Umzug von Voßwinkel nach Bachum – mit Haus

Das Elternhaus der Kempers  

Transloszierungen, also die Versetzung von Häusern, gab es gelegentlich auch im Sauerland. Beispiele sind die Gevelinghauser Mühle, die Forstscheune in Madfeld, Haus Böhlsdorf in Warstein oder die Theodorus-Kapelle in Neheim. Die Nachfahren eines solchen „Hausversetzers“ haben wir in Arnsberg-Bachum getroffen: Stefan und Hubert Kemper. Noch als Kinder lebten sie mit Eltern und Geschwistern in dem alten Bauernhaus. Heute direkt gegenüber.

Hier, in diesem alten Bauernhof sind Stefan und Hubert Kemper großgeworden. Besonders Hubert Kemper, der ältere der beiden Brüder, kann sich gut daran erinnern, dass oft Bachumer aus dem unteren Dorf zu ihnen ins Haus kamen. Nicht in der „Guten Stube“, sondern in der Küche saßen dann die Gäste. Dem ein oder anderen schmeckt auch der Korn, den der Vater eigens für den Besuch auf den Tisch gestellt hatte.

Vom Schäfer zum Bauern 

„Mein Urgroßvater, der eigentlich Voßwinkeler war, arbeitete als Schäfer auf dem Hof Ebel“, weiß Stefan Kemper. „Später hat er sich hier oben das Haus aufgebaut. Nach und nach kaufte er Land hinzu – und im Laufe der Jahre wurde aus der Schäferei ein Bauernhof.“ Während Hubert Kemper in die Fußstapfen seines Vaters trat und bis vor einigen Jahren als Landwirt tätig war, ging der jüngere Bruder, Stefan Kemper, in die Industrie. Geregeltere Arbeitszeiten machten es möglich, dass er zwölf Jahre als Schützenoberst der St. Isidor-Schützenbruderschaft Bachum wirkte. Die Kempers – eine rundum beliebte und anerkannte Familie in Bachum. Eine Anerkennung, die dem Urgroßvater, dem Erbauer des Hofes, lange Zeit versagt geblieben war … 

Die Geschichte des Hauses 

Der Neheimer Josef-Georg Pollmann hat sich intensiv mit der Geschichte dieses Hauses und den damaligen „Auswirkungen auf das Gemeindeleben“ befasst. Er berichtet in einem Aufsatz* davon, dass das Haus ohne Absprache mit der Gemeindevertretung errichtet wurde. Absprachen, so Pollmann, gab es wahrscheinlich nur interne, zwischen dem Schäfer Kemper und seinem Auftraggeber, dem Bauern vom Kaiser-Hof (heute Ebel), einer der Urhöfe von Bachum. Warum Kaiser seine Hudefläche für ein Haus abgab, ist nicht bekannt. Deshalb mutmaßt Pollmann, „Haus Kemper könnte durchaus ein neues Hirtenhaus für Kaiser gewesen sein.“ 

Dass dieses Haus 1848 transloziert wurde, versetzt von Voßwinkel nach Bachum, gilt als bewiesen. In den alten Akten des Arnsberger Stadtarchives ist zu lesen, dass das Haus von „Voßwinkel nach Bachum gefahren“ wurde. Eine Ganzteil-Translozierung“ etwa? „Auch die Zeitangabe „des Morgens“ lässt, so Pollmann, den Rückschluss zu, dass es sich um eine „Nacht- und Nebelaktion“ handelte.“  

Stefan und Hubert Kemper

Hausversetzungen und Translozierungen in alter Zeit 

Nichts wirklich Seltenes, denn in früheren Jahrhunderten entstanden aufgrund „unregelmäßiger Zuweisungspolitik für Siedlungswillige viele Häuser ‚schwarz’“. Die Häuser wurden oftmals heimlich errichtet und mussten am nächsten Morgen fertig sein, da sie sonst abgerissen wurden.

Die Balken der Fachwerkhäuser waren miteinander verzapft und ließen sich so leicht wieder voneinander trennen. Das Lehmgefache zwischen den Holzbalken musste anschließend allerdings erneuert werden. Als Transportmittel dienten wahrscheinlich Baumstämme, auf denen die großen Teile auflagen. Mithilfe von Pferden konnte das Schwergut dann bewegt werden.   

Gemeindemitglied ohne Rechte 

Bei seinen gründlichen Recherchen fand Pollmann heraus, dass der Schäfer Kemper 1852 ein Bittschreiben an die Gemeindevertretung Bachum schickte. Der Inhalt ist nicht bekannt, aber die Antwort: Kemper musste von da an jährlich einen Taler als „Communalgefälle“ an die Gemeindekasse entrichten. Damit war er zwar in die Gemeinde aufgenommen, allerdings „unter Ausschließung aller Nutznießung“. 

Aufgrund dieser Querelen war das Leben für den Schäfer wohl nicht einfach, denn, so Pollmann, „ohne irgendein Anrecht auf Nutznießung dörflicher Rechte konnte im Prinzip jeder kleine Fehltritt als Frevel ausgelegt werden.“ „Das haben die gar nicht gern gesehen, dass man so weit außerhalb ein Haus baute“, weiß auch Stefan Kemper. Und Pollmann zitiert aus den Akten des Stadtarchivs: „ …weit von den nächsten Häusern mitten im Walde wo gar kein ordentlicher Weg dahin fürth und der ganzen Gemeinde zum Nachteil seye.“  

Bereits 1858 wollte Schäfer Kemper ein neues Haus errichten – wegen des schlechten Zustandes des 1848 errichteten Hauses oder zur Hofvergrößerung. Beim geplanten Neubau gab es aber Streit mit einem weiteren Bachumer Neuansiedler, worauf Kemper sein Haus wohl nur auf seiner Parzelle vergrößern durfte. 

All das ist lange her. Die Hausstreitigkeiten längst aus dem Wege geräumt und Bachum wieder ein „friedliches Dörfchen“ – mit den Kempers, die noch immer weit draußen wohnen, aber trotzdem „mittendrin“ sind, als wichtige Mitglieder der Bachumer Dorfgemeinschaft.