Verkehrskollaps kontra Altstadt

Quelle: Stadtarchiv Meschede

Die Entwicklung Meschedes als der Verkehrsknoten im Hochsauerland – Teil II 

Freitagmorgen in Meschedes Innenstadt. Marktstände prägen das Zentrum, am Kaiser-Otto-Platz erledigen Jung und Alt auf dem alten Pflaster ihre Einkäufe. Völlig normaler Alltag in der Kreisstadt, direkt unter dem Schutz der 1150 Jahre alten Stiftskirche St. Walburga. Wer von den jungen, aber auch den älteren Mescheder Bürgern kann sich bei diesem Anblick vorstellen, wie es hier noch vor 35 Jahren aussah, als die letzten Fahrzeuge diesen, für Meschede so prägenden, alten Markt-Platz durchfuhren? Wer erinnert sich heute noch an die geschlossenen Bahnschranken an der Warsteiner Straße, an Verkehrslärm und –dreck in der Ruhrstraße? Wir werfen einen Blick zurück in Meschedes Verkehrs-Geschichte.  

Der Wiederaufbau Meschedes war kaum abgeschlossen, da zeigten sich bereits Ende der 1950er Jahre erste Schwierigkeiten aus den zehn Jahre zuvor so gelobten Aufbauplänen der Verkehrswege. Der Straßenverkehr nahm im Zuge der allgemeinen Motorisierung unaufhaltsam zu und allmählich entwickelte sich Meschede zur Staufalle. Daran konnten auch Ampelanlagen nichts ändern. Den Stadtoberen war klar, es musste etwas geschehen. Aber wie baue ich neue Verkehrswege in eine dicht bebaute Stadt ohne Gefahr zu laufen, dass diese nach 1945 zum zweiten Male ihr Gesicht verliert? Radikale Einschnitte waren nötig, zu der dichten Bebauung kamen Bahntrasse und Ruhr, die auch gequert werden mussten. Es war völlig klar: Eine verkehrliche Neugestaltung war unablässig mit einer städtebaulichen verbunden. In den späten 1960er und frühen 1970er Jahren spitzte sich die Situation weiter zu, da auch Meschede als Siedlungsort unaufhörlich wuchs.  

Eine erste, nicht ganz unwichtige Frage wurde im Stadtrat besprochen, nämlich die, wo der Beginn der Baumaßnahmen zu sehen wäre: Von Norden kommend sollte die B55 verschwenkt werden und westlich der Innenstadt auf die B7 treffen. Die Frage, ob eine Brücke oder ein Tunnel die Lösung sei, löste erstmals heftige Diskussionen aus. Ein Tunnel wäre teurer, aber „schonender“ für das Stadtbild. Die Brücke siegte letztlich bekanntermaßen und so wurde am 16.12.1982 die Antoniusbrücke eröffnet.  

Die Coventrybrücke, eine Erschließungsstraße für das Quartier am Bahnhof folgte. Bis 1986 war der Abschnitt Arnsberger Straße/Wieme fertiggestellt. Die Arnsberger Straße verdreifachte dabei fast ihren Querschnitt, die Folge waren massive Eingriffe in die Bausubstanz der Stadt. Die Straße „Auf der Wieme“ gab es bis dato überhaupt nicht; hier wurde fast ein ganzes Quartier Opfer der Spitzhacke. Der Kaiser-Otto-Platz indes verwandelte sich ab 1984 in eine Fußgängerzone, 1989 waren nur noch Stein- und Zeughausstraße nicht vom Verkehr „befreit“, das sollte noch bis 1991 dauern.  

In diese Zeit fällt ein politischer Wandel, der maßgeblich durch die Verkehrs- und Stadtplanung jener Zeit hervorgerufen wurde. Viele Mescheder fürchteten den totalen Identitätsverlust ihrer Stadt, die ohnehin – nachkriegsbedingt – an Baukunst gering ausgestattet war. Es gründete sich Widerstand gegen die Pläne, eine vierspurige Straße bis zum Ortsausgang nach Heinrichsthal zu bauen, an einen innerstädtischen Ring, in etwa durch die heutige Kampstraße verlaufend, gegen zu viel Asphalt und zu wenig Grün: die Mescheder Wählergemeinschaft war geboren. Sie erreichte in den 1980er Jahren immerhin, dass der Ausbau des Oesterweges und der Briloner Straße nicht vierspurig erfolgte, dass mehr Grün an die Straßen gelangte und vor allem, dass der Zeitgeist der 1960er und 1970er Jahre nicht noch um 1990 in Meschede Anwendung fand, nämlich der der Flächensanierung. Der städtebauliche Eingriff war bis dato bereits immens und aus heutiger Sicht unvorstellbar: über 130 Gebäude fielen der Stadtkernsanierung zum Opfer, ob an der Arnsberger Straße, Im Rebell oder an der Hennestraße, freilich nicht nur, aber eben hauptsächlich wegen der neuen Verkehrsplanung.  

Die nördlich der Stadt eröffnete A46 trug natürlich auch dazu bei, die Notwenigkeit einer vierspurigen Straße bis Heinrichsthal zu verwerfen.  

Die Ergebnisse dieses Umdenkens sind tatsächlich heute im östlichen Bereich der Umgehung zu sehen. Aber auch aus Mangel an finanziellen Mitteln wurde behutsamer in das Stadtbild eingegriffen. Die letzten verkehrlichen Baumaßnahmen, die in die Gesamtplanung der Verkehrsentwicklung der Mescheder Innenstadt fallen, wurden 2013 mit der Eröffnung der neuen Johannesbrücke abgeschlossen. So konnten auch der Winziger Platz, die „alte“ Ruhrbrücke und Teile der Fritz-Honsel-Straße verkehrsmäßig zurückgebaut werden.  

Wer also die Arnsberger Straße, die Antoniusbrücke oder die alte Ruhrbrücke überfährt, darf sich nun fragen, wie all dies aussähe, wenn der Stadtrat damals nicht diese weitreichenden Entscheidungen getroffen hätte, Entscheidungen, die viel Altes zerstört und sicher auch einige neue unästhetische Zweckbauten wie das Stifts-Center entstehen ließen, aber gewiss Entscheidungen, ohne die Meschede verkehrsmäßig hoffnungslos kollabiert wäre und daher eine unabänderbare Notwendigkeit darstellen – bis heute.