Viel mehr als nur ein Durchfahrts-Ort

Quelle: Heidi Bücker

Große Bergbau-Tradition, Spuren in die große Politik und anziehende Dorfkapelle: Ein Besuch im kleinen Bönkhausen lohnt sich    

 

Text: Paul Senske                         
Fotos: Manfred Haupthoff, Alexander Lucas (Drohnenbild)

Auf den ersten Blick ist es ein an der Landstraße 842 zwischen Endorf und Stockum gelegener, unscheinbarer Ort. Doch Bönkhausen, eine lebendige Dorfgemeinschaft mit 22 Einwohnern, sieben Familien und Häusern, ist viel mehr als ein wenig anziehender Durchfahrts-Ort. Bönkhausen hat vermutlich eine über 1200 Jahre alte Geschichte, war über Jahrhunderte Teil eines bedeutenden Silber-, Blei- und Eisenerzreviers und weist frühe Spuren ins Europaparlament und damit in die große Politik auf. „Wir führen hier ein beschauliches Leben und fühlen uns wohl“, sagt Georg Vollmer.

Vollmer ist einer der 22 Einwohner und hat – unter dem Titel „Bönkhausen – Eine Zeitreise“ – eine über 300 Seiten starke Chronik geschrieben, die akribisch und mit viel Liebe zur Heimat verfasst, auch für Auswärtige lesenswert und „weitgehend in unabhängige Kapitel aufgeteilt ist, die je nach Lust und Laune gelesen werden können“, wie er im Vorwort schreibt. Wir treffen uns mit Vollmer, seiner Frau Annette und Josef Mertens auf den Bänken vor der anziehenden Gedächtniskapelle, direkt neben der Mertens-Gasse an der Landstraße zwischen Endorf und Stockum. Diese Kapelle gehört zum Hof Mertens und wurde 1923 zum Gedächtnis an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Familienmitglieder gebaut. Die Dorfbewohner halfen beim Bau, sodass die Kapelle mit der kleinen Zwiebelhaube mit Glocke eine echte Dorfkapelle wurde. Nach den Gottesdiensten „wurde an lauen Sommerabenden ein ausgiebiges Klönchen gehalten, begleitet vom Quaken der Frösche und Flattern der Fledermäuse. So wurde die Kapelle ein bevorzugter Ort der dörflichen Kommunikation“, heißt es in der Chronik.   

Die Kapelle ist auch heute noch ein Dorfmittelpunkt. „Die Kapelle ist seit zwei Jahren wieder durchgehend geöffnet, das war der Wunsch vieler Menschen“, betont Josef Mertens. Dreimal am Tag wird auch heute noch der „Engel des Herrn“ geläutet. „Am ersten Weihnachtstag treffen sich die Dorfbewohner in der Kapelle, dann wird gesungen und musiziert“, sagt Annette Vollmer. „Jeder, der ein Instrument hat, spielt. Das ist einfach wunderbar.“ Tradition ist auch, dass der Vorstand und das Königspaar der Endorfer St. Sebastian-Schützen auf dem Weg zum Schützenfest in Stockum am Stangenabend in die Kapelle einkehren, eine Messe feiern und nach einem kleinen Umtrunk anschließend mit dem Bus weiter nach Stockum fahren. „Wir gehören zu Endorf, können es aber auch gut mit Stockum“, erklärt Mertens und fügt mit einem Schmunzeln hinzu: „Notfalls können wir zwischen beiden Orten auch vermitteln.“ Über Jahrhunderte hatte Bönkhausen zum Kirchspiel Stockum gehört, vor 60 Jahren wurde der Ort „bedingungslos“ in die „Filialkirchengemeinde Endorf umgepfarrt“. Das hatte auch einen Vorteil, wie es bei Josef Vollmer heißt: „Die Kirchgänger aus Bönkhausen tauschten jetzt den Marsch nach Stockum gegen den Spaziergang nach Endorf ein.“ Auch kommunalpolitisch und vereinstechnisch ist Bönkhausen mit Endorf liiert und hat das nie bereut.

Meinolf Mertens ein „Pionier“ im Europa-Parlament

Überregional bekannt wurde Bönkhausen im Jahr 1979. Damals zog Meinolf Mertens (1923 – 2009), der Vater von Josef Mertens, ins Europarlament nach Straßburg und Brüssel ein. Es war die erste Wahl zum Europaparlament. Zehn Jahre gehörte der CDU-Politiker, der zuvor auch im Kreis- und Landtag seine Heimat vertreten hatte, dem Europaparlament an. Er war damit auch ein „Pionier“, was die Rechte der um Emanzipation ringenden europäischen Volksvertretung betraf. Der staatlich geprüfte Landwirt war u. a. Mitglied des Ausschusses für Landwirtschaft und kümmerte sich auch um die Beziehungen zu Südamerika. „Wir waren in der Familie stolz auf unseren Vater“, erinnert sich Josef Mertens, eines von vier Kindern. „Aber unser Vater war selten zu Hause, unsere Mutter hatte die Last auf dem Hof zu tragen.“

Bergbau von überragender Bedeutung

Dass früher die Landwirtschaft in dem Ort eine wichtige Rolle spielte, ist nachzuvollziehen. „Wir fangen jetzt wieder mit der Landwirtschaft an, natürlich ökologisch“, erklärt Josef Mertens. „Unser Nachbar Werner Schelte betreibt eine große Hühnerzucht.“ Neben der Landwirtschaft war der Bergbau von überragender Bedeutung. Er lässt sich urkundlich bis 1450 nachweisen. Bis ins 19. Jahrhundert gehörte Bönkhausen zu einem wichtigen Silber-, Blei- und Eisenerzrevier im Sauerland. Der Churfürst-Ernst-Stollen ist der tiefste Stollen im Grubenfeld „Edler Stein“. Reste des ehemaligen Bergbaus sind heute noch zu erahnen. Der „Krähenberg-Stollen“, gewöhnlich als „Stemmecke-Stollen“ bekannt, wurde früher als Probestollen zur Erkundung von Erzvorkommen genutzt. In den letzten Jahren wurde er vom Heimatverein Endorf in Kooperation mit dem Bergamt der Bezirksregierung zu einem Besucherstollen hergerichtet und wieder geöffnet. Die ersten Führungen fanden am 1. Mai 2019 statt. Josef Müller und Heiner Hoff vom Heimatverein bieten die Führungen an, die künftig möglicherweise auf das gesamte Gebiet ausgeweitet werden – in Verbindung mit dem Bergbauwanderweg. Touristisch hat Bönkhausen also einiges zu bieten, dazu zählt auch der Wanderreiterhof „Hof-Waldwinkel“ von Peter Nuttebaum und Heike Rehbein. Der Waldwinkel war früher ein Gasthof mit Pension und unter dem Namen „Spinne“ ein Begriff.

Bönkhausen, ein auf den ersten Blick unscheinbarer Ort, vermutlich im achten Jahrhundert durch engrische Sachsen gegründet und damit über 1200 Jahre alt, hat eine Menge zu bieten und zu erkunden. Der Besuch mit einem zweiten Blick lohnt sich. Die Kapelle kann dabei ein Wegweiser in alle Richtungen sein.  

Quelle: Stephy Kesting
Große Bergbau-Tradition, Spuren in die große Politik und anziehende Dorfkapelle: Ein Besuch im kleinen Bönkhausen lohnt sich Viel mehr als nur ein Durchfahrts-Ort
Große Bergbau-Tradition, Spuren in die große Politik und anziehende Dorfkapelle: Ein Besuch im kleinen Bönkhausen lohnt sich Viel mehr als nur ein Durchfahrts-Ort
Große Bergbau-Tradition, Spuren in die große Politik und anziehende Dorfkapelle: Ein Besuch im kleinen Bönkhausen lohnt sich
Viel mehr als nur ein Durchfahrts-Ort
Große Bergbau-Tradition, Spuren in die große Politik und anziehende Dorfkapelle: Ein Besuch im kleinen Bönkhausen lohnt sich Viel mehr als nur ein Durchfahrts-Ort