Dekanatskirchenmusiker Hartwig Diehl: Kirchenmusik präsentiert Reichtum an Meisterwerken
Er ist Organist, Chorleiter, Komponist und Konzertmanager. Offiziell trägt Hartwig Diehl den Titel „Dekanatskirchenmusiker“, als einer von insgesamt 17 im Erzbistum Paderborn. Seine Stammkirche ist der Neheimer Dom St. Johannes Baptist mit der majestätischen Struktur und der grandiosen Orgel. Mit der Orgel, der „Königin der Instrumente“, verbindet ihn eine „innige Liebe“. Die Kirchenmusik bezeichnet der 63-jährige Neheimer als „die Verwalterin von Weltmusik mit einem großen Reichtum an Meisterwerken“. Seit seiner Kindheit fasziniert ihn die Musik. „Es vergeht keine Nacht, in der ich nicht von Musik träume. Ich werde wach und habe was im Kopf gewälzt.“ Als eines seiner Meisterwerke gilt die Komposition des Franz-Stock-Oratoriums „VIDEO PACEM“.
Wenn Hartwig Diehl über Musik spricht, dann öffnet sich nicht nur sein Herz. Er vermittelt tiefe Einblicke. Musik ist für ihn nicht nur eine Kunst aus Tönen, sondern eine zusätzliche Sprache, die „alles transportiert, jede Gefühlslage und jede Emotion“. Die Musik hat Diehl, der in Arnsberg-Bruchhausen geboren wurde und am Hüstener Mühlenberg aufwuchs, seit seiner frühen Kindheit in ihren Bann gezogen. Seine Großeltern mütterlicherseits besaßen ein Klavier, das „mich nicht in Ruhe ließ“. Ab dem 7. Lebensjahr nahm er Klavierunterricht bei Max Puttkammer von St. Petri Hüsten, als Jugendlicher führte ihn der Weg vom Klavier zur Orgel. Der Orgelunterricht bei Josef Feldmann, dem seinerzeitigen Organisten der Neheimer Kirche St. Michael, prägte ihn und weckte die „innige Liebe zur Königin der Instrumente“, wie einst Mozart die Orgel bezeichnet hatte. Für Diehl verkörpert die Orgel alle realen Stilrichtungen und ist nicht nur Begleitinstrument für Gottesdienste, sondern ein wichtiges Konzertinstrument.
Dass Diehl nach dem Abitur Musik an der Musikhochschule in Köln, nebst Geografie und Englisch an der Uni studierte und danach ein Kirchenmusikstudium draufsattelte, war vorgegeben. Von 1984 bis 1991 unterrichtete er an der Realschule in Werl, war für die Musikschule HSK tätig und hatte zudem eine halbe Stelle als Kantor an St. Johannes Baptist in Neheim. Pfarrer Franz Schnütgen war vom Talent des jungen Kantors voll überzeugt. 1991 wurde Diehl zum Nachfolger von Gustav Biener zum Regionalkirchenmusiker ernannt. Nach der kirchlichen Strukturreform 2010 trägt er den Titel Dekanatskirchenmusiker im Dekanat Hochsauerland-West (Arnsberg und Sundern).
Mentor für Kirchenmusiker-Nachwuchs
Als ein wichtiges Anliegen hat er stets die Förderung des Nachwuchses gesehen. Die Ausbildung von nebenamtlichen Kirchenmusikern, die danach eine professionelle Musiklaufbahn eingeschlagen haben, war und ist Diehl ein Herzensanliegen. Peter Volbracht, der Kantor von St. Petri Hüsten, der Voßwinkeler Tobias Wittmann (in Stuttgart tätig), der ebenfalls in Stuttgart wirkende Komponist und Musikproduzent Sebastian Bartmann, der Leiter des Bonner Vokalensembles KONTRAPUNKT, Dr. Marc Mönig, oder die gebürtige Neheimerin Dr. Christiane Strucken-Paland (jetzt NRW-Schulministerium) waren unter anderen seine SchülerInnen. „Musik zu vermitteln, ist für mich ein pädagogisches Bedürfnis“, so Diehl. Als seine besondere Fähigkeit, so Dirigentenkollegen, gilt das Herunterbrechen von Musik auf eine allgemein verständliche Sprache von Laien, ihnen die Zusammenhänge zu erklären.
„Es gibt das Religiöse in der Musik“ (Hartwig Diehl)
Das gilt auch und besonders für seine Tätigkeit als Chorleiter. Er war Chorleiter des Männergesangvereins MGV Frohsinn Neheim, leitete 20 Jahre den Kinderchor „Piccolo, ebenfalls 20 Jahre war er als Chorleiter für „Amicitia“ Garbeck tätig. Zwei Chöre leitet er derzeit: den seit einem Jahr gemeinsam wirkenden Chor Kantorei an St. Johannes und Kirchenchor St. Michael sowie das von ihm, Wolfgang Bargel und Dr. Heinz Gramann 1989 gegründete Vokalensemble „Neuer Chor“. Das Repertoire des Neuen Chores umfasst geistliche und weltliche Chorliteratur. Er ist insbesondere ein Konzertchor für die übergeordnete Kirchenmusik, wie Diehl es bezeichnet. „Es gibt das Religiöse in der Musik und das Bedürfnis es mitzuteilen; das Religiöse ist ein Naturbedürfnis des Menschen.“ Der Neue Chor genießt weit über die Region hinausgehende Reputation, u. a. wurden drei CDs mit anspruchsvollen Werken produziert. Wegen Corona konnte 2020 das vorgesehene Paulus-Oratorium von Felix Mendelssohn Bartholdy nicht aufgeführt werden. Geplant ist die Aufführung, gemeinsam mit dem Bonner Chor KONTRAPUNKT, jetzt im Herbst dieses Jahres, falls es die Pandemie zulässt. „Dann feiern wir Wiederauferstehung“, so Diehl, der auch Mentor und künstlerischer Leiter der anspruchsvollen und stark frequentierten Abonnementreihe „RESONANZ – Musik in St. Johannes“ ist.
„Die Mauern der Kirche durchlässig machen“ (Hartwig Diehl)
Nach Ansicht von Diehl beinhaltet die Kirchenmusik als „Verwalterin von Weltmusik“ auch das „Angebot, einen Zugang zur Kirche zu ermöglichen“. 30 Prozent der Konzertbesucher sind regelmäßige Kirchgänger, 70 Prozent haben keinen oder wenig Bezug zur Kirche, so Diehl weiter. Ein großes Anliegen ist es ihm, „die Mauern der Kirche durchlässig zu machen für weltliche Musik von außen und für Kirchenmusik nach draußen“. Als Musterbeispiel und Symbol dafür sieht Diehl die maßgeblich von ihm initiierte, jährliche Veranstaltung „Toccata Open Air“ auf dem Markplatz vor dem Neheim Dom. Dabei wird die Orgel per Video auf die große Leinwand nach draußen getragen. Bei diesem auch gesellschaftlich bedeutenden Event musiziert die Welt in Neheim, der Markt wird mit der Kirche gemeinsam zum Klangkörper.
Die Musik hat Diehl in ihrem Bann. Dass „es keine Nacht gibt, in der ich nicht von Musik träume und Ideen entwickele“, versteht sich praktisch von selbst. Aus Ideen werden dann Noten, aus Noten Musik und Eigenkompositionen für Chöre, Klavier und Orgel. Eine bedeutende Komposition des Neheimers ist das Franz-Stock-Oratorium „VIDEO PACEM“, das zum 50. Todestag von Franz Stock, dem Neheimer Priester, der als einer der Wegbereiter der deutsch-französischen Freundschaft gilt, 1998 in Chartres uraufgeführt wurde. Es gilt als Diehls Meisterwerk mit Heimatbezug und europäischer (Friedens-)Botschaft. Nach Chartres wurde es auch in Neheim und Schmallenberg aufgeführt.
„Singen mit der Gemeinde ein beidseitiger Lernprozess“ (Hartwig Diehl)
Was die Rolle und die Auswahl an Kirchenmusik in den Gottesdiensten betrifft, so sieht Diehl die Kirchenmusik als „emotionales Ventil“. Das Singen mit der Gemeinde sei ein beidseitiger Lernprozess. Die Akzeptanz der neuen Kirchenlieder mit „ihren tollen und zeitgemäßen Texten“ lasse noch zu wünschen übrig. „Wir haben die Menschen noch nicht mitgenommen.“ Ein pädagogisches Bedürfnis sei es, junge Menschen für ältere Lieder und ältere Menschen für neue Lieder zu begeistern. Wichtig seien der Mix und die Qualität. „Es gibt keine alte oder moderne, sondern nur gute und schlechte Musik.“