Unsere Kirche im Sauerland

Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz besucht das Hochsauerland

Die katholische Kirche im Sauerland ist von den Verwerfungen und Veränderungen im Glaubensleben nicht verschont geblieben. Die Gotteshäuser werden immer leerer. Kirchliche Feste werden nicht mehr als christlich identifiziert und gefeiert. Kirchenaustritte nehmen zu. Aber die Kirche steht noch als Gebäude im Mittelpunkt vieler Dörfer und Städte. Verliert das Sauerland seinen Glauben? Diese und andere Gedanken konnten wir dem neuen Erzbischof von Paderborn, Dr. Udo Markus Bentz, am Rande seiner Dekanatsreise Ende Mai im Dekanat Hochsauerland- Mitte beim Besuch der St. Peter und Paul Kirche in Wormbach vortragen.

WOLL: Kehrt das Sauerland der Kirche nach fast 1.200 Jahren den Rücken?
Erzbischof Bentz:
Dies ist mein dritter Besuch im Sauerland. Ganz zu Beginn meiner Zeit im Erzbistum Paderborn war ich bereits in Meschede, dann folgte die Dekanatsreise ins Südsauerland und jetzt hier im Hochsauerland. Und natürlich werden viele weitere Besuche folgen! Auf den ersten Blick zeigt sich mir so etwas wie eine heile Welt: Alles ist so wunderbar gepflegt, eingebunden in eine fantastische Natur, eine harmonische Landschaft, in starke Gemeinschaften und gelebte Traditionen. Das Sauerland und seine Dörfer und Städte haben eine starke christliche Geschichte und für mich eine beeindruckende Vergangenheit. Daneben gibt es aber auch viel Gegenwart und Zukunft. Im Gespräch mit den Ehrenamtlichen und Hauptberuflichen in der Pastoral war die fortschreitende Säkularisierung und Urbanisierung der Gesellschaft natürlich auch ein Thema. Es gibt heute eine Pluralität von Lebens- und Glaubensformen, natürlich auch hier. Dass Kirche, Glaubenspraxis und Leben nicht mehr für alle deckungsgleich sind, das trifft auch immer mehr auf die ländlicheren Strukturen zu – auch im Sauerland. Gleichzeitig sehen wir Initiativen wie den Spirituellen Sommer oder die Sauerland-Seelenorte. Da ist vieles neu und anders als in der Vergangenheit, aber alles wird von einer tiefen Spiritualität und Zuwendung zu den Fragen der Menschen von heute getragen. Vielleicht ist auch der „Grundwasserspiegel des Glaubens“ hier im Sauerland noch etwas höher als in den großen Städten oder in der säkularen Diaspora andernorts, etwa in Ostdeutschland. Der Glaube ist hier immer noch sehr kulturprägend. Die Kraft des Glaubens hat für die Gesellschaft und die Gemeinschaft vor Ort eine immense Bedeutung.

WOLL: Das Sauerland wurde in früheren Zeiten als das „Mistbeet“ des Erzbistums gesehen. Pfingsten wurde Jens Baronowsky aus Hirschberg zum Priester geweiht. Gibt es noch weitere hoffnungsvolle Pflanzen aus dem Sauerländer „Mistbeet“?
Erzbischof Bentz:
Ich bin schon vielen Sauerländern begegnet: Priestern, die von hier stammen, Erzbischof emeritus Becker natürlich, Menschen in der Bistumsleitung, im Pressebereich, im Generalvikariat. Sehr viele engagierte Menschen mit oft sehr beeindruckenden Lebenswegen, die den Glauben zu ihrem Beruf gemacht haben. Das Sauerland ist in Paderborn stark vertreten. Aus meiner Zeit in Mainz, als Jugendseelsorger und als Regens in der Priesterausbildung, habe ich aber festgestellt, dass die Veränderungen in der Gesellschaft die klassisch geprägten, katholischen Milieus wie hier im Sauerland manchmal noch härter treffen als manche Diaspora- Region. Hier hat vieles, was traditionell gewachsen war, bis weit in unsere Gegenwart hinein funktioniert. Die früheren „Mistbeete“ sind nun aber schon eine ganze Zeit kein absoluter Garant mehr für Priesternachwuchs, vielleicht auch, weil vieles früher noch irgendwie anders lief. Aber ich will das nicht beurteilen und kleinreden. Es kommt immer auf bestimmte Personen an, die junge Menschen prägen und begleiten und Berufungen erkennen und fördern. Im Sauerland und anderswo.

WOLL: Man hat Sie in der Mainzer Fastnacht in vorderster Reihe gesehen. Werden Sie im Sauerland oder den anderen Städten und Gemeinden des Erzbistums vielleicht mal auf den Schützenvogel zielen?
Erzbischof Bentz:
Wer weiß, was die Zukunft bringt. Das Schützenwesen ist für mich neu, da muss ich hineinwachsen. In der ersten Woche als Erzbischof, fünf Tage nach meiner Amtseinführung im März, bin ich als Schützenbruder in die Maspern- Schützenkompanie in Paderborn aufgenommen worden. Das ist für mich eine große Ehre und Freude. Und ein Zeichen, mich hier zu „interkulturieren“. (Ruf aus dem Hintergrund: „Er kann das Horrido schon sehr gut!“)

WOLL: Das Kloster Grafschaft, der Wilzenberg und die Pfarrkirche St. Peter und Paul in Wormbach sind wichtige Standorte für den christlichen Glauben im Sauerland. Welche Botschaft soll von hier ausgehen?
Erzbischof Bentz:
Was ich hier wahrnehme und mitnehme, ist, dass es viele kleine Orte mit einer starken mystischen und spirituellen Kraft gibt. Bei allen Veränderungsprozessen, in denen wir stehen, zu wissen, darauf zu vertrauen, darauf zu bauen, dass ich mich behütet weiß und Kraft tanken kann, das finde ich großartig und stimmt mich optimistisch. Zu wissen: Unsere Herkunft gibt uns genügend Energie, dass wir mit Gottes Geist in die Zukunft gehen können. Dass es solche spirituellen Erfahrungsorte auch in Zukunft gibt, wenn auch in veränderten Strukturen. Diese Erfahrungsorte des Glaubens gilt es nicht zu vernachlässigen und gut in die Gegenwart zu begleiten.

WOLL: Wie kann man „Christ sein“, einfach und verständlich beschreiben? Oder geht das nur, wie in ihrer Pfingstpredigt im Paderborner Dom, wo von der extrovertierten und der introvertierten Seite des einen Geistes die Rede war?

Erzbischof Bentz: (lacht aufmunternd) Der Geist befähigt auch, fremde Sprachen zu verstehen! Aber im Ernst: Der Geist wirkt in uns, macht uns lebendig und verändert uns. Ohne den Geist in uns hätten wir nach 2.000 Jahren die Geschichte von Jesus Christus völlig vergessen. Der Geist macht diese Geschichte für uns jeden Tag neu lebendig. Er führt uns zur Einheit, in aller Diversität und Buntheit. Und er befähigt uns, die Liebe Jesu nach draußen zu tragen, in die Welt, in die Schöpfung. In der tätigen Nächstenliebe. Das ist, etwas verkürzt, der Hintergrund für die Rede von extrovertierter und introvertierter Seite des einen Geistes.

WOLL: Vielen Dank für das Gespräch!