxusgut. Dieses Privileg wird uns in unserem Auslandsjahr nicht gewährt. Das bedeutet, dass die Wäsche mit der Hand gewaschen werden muss. In diesen Momenten merke ich richtig, wie sehr ich meine Waschmaschine zuhause vermisse. Das sind Umstellungen, die auf einen zukommen und auf die man sich einlassen muss. Aber mir war es wichtig, diese Reise unvoreingenommen anzutreten, um die Veränderungen leichter annehmen zu können.
Menschen, die mich kennen, wissen, dass ich unglaublich gerne und viel esse. Einige würden es sicherlich zu meinen Hobbys zählen. Vorab sei gesagt, dass das Essen hier unglaublich lecker ist. Lebensmittel sind hier wirklich sehr, sehr günstig. Wir kochen oft mit frischem Gemüse vom Markt. Kleine Marktläden gibt es viele, wenn man die Straße entlanggeht. In der Nähe unserer Wohnung gibt es einen sehr großen Markt, Kimironko heißt er, wo es eine unglaubliche Auswahl an Lebensmitteln gibt. Oft holen wir uns Chapatis oder Sambusas, das sind Spezialitäten des Landes. Anfangs hatte ich ziemliche Schwierigkeiten, zu essen. Ich vermute, dass es eine Kombination aus den ganzen Umstellungen war, die mir das Hungergefühl genommen hat. Aber mittlerweile hat sich das gelegt und mein Essverhalten ist wieder in die normale Bahn gekommen.
Bis zu meiner Ausreise hatte ich die Torhüterinnen der C-Juniorinnen des TV Fredeburg trainiert, durch meine Reise muss ich nun ein Jahr aussetzen. Jedoch habe ich auch hier die Möglichkeit bekommen, Torhüterinnen einer Mädchenmannschaft zu trainieren. Auch wenn die meisten Übungen, die man durchführt, dieselben sind wie zuhause, ist es oft eine sehr große Herausforderung, da die sprachliche Barriere noch sehr spürbar ist. Die Mädels sprechen nur Kinyarwanda und meine Kenntnisse reichen zur Verständigung noch nicht ganz aus. So mache ich jede Übung mit Händen und Füßen vor und das klappt tatsächlich bislang sehr gut und macht unglaublich viel Spaß. Ich selbst kicke zwei- bis dreimal die Woche hier, meistens mit Jungs und ohne richtigen Spielbetrieb. Eine Damenmannschaft zu finden ist ziemlich schwer in Ruanda, da der Frauenfußball hier leider noch nicht so entwickelt ist. Jedoch bin ich froh, dass ich durch das Torwarttraining und das Kicken ein Stück Heimat in Ruanda habe, denn ohne Fußball würde ein großer Teil fehlen.
Zu dem Thema Heimweh habe ich eine ganz klare Antwort: Ich vermisse meine Familie und Freunde zuhause auf jeden Fall, es wäre glaube komisch, wenn es nicht so wäre. Aber es ist ein Vermissen auf eine gute Art und Weise. Ein Vermissen, das die Vorfreude auf das Nachhause kommen steigert. Aber bevor ich wieder nach Deutschland komme, will ich noch ganz viele unglaublich tolle Momente erleben, viele Menschen und die Kultur besser kennenlernen sowie die Sprache besser sprechen. Ich kann jedoch sagen, dass ich mich sehr gut eingelebt habe und froh bin, mich für dieses Auslandsjahr entschieden zu haben.
Beim nächsten Mal erzähle ich euch mehr über die Natur sowie meine Projektstelle und die Aufgaben, die ich dort habe.
Ganz viel Liebe in die Heimat und bleibt gesund,
Vinitha Sritharan