Der Blinden- und Sehbehindertenverein Westfalen aktiv im Sauerland
Blinde und Sehbehinderte gibt es überall, natürlich auch bei uns im Sauerland. Die Infrastruktur lässt jedoch vielerorts zu wünschen übrig und auch die Möglichkeiten, sich mit anderen Betroffenen zu vernetzen und zu treffen, sind aufgrund der Weitläufigkeit des Sauerlandes und des schlecht ausgebauten ÖPNV schwierig. Der Blinden- und Sehbehindertenverein Westfalen nimmt sich diesen Problemen an und kümmert sich auf vielfältige Weise darum, Menschen mit einer Sehbehinderung das Leben zu erleichtern.
Der Verein hat im Sauerland zwei Bezirksgruppen: Meschede und Arnsberg-Sundern. Für letztere ist Herbert Kleine-Wolter verantwortlich, der außerdem stellvertretender Vorsitzender des Blinden- und Sehbehindertenvereins Westfalen ist. Insgesamt gibt es in Westfalen-Lippe 31 Ortsgruppen. „In Arnsberg-Sundern sind es noch 28 Mitglieder, in Meschede 35. Wir werden alle älter und auch die Pandemie hat uns nicht gutgetan“, so Kleine-Wolter. Solange er kann, setzt er sich – selbst von einer Sehbehinderung betroffen – jedoch dafür ein, die Barrierefreiheit für seine sehbehinderten Mitmenschen so gut wie möglich umzusetzen. Die Bezirksgruppen treffen sich regelmäßig zu Stammtischen mit Informationen aus dem Blinden- und Sehbehindertenwesen, zu Jahresausflügen, zu Feiern, Informationsveranstaltungen usw.
Es gibt aber auch drei große Projekte, die für Betroffene im Sauerland wichtig sind: Das Beratungsmobil, das regelmäßig durch die Sauerländer Ortschaften fährt, das Seniorenzentrum Blickpunkt Meschede für blinde- und sehbehinderte Menschen sowie das Quartiersprojekt Blickwinkel Meschede.
Beratungsmobil
Das Beratungsmobil wird von der Aktion Mensch und dem Verband der Krankenkassen unterstützt. Johannes Willenberg und sein sehender Fahrer Uwe Klapp sind damit gemeinsam unterwegs und stehen auf Märkten, in Fußgängerzonen oder besuchen Inklusionsfeste: „Menschen, die einen substanziellen Sehverlust haben, sind in ihrer Mobilität stark eingeschränkt. Dazu kommt, dass viele sehbehinderte Menschen älter sind, was die Problematik verstärkt“, erklärt Willenberg. „Deswegen müssen wir schauen, dass wir möglichst viele Orte anfahren und dort unsere Hilfe anbieten.“ Beraten wird zu allem, was mit dem Thema Sehverlust zu tun hat – außer individuell medizinisch. „Wir erklären beispielsweise Krankheiten, informieren, wie ein Schwerbehindertenausweis beantragt werden kann, oder was ein Pflegegrad ist. Auch das Thema Hilfsmittel ist wichtig. Wir haben immer einige dabei und können zeigen, wie Betroffene damit vielleicht trotzdem die Zeitung lesen können.“
Dass Willenberg als Berater selbst blind ist, hilft in vielen Situationen. „Ich kann eine ganz andere Verbindung zu den Menschen herstellen und sie wissen, dass ich ihre Probleme kenne und sie verstehe. Manchmal sagen betroffene Menschen, dass sie nicht mehr weiterleben wollen. Das kommt gar nicht selten vor. Der Tag, an dem jemand gesagt bekommt, dass er in wenigen Jahren blind sein wird, ist ein harter Tag.“
Zudem wird natürlich auch auf die örtlichen Gruppen hingewiesen, denen man sich anschließen und wo man ebenfalls Unterstützung finden kann. Denn auch Vereinsamung ist ein großes Problem. „Aber es gibt einfach nicht genügend Ortsgruppen. Dabei gibt es in vielen Sauerländer Orten Betroffene. Das sehen wir daran, wie viele zur Beratung kommen, wenn wir mit unserem Beratungsmobil irgendwo stehen.“ Schon wenige Menschen würden reichen, um sich zu einer Ortsgruppe zusammenzuschließen, von der alle profitieren würden. „Allerdings braucht es eine sehende Person, die das Ganze organisiert. Schon ein gemeinsames Treffen im Monat wäre eine Bereicherung für viele und ein solches Ehrenamt, gibt auch viel zurück.“
Seniorenzentrum Blickpunkt Meschede
Ein anderes Projekt ist das Seniorenzentrum Blickpunkt in Meschede. Gegründet wurde es bereits 1927, 2011 begann der komplette Umbau der Gebäude und des Geländes für mehr Barrierefreiheit. Träger ist auch hier der Blinden- und Sehbehindertenverein Westfalen. 80 Menschen wohnen derzeit im Seniorenzentrum. „Etwa ein Drittel davon sind Menschen ohne Sehbehinderung, die anderen zwei Drittel sind sehbehindert oder ganz erblindet“, erklärt Geschäftsführerin Silvia Koch. „Aufgrund unserer Spezialisierung gibt es einzelne Menschen, die schon seit Jahrzehnten, viele, die schon seit zehn Jahren hier leben.“ Dass das Seniorenzentrum anders ist, erkennt man schon an der Gestaltung: Auf dem Boden im Foyer befindet sich ein Leitsystem, an den Treppen und Türrahmen wurde mit farblichen Kontrasten gearbeitet und die Handläufe im Treppenhaus sind durchgängig und farblich hinterlegt. Der Fahrstuhl sagt an, auf welcher Etage er angehalten hat und was sich dort befindet. „Generell wird hier ein wenig mehr gesprochen“, erklärt Silvia Koch. „Der Speiseplan hängt nicht nur aus. Es wird auch angesagt, was es geben wird, dass das Essen hingestellt worden ist und wo was auf dem Teller liegt. Wenn wir einen Raum betreten, sagen wir, wer wir sind, und wenn gewünscht, lesen wir die Post vor. Es sind also eher die kleinen Dinge im Alltag, die dieses Seniorenzentrum besonders machen.“
Quartiersprojekt Blickwinkel Meschede
Hinter den Gebäuden des Seniorenzentrums findet man das geförderte Quartiersprojekt „Blickwinkel“. Bertram Weiland, Architekt des Blinden- und Sehbehindertenvereins Westfalen und Fachplaner für barrierefreies Bauen, hat beide Bauprojekte begleitet. Er arbeitet seit 15 Jahren für den Blinden- und Sehbehindertenverein Westfalen und betreut verschiedene Projekte in NRW. „Ich habe eine zusätzliche Ausbildung als Sachverständiger für barrierefreies Bauen und habe mich viel mit Behinderungen beschäftigt“, erklärt er. „Zum Thema Blindheit habe ich allerdings erst während meiner Arbeit beim Blinden- und Sehbehindertenverein Westfalen mehr erfahren, vor allem, dass Menschen in ihrer Sehbehinderung sehr unterschiedlich sind. Generell ist es gar nicht so einfach, fachspezifische Architektur zu machen.“ Ziel ist es, Menschen die Möglichkeit zu geben, so viel wie möglich selbständig machen zu können. „Dass was wir im Seniorenzentrum, im Servicewohnen und nun auch hier geschaffen haben, ist für alle barrierefrei, sonst wären die Bewohnerinnen und Bewohner auf mehr Hilfe angewiesen.“ Der Quartierstreff besteht aus Veranstaltungsräumen im Gartengeschoss, darüber gibt es zwei Etagen für Wohngemeinschaften mit jeweils einem großen Wohn- und Küchenbereich. Außerdem gibt es ein separates Gästeappartement, das von jedermann angemietet werden kann. Davor entsteht gerade ein Sinnesgarten.
Die Größe des Grundstückes wird erst auf dem Blindenspazierweg deutlich, der um das gesamte Grundstück führt und auf dem sehende Menschen einen fantastischen Blick auf Meschede haben. Außerdem sollen für alle Freizeitmöglichkeiten zur Begegnung im Außenbereich geschaffen werden: ein Boule-Platz, ein Spielplatz, eine Wetterschutzhütte mit einem Platz zum Grillen. Das alles natürlich möglichst barrierefrei, sodass sowohl Sehbehinderte als auch Menschen im Rollstuhl hier eine gute Zeit alleine oder mit Freunden und Familie verbringen können. Die Räume im Erdgeschoss können von jedem für Veranstaltungen gemietet werden genauso wie die Appartements in den Wohngemeinschaften, die jedoch inzwischen alle vergeben sind. „Der Quartierstreff soll eine Weiterführung in die Gesellschaft sein, sodass sich hier alle – ob sehbehindert oder nicht – treffen und eine gute Zeit verbringen können.“