Völlinghauser Dorfladen besteht seit 10 Jahren

und hat ausgerechnet im Jubiläumsjahr mit Corona zu kämpfen 

Eigentlich hätte der Dorfladen in Möhnesee-Völlinghausen in diesem Jahr allen Grund zu feiern. Am 9. April 2010 hat der Tante-Emma-Laden in den Räumlichkeiten der ehemaligen Dorfkneipe erstmals seine Türen geöffnet. Doch das zehnjährige Jubiläum fällt mitten in die Corona-Pandemie. Obwohl Lebensmittelläden während des Lockdowns nicht schließen mussten, war der DORV-Laden im April für drei Wochen geschlossen. Mehrere Mitarbeiter hatten sich mit dem Corona-Virus infiziert, die übrigen mussten in Quarantäne. 

Geschäftsführerin Jutta Kunz (rechts) gemeinsam mit zwei von insgesamt acht Verkäuferinnen des DORV-Zentrums in Völlinghausen
Geschäftsführerin Jutta Kunz (rechts) gemeinsam mit zwei von insgesamt acht Verkäuferinnen des DORV-Zentrums in Völlinghausen

Zwangsschließung statt Jubiläumssause 

Schlimmer noch als der fehlende Umsatz, auf den das bürgerschaftlich initiierte und geführte DORV-Zentrum dringend angewiesen ist, ist der Verlust von Jürgen Colbow, der Ende April starb. Er hinterlässt eine große Lücke im ehrenamtlichen Team, das den Dorfladen an der Syringer Straße am Laufen hält. 

Dabei hat der Laden zumindest im März davon profitiert, dass viele Bürger lieber im kleinen Geschäft um die Ecke eingekauft haben, statt sich in den großen Supermarkt zu begeben. Nach der Zwangspause konnte dieser Trend aber nicht fortgesetzt werden. So sehr das Dorf vom Laden auch profitiert – der Grund für seine Schließung sprach sich schneller rum, als den Verantwortlichen lieb war. Und wirkte lange nach. 

Dabei ist das Völlinghauser DORV-Zentrum ein Musterbeispiel für bürgerliches Engagement. Als die Metzgerei schloss und es keine Einkaufsmöglichkeit mehr in Völlinghausen gab, entschieden sich die Bewohner ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Sie gründete am 29. Mai 2009 den Verein „Dienstleistungen und Ortsnahe RundumVersorgung“ – kurz DORV. Mehrere hundert Völlinghauser wurde Mitglied des Trägervereins und spendeten für den Laden. So kamen 53.000 Euro für den Umbau der alten Dorfkneipe zusammen, der Rest wurde über einen Kredit finanziert. 

Auf 200 m2 gibt es alles, was das Herz begehrt 

Mit seinen ca. 200 Quadratmetern ist das DORV-Zentrum eigentlich schon mehr als nur ein Tante-Emma-Laden. Zumal das Angebot ausgesprochen vielseitig ist. Neben Lebensmitteln (inkl. frischem Obst und Gemüse, Kühl- und Tiefkühlware) umfasst das Sortiment auch Hygiene- und Kosmetikprodukte sowie Batterien, Schreibwaren, Grußkarten und vieles mehr, was man für den täglichen Bedarf so benötigt. Besonders stolz sind die Betreiber des Dorfladens auf ihre üppige Frischfleischtheke, die sich einen Ruf weit über die Ortsgrenzen hinaus erarbeitet hat. Eine kleine Käseauswahl sowie Backwaren der örtlichen Bäckerei komplementieren das Angebot. 

Großen Wert legen die Verantwortlichen auf eine breite Auswahl regionaler Produkte. Das macht die Organisation jedoch nicht leichter. Schließlich braucht es viele ehrenamtliche Helfer, die die Eier und Kartoffeln vom Bauern abholen und Waren verräumen. Insgesamt besteht das Team im Kern aus rund 20 ehrenamtlichen Helfern und acht Teilzeitkräften, die auf 450-Euro-Basis den Verkauf stemmen. „Wir müssen im Jahr etwa 400.000 Euro Umsatz erwirtschaften, damit wir eine schwarze Null schreiben“, erklärt die ehrenamtliche Geschäftsführerin Jutta Kunz. Der Arbeitsaufwand für einen Dorfladen mit so abwechslungsreichem Sortiment ist kaum geringer als für einen normalen Supermarkt, der – vereinfacht ausgedrückt – im Prinzip „nur“ mehr bestellt. 

Zumal der Völlinghauser DORV-Laden sogar am Sonntag und damit an sieben Tagen in der Woche geöffnet hat. Dann organisieren vor allem Ehrenamtliche den Brötchenverkauf, der im Dorf sehr gut ankommt. So mancher Dorfbewohner nutzt den freien Tag, um hier in Ruhe seinen Wocheneinkauf zu erledigen, während die anderen Geschäfte geschlossen haben. 

„Wenn jemand mit dem Rauchen aufhört, merken wir das an den Verkaufszahlen“ 

Jede Woche gibt es neue Angebote – ganz so wie bei den Großen. Was den Laden aber ausmacht, sind die vielen kleinen Aktionen mit regionalen Landwirten, Erzeugern und Jägern. So kann man zum Beispiel alle paar Wochen Charolais-Rindfleisch vom Züchter, frischen Fisch vom Fischhof und Wild vom örtlichen Jäger kaufen. 

„Im Prinzip haben wir alles, was das Herz begehrt“, sagt Jutta Kunz. „Manches, was ich für den Laden für geeignet hielt, kann ich nicht bestellen, weil es dafür bei dem Lieferanten eine zu hohe Mindestabnahmemenge gibt.“ Trotzdem erfüllt das Team, wo immer möglich, auch Sonderwünsche und bestellt, was sich der Kunde wünscht. 

Die meisten Kunden sind Stammkunden. Umso mehr fällt es auf, wenn mal ein fremdes Gesicht im Laden einkauft. In den Sommermonaten kommt das häufiger vor. Dann versorgt sich im DORV-Laden auch so mancher Tourist, der sich in einer der umliegenden Ferienwohnungen einquartiert hat. „Wenn jemand aus dem Dorf, der vorher viel geraucht hat, plötzlich damit aufhört, merken wir das hier direkt am Absatz“, schmunzelt Kunz. „Und auch wenn ein engagierter Bürger aus Völlinghausen stirbt, bekommen wir das recht früh mit und müssen die Trauerkarten nachbestellen.“ 

Jubiläumsfeier soll nachgeholt werden 

Dieses außergewöhnliche Jahr werden sie überstehen, ist sich Jutta Kunz sicher. Es ist schließlich nicht die erste Krise. 2014 musste der DORV-Laden sogar Insolvenz anmelden. Die drohende Schließung wurde erfolgreich abgewendet – wieder dank des Engagements zahlreicher Ehrenamtlicher. 

Das Jubiläum soll auf jeden Fall nachgeholt werden. Eine Aktionswoche für die treuen Kunden schwebt der Geschäftsführerin vor, die man am Samstag gemeinsam vor dem Bierwagen ausklingen lässt. Für die große Tombola hat sie bereits Preise von Sponsoren eingesammelt, bevor das Corona-Virus ihr einen Strich durch die Rechnung machte. 

Sowohl die Kunden als auch die Helfer und Mitarbeiter hätten es verdient. Denn jeder von ihnen trägt dazu bei, dass dieses vorzeigewürdige Beispiel bürgerlichen Gemeinschaftssinns Tag für Tag gelingt. Schließlich ist die Möglichkeit der Nahversorgung für viele Völlinghauser ein Stück Freiheit – und damit weit mehr als nur ein Tante-Emma-Laden.