Unterschriftenautomaten, die „wie von Hand“ schreiben

Drolshagener pflegt ein einmaliges Hobby

Dr. Rolf Heinen hat eine umfangreiche Sammlung bürotechnischer Geräte aus den verschiedensten Ländern zusammengetragen, die in seinem Haus in Drolshagen über drei Stockwerke präsentiert werden. Exponate, die sich mit den technischen Entwicklungen im Büro-Schreibwesen, aber auch mit der Erstellung von Signaturen prominenter Größen aus Politik, Sport und Gesellschaft befassen. Darunter befinden sich einige sehr alte Maschinen, die im 19. Jahrhundert entwickelt worden sind und bereits im frühindustrielles Zeitalter in Gebrauch waren.

WOLL: Dr. Heinen, herzlichen Dank für ihre Einladung in ihr Haus. Schon beim Betreten des Eingangsbereichs fällt der Blick auf die ersten Exponate, die sich wohl alle in irgendeiner Form mit dem Schreiben befassen. Neben ihrer Schreibmaschinensammlung, die auch fernöstliche Geräte aus China, Korea und Japan umfasst, beherbergen sie mechanische Schreibautomaten. Haben sie Sammlungsschwerpunkte oder Vorlieben für besondere Länder, Epochen oder Maschinen?

Dr. Heinen: Neben den historischen Schreibmaschinen, darunter sind auch  Kinder-, Musiknoten- und Blindenschreibmaschinen, sammle ich Maschinen mit unterschiedlichen Schriftformen wie Chinesisch, Japanisch oder Koreanisch. Ein anderer Schwerpunkt sind die Unterschriftenautomaten, also Maschinen, die „wie von Hand“ schreiben.

WOLL: Bei Unterschriftenautomaten stellt sich der Laie ja meist die Unterschriften bekannter Politiker, Stars oder Sportler auf den sogenannten Autogrammkarten mit dem Porträt der Persönlichkeiten, oder die Unterschriften auf Urkunden, denen die meisten Menschen schon als Schüler auf Siegerurkunden begegnen, vor.

Dr. Heinen: Ja, das ist sicherlich richtig. Doch auch geschäftliche Unterschriften wie etwa Lieferverträge wurden und werden mit Maschinen beziehungsweise Unterschriftenautomaten, die wie mit normalen Schreibwerkzeugen arbeiten, – rechtsgültig! – unterschrieben. Auch solche sehr seltenen Geräte sind Teil meiner Sammlung von Schreibmaschinen und schreibenden Maschinen. Wichtig ist besonders die Rechtsgültigkeit dieser Unterschriften, die durch Kurvenscheiben oder Kurvenbänder erstellt werden. Bei meiner Sammlung von Beispielen alter und neuerer Werkzeuge und Maschinen der Bürotechnik geht es mir darum, an vergessene Techniken zu erinnern, die schon seit Anfang des 18. Jahrhunderts schwerpunktmäßig ab 1860 entwickelt wurden.

Unter einigen Sammlern sind auch Automaten bekannt, die ab Mitte des 17. Jahrhunderts mit Federkiel und Tinte, oder in China und Japan mit Pinsel und Tusche wie von Hand schrieben und zeichneten. Das älteste noch existierende Objekt ist der Automat von Knauss von 1760: Es steht im Technischen Museum in Wien. Diese Automaten dienten zu ihrer Zeit – meist in Puppen verborgen – der Unterhaltung an Königs- und Adelshöfen und der Faszination der einfachen Bevölkerung auf Jahrmärkten. Einer der Automatenbauer, Jaquet Droz, soll sogar von der Inquisition in Spanien Ende des 17. Jahrhunderts wegen Hexerei bedroht worden sein, so zumindest ein hartnäckiges Gerücht.

WOLL: Nach diesem interessanten historischen Rückblick in die Anfänge der Automaten ist der Schwerpunkt der Entwicklung zu den heutigen gebräuchlichen Automaten wohl im vergangenen Jahrhundert zu finden. Wie ging es dann weiter?

Dr. Heinen: Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Einsatz von Unterschriftenautomaten mit rechtsgültiger Unterschrift stark intensiviert. Ab Mitte der 1980er Jahre kamen mit dem Computer gesteuerte „Schreibmaschinen“, die mit konventionellen Schreibwerkzeugen Texte in Druckbuchstaben erstellen, auf.

Ein weiterer Entwicklungsschritt sind die seit Anfang 2000 eingesetzten sogenannten Handschriftensysteme, die in der eigenen Handschrift vollständige Briefe schreiben.

Sie sind bereits ein Marketinginstrument der persönlichen „handschriftlichen“ Ansprache von Geschäftsfreunden, Lieferanten oder Kunden geworden. Übrigens: Wenn man die Fingerkuppe befeuchtet, kann getestet werden, ob es sich um ein Original handelt oder nicht.

WOLL: Welche Techniken haben eigentlich die Schreibtechnik besonders beeinflusst und gibt oder gab es noch weitere Einsatzmöglichkeiten der „neuen“ Schreibtechniken?

Dr. Heinen: In Europa und den USA basieren die Automaten auf der Kenntnis der Uhrmachertechniken, was man in den frühen Exemplarennoch sehr genau feststellen kann. In den asiatischen, besonders japanischen Entwicklungen dominiert als Grundstoff das Holz, da Eisen, oder andere Metalle als echte Mangelware galten, waren die japanischen Erfinder gezwungen, fast alle Konstruktionsteile aus Holz herzustellen. Dort arbeitete man viel mit Tusche und Pinsel, um Texte oder Bilder mittels Kurvenscheiben zu erstellen.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Telegrafie als neues, schnelles Mittel der Nachrichtenübermittlung, die auch einen eigenen Typendrucktelegrafen erforderte. Schrifttelegrafen druckten auf normalen Briefbögen in der üblichen Schriftform. Die Typendrucktelegrafen benutzten Schriftscheiben oder -räder, ähnlich der Schreibmaschine Columbia von 1883, nur eben schon Jahrzehnte früher.

WOLL: So ganz ohne Widerspruch oder Misstrauen gegenüber den Unterschriftenautomaten blieb es dann aber nicht, denn bei vielen Unterschriften beharrt der Gesetzgeber auf „Rechtsgültigkeit“, die Unterschriften durch einen Automaten nicht unbedingt toleriert.

Dr. Heinen: Ein Beispiel, das die Problematik kennzeichnet: Ich habe in meiner Sammlung zwei Bücher vom Ende des 18. Jahrhunderts mit „handschriftlicher Freigabe“ des Druckes, bei denen selbst ein forensischer Graphologe, der mit vom Landeskriminalamt NRW empfohlen wurde, bei der Untersuchung des Textes nicht mit letzter Sicherheit feststellen, ob es sich um ein Original, einen Druck oder eine Unterschrift durch einen Unterschriftenautomaten handelt. Für die Annahme, dass die Schrift mittels einer Schreibfeder erstellt wurde, erschienen die Spuren zu stark ausgeprägt. Anders interpretierte das ein Hersteller von Unterschriftenautomaten, der den Text als handschriftlich einordnete. – Ergebnis weiter offen!

Weniger Zweifel gab es bei dem Einsatz von Mehrfachunterschriften durch sogenannte Polygraphen für amerikanische Soldaten und Matrosen im Ersten Weltkrieg, mit denen die amerikanische Regierung Lebens- und Risikoversicherungen mehrfach in vielfacher Ausfertigung per Hand erstellen ließ. Ein anderes Beispiel: Englische Pfandleihanstalten, die ab dem 18. Jahrhundert mit solchen Geräten gleichzeitig drei Unterschriften erzeugten: Für den Kunden, für die Stadtverwaltung und für sich selbst.

Ein prominentes Beispiel dafür, dass Unterschriftenautomaten auch missbraucht werden konnten: Der Vater von Steffi Graf wurde verurteilt, weil er den Unterschriftenautomaten seiner Tochter zu seinem Vorteil nutzte.

WOLL: Gibt es auch ein aktuelles Beispiel, welches den meisten Lesern bekannt sein dürfte, sozusagen von öffentlichem Interesse ist?

Dr. Heinen (lächelt): Natürlich gibt es viele Unterschriftbeispiele, etwa auf Briefmarken, die man sich oft ansehen kann. Interessanter sind natürlich Autogramme zu besonderen Ereignissen. Meine Sammlung umfasst eine Reihe von prominenten Unterschriften. Von allgemeinem Interesse dürften die Autogramme aller Spieler der deutschen Fußballweltmeister von 1990 sein, deren Unterschriften sämtlich mit Automaten erstellt worden sind, darunter die von Franz Beckenbauer, von Jürgen Klinsmann und von Lothar Matthäus.

WOLL: Bei diesen Unterschriften können die Leser davon ausgehen, dass die damaligen Weltmeister die Kurventechniken sehr gut beherrscht haben, hoffentlich gelingt dies auch bei der nächsten Fußball-WM.

Zum Abschluss möchte WOLL auch von Ihnen erfahren, warum sie im Sauerland heimisch geworden sind?                                                                                                                          

Dr. Heinen: Gebürtig in Niedersachsen habe ich viele Jahre in Aachen als Stellvertreter des Institutsleiters eines größeren Institutes an der Technischen Hochschule Aachen gearbeitet und bin dann in die freie Wirtschaft gegangen, wo ich unter anderem in der Schweiz tätig war. Dann kam das Angebot für die Position des Technischen Leiters bei der EMG Wendener Hütte, das ich trotz einiger „Warnungen“, dass es dort sehr oft regne (lacht), angenommen habe. So bin ich dann letztlich mit meiner Frau in Drolshagen gelandet und habe hier ein Haus erworben, das sie ja nun inklusive meiner Sammlungen kennengelernt haben.

WOLL: Herr Dr. Heinen, wir danken Ihnen für dieses kurzweilige und sehr informative Gespräch.