Unterkirche Hallenberg

SAUERLAND SEELENORTE

Das gütige, liebevolle, mütterliche Lächeln Marias zieht jeden Betrachter in seinen Bann. Ein Meter dicke Mauern – nur von wenigen, winzigen Fenstern durchbrochen – könnten bedrückend wirken, aber das Lächeln der kleinen Madonna füllt den Raum mit Geborgenheit, Ruhe und mütterlichem Schutz. Diese besondere Kraft macht die Unterkirche in Hallenberg zu einem Sauerland Seelenort.

Der Tod eines Dorfes und die Geburt einer Stadt
Das Dorf Merklinghausen an der Nuhne lag am äußersten, östlichen Rand des Erzbistums Köln – immer im begehrlichen Blick der Grafen von Waldeck. Vielleicht wurde gerade deshalb in dem kleinen, abgelegenen Dorf am Rande des Sauerlandes schon vor beinahe 1.000 Jahren eine steinerne Kirche gebaut und damit jene Mauern errichtet, die bis heute den Chorraum der Kirche bilden, die nun Hallenbergs Unterkirche ist. Im 12. Jahrhundert entstand das übrige Gebäude. Auch die noch in Resten erhaltenen Fresken stammen aus dieser Zeit. Im frühen 13. Jahrhundert zog dann eine nur etwas mehr als 60 Zentimeter große Muttergottes aus Lindenholz in die Kirche ein und wurde als „die liebe Frau von Merklinghausen“ zu einem Magnet für Pilger aus dem weiten Umland. Das hinderte allerdings die Herren der Nachbarlande nicht an regelmäßigen, gewaltsamen Übergriffen. Der Erzbischof von Köln entschloss sich deshalb zum Bau einer befestigten Stadt auf dem Hügel oberhalb von Merklinghausen, einer Hügelstadt mit Mauer, sieben Türmen und zwei Toren: Hallenberg. Die Merklinghäuser zogen in den Schutz der Stadt, ihre Häuser verfielen, ihr Dorf wurde zur Wüstung. Nur ihre Pfarrkirche blieb hartnäckig, wo sie war, trotzte allen Angriffen und wurde zu einem Gotteshaus vor den Toren der neuen Stadt – zur Unterkirche Hallenbergs.

Marias Bauplatz
Die Hallenberger schreiben das der Beharrlichkeit der Hausherrin zu, die schließlich den Bauplatz ihres Hauses selbst wählte – so zumindest sagt es die Sage vom Bau der Kirche: Als die Merklinghäuser beschlossen, die erste Kirche in ihrem Dorf zu errichten, trugen sie das Baumaterial am vorgesehenen Bauplatz zusammen. Am nächsten Morgen fanden sie die Balken und Steine an einer ganz anderen Stelle wieder. Sie glaubten an einen Streich und brachten das Material wieder dorthin, wo sie beschlossen hatten, zu bauen. Als sich dies mehrere Tage lang wiederholte, kamen sie zu dem Schluss, dass die Muttergottes ihr Haus lieber an jenem anderen Ort errichtet wissen wollte, zuckten mit den Schultern – und folgten dem Willen Marias.

Eine Madonna taucht unter
Irgendwann in der wechselvollen Geschichte Hallenberg – gefüllt mit Grenzstreitigkeiten mit Waldeck und Hessen – musste die „liebe Frau von Merklinghausen“ wohl untertauchen. In Tüll und andere Stoffe gehüllt, war sie verkleidet als ganz normale, kleine Heilige und überdauerte die Wirren vieler Kriege auf einem Wandbord. 1927 schälte der damalige Hallenberger Pastor Ansgar Pöllmann die vermeintliche Heilige aus ihren inzwischen brüchig gewordenen Kleidungsschichten und traute seinen Augen nicht. Geschichtskundig wie er war, wusste er sofort, dass er das Ziel so mancher Wallfahrt des Mittelalters in Händen hielt. Seither steht die berühmte Muttergottes wieder an ihrem angestammten Platz im Zentrum des Hochaltars der Unterkirche.

Gebete und Prozessionen
Edeltraud Müller ist heute die Erzählpatin der Hallenberger Unterkirche. Wer mehr über den Seelenort Unterkirche erfahren will, kann bei der Tourist-Information in Hallenberg eine Führung mit ihr buchen. Edeltraud Müller erzählt dann unter anderem vom aktuellen, spirituellen Leben, zu dem vor allem der Sonntag nach dem 15. August gehört. In einer feierlichen Prozession tragen die Hallenberger ihre liebe Frau für einen Tag hinauf in die Pfarrkirche. Am Abend kehrt sie in einer Lichterprozession in ihr eigenes Zuhause zurück. Was Edeltraud Müller besonders bewegt, ist der Umstand, dass kaum eine andere Kirche des Sauerlandes sich in fast 1.000 Jahren so wenig verändert hat wie die Unterkirche – und das ausgerechnet in einem Umfeld voller Streit, Krieg und Wirren. Immer wieder fragt sie sich, von wie vielen Bitten und Dank, Freude und Leid, Schmerz und Hilfe schon die liebe Frau von Merklinghausen in ungezählten Gebeten genau in diesen Mauern gehört hat. Wenn der Besucher von heute sich bewusst wird, wie lang die Reihe derer ist, die vor ihm schon an gleicher Stelle gestanden und zur Madonna hinauf geschaut haben, entfaltet der Sauerland Seelenort seine Kraft.