Verlagshaus Frey öffnet Archiv aus mehr als 100 Jahren

Die Druckerei und Buchbinderei Theodor Frey im Haus Sattler-Schulte in Attendorn

Theodor Frey - Logo von 1902

Theodor Frey – Logo von 1902


Verlagshaus Frey öffnet Archiv aus mehr als 100 Jahren
In der „Gründerzeit“, jenen ersten Jahren, nach denen Fürst Bismarck 1871 das Deutsche Kaiserreich in Versailles ausgerufen hatte, eröffnete der aus alter Attendorner Familie stammende Theodor Frey eine Buchbinderei in der Kölner Straße. Das war vor 134 Jahren, am 3. September 1879, und stetig ging es mit dem Betrieb aufwärts.
Die Druckerei und Buchbinderei Theodor Frey im Haus Sattler-Schulte in Attendorn

Die Druckerei und Buchbinderei Theodor Frey im Haus Sattler-Schulte in Attendorn


Im Mai 1902 wurde daher eine Druckerei eröffnet, die schließlich ab 1912 mit dem „Attendorner Volksblatt“ eine der frühen Zeitungen im Kreis Olpe herausgab, die Dank vieler Abonnenten sogar die große Weltwirtschaftskrise um 1930 überleben sollte. Freilich war den Nazis das dreimal wöchentlich erscheinende christlichkonservative Blatt nach 1933 schnell ein Dorn im Auge, was bis zur Vorladung des Verlegers durch die Gestapo in Dortmund führen sollte – 1941 schließlich erschien im Mai die letzte Ausgabe.
WOLL Sauerland: Hospitalkirche in Attendorn

Auf diesem Foto von 1898 ist vor der Attendorner Hospitalkirche noch jener Friedhof zu sehen, auf dem die Verstorbenen der umliegenden Bauernschaft von Langenohl, Albringhausen, Ennest und Heggen über Jahrhunderte hinweg bestattet wurden. So bekamen zum Beispiel die Heggener erst nach vielen Querelen ihren eigenen Friedhof 1877.


Theodor Frey, der Sohn des 1931 verstorbenen Gründers, konnte hingegen nicht ganz von seiner Chronistenpflicht lassen. Kurz vor Kriegsende streifte er heimlich durch die Hansestadt und machte unter Lebensgefahr die verbotensten Aufnahmen, die man im untergehenden Dritten Reich machen konnte: „Wehrkraft zersetzende“ Fotos des verheerenden Bombenangriffs vom 28. März 1945 und dessen katastrophalen Folgen.
WOLL Sauerland: Hospitalkirche in Attendorn (2013)

Vollkommen verändert zeigt sich die Situation in der Gegenwart. Wo einst das Hospital stand, befindet sich heute die LEWA. Dazu gehört inzwischen auch das alte Verwaltungsgebäude des Stahlwerks. Auch die Hospitalkirche wäre in der Bauwut der Nachkriegszeit fast abgerissen worden!


1977 erschien dazu ein Bildband, „Bomben, Wiederaufbau und Wandel in Attendorn“, in dem diese einmaligen Bilder in möglichst exakter Übereinstimmung zeitgenössischen Aufnahmen gegenübergestellt wurden.
Seit dem Frühjahr 2013 nun erscheint bei FREY PRINT + MEDIA das W.O.L.L.-Magazin „Rund um den Biggesee und Listersee“. Was hätten Theodor senior und seine Söhne Theodor und Franz wohl dazu gesagt, dass man heute mit dieser Zeitschrift eine verlegerische Tradition belebt, die 101 Jahre zurück reicht! So ungewöhnlich das klingt, entstammt das W.O.L.L.-Magazin tatsächlich dem ältesten noch aktiven Verlagshaus im Kreis Olpe. Wenn das mal kein Grund zum Feiern ist!
Und feiern wollen wir, nach und nach, gemeinsam mit Ihnen, unserer Leserschaft. Es sind nämlich bis heute nicht nur Exemplare aller Ausgaben des „Attendorner Volksblatt“ erhalten, es existiert auch noch ein einmaliger Schatz: das gesamte Fotoarchiv des Verlagshauses Frey aus weit über 100 Jahren!
Gewähren Sie uns das Vergnügen und freuen sich auf eine besondere Serie: Gestern und Heute. War früher alles besser? War früher alles anders? Wir stöbern für Sie durch das Archiv und liefern Nachrichten aus dem Kreis Olpe, über die man manchmal wirklich nur staunen kann …
Drehen wir die Uhr also 100 Jahre zurück: die großen Schlagzeilen aus dem September 1913. Beim Kaisermanöver in Schlesien rasselt Wilhelm II. mal wieder gehörig mit dem Säbel, schließlich „herrsche in Albanien vollständige Anarchie“, und ein Sergeant der Pasewalker Kürassiere gerät mit seiner eisernen Lanze an eine dieser ebenso seltenen wie modernen Starkstromleitungen, was den tapferen Reitersmann nun wirklich schlagartig den Sattel räumen lässt. In mancher Ausgabe stürzt zudem der eine oder andere Flieger zu Tode; rund um die Welt sind das Nachrichten von dieser noch jungen Technologie, die brennend interessieren. In Attendorn freut man sich auf den Besuch Seiner Bischöflichen Gnaden Dr. Carl Joseph Schulte aus Paderborn und in Olpe auf die „den modernen Anforderungen entsprechende notwendige Erweiterung“ des St.-Martinus-Hospitals durch den Regierungsbaumeister Achenbach. Im Hotel Biggemann in Finnentrop, damals noch zu Attendorn gehörig, wird der Kreisziegenzuchtverband gegründet und Zuchtinspektor Topp hebt dessen außerordentlich besondere Bedeutung noch einmal deutlich hervor.
Beim Stöbern in den 100 Jahre alten Ausgaben findet man manches Kuriosum.

Beim Stöbern in den 100 Jahre alten Ausgaben findet man manches Kuriosum.


Dann einige Meldungen, die ganz wie von heute sind: Diebe, von denen noch jede Spur fehlt, brechen bei der Firma Engelbert Isphording ein und lassen „zirka 100 Pfd. Kupfer“ mitgehen, außerdem wird vor Spielzeug aus Fernost gewarnt, weil es „stark mit Arsenik bearbeitet“ wurde. Die ausgestopften Hühner- und Entenküken aus Japan sind also nichts für Kinderhände! Besser sei da schon ein Landaufenthalt in Rieflinghausen, zu dem der Bergische Verein für Gemeinwohl just 47 schwächliche Schuldötze zum Aufpäppeln geschickt hat. In Windhausen verendet einem Lüdenscheider Obsthändler der wertvolle Gaul, wobei man zwangsläufig fragt, weshalb sich diese Tragödie just auf einem der höchsten Pässe des Kreises abspielen musste. Und nun noch eine amtliche Meldung, die man sich wörtlich auf der Zunge zergehen lassen sollte: „Vor der Herstellung oder Veränderung des äußeren Verputzes von Gebäuden ist nach der Baupolizeiverordnung die baupolizeiliche Erlaubnis einzuholen. Die Amtspolizeibehörde macht in einer Bekanntmachung auf diese Vorschrift im Interesse der Pflege der heimischen Bauweise aufmerksam.“
Also alles beim Alten, wie beruhigend. Wir könnten noch abschließend erzählen, wie zwei Stummfilm-Statisten in ihrer Rolle als spanische Dragoner „aus nichtiger Ursache“ in Streit geraten sind. Mit ihren Säbeln – freilich realistisch wie nie – gehen sie aufeinander los und zerwetzen sich derart, dass die Hauptdarstellerin, immerhin die berühmte Mme. Sylvain von der Comedie Francaise, in Ohnmacht fallend auf eine gezückte Klinge stürzt und ernsthaft blessiert wird …
Nun wollen wir augenzwinkernd mit einer erstaunlichen Meldung enden: 1913 gibt es das günstigste „Normalhemd“ in den Kaufhäusern Lenneberg, Olpe und Attendorn für 95 Reichspfennige. Ein Brief mit dem Schnelldampfer „Kronprinz Wilhelm“ in die USA kostet zehn Reichspfennige pro 20 Gramm Gewicht. Für das Volksblatt sind bei zwölf Ausgaben frei Haus 45 Reichspfennige im Monat fällig.
Das Team von FREY PRINT + MEDIA im Jahr 2013

Das Team von FREY PRINT + MEDIA im Jahr 2013


Das W.O.L.L.-Magazin rund um den Biggesee gibt es 100 Jahre später gratis. Das ist doch mal ein Anachronismus!