Tschechische Arbeitnehmer zieht es nach Deutschland

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Das Sauerland ist zwar nicht die Region, die an Tschechien grenzt – das sind die Bundesländer Bayern und Sachsen –, aber die Schönheit unserer gewachsenen Kulturregion hat eine Anziehungskraft, die bis weit in den Osten Europas reicht. Wer würde nicht in Begeisterung versetzt werden, wenn er vor der Attahöhle, der Burg Altena oder am wunderschönen Biggesee stünde?

Deutschland ist wiederum für gut ausgebildete tschechische Arbeitnehmer attraktiv, die hierzulande mit weitaus höheren Löhnen rechnen können, als sie es in ihrem Heimatland gewohnt sind. 58.610 Tschechen sollen es nach Angaben von Statista sein, die 2023 in Deutschland gelebt haben. Mit Job Weasel ist eine Organisation entstanden, die deutsche Unternehmer bei der Suche nach tschechischen und slowakischen Arbeitnehmern unterstützt.

Motive für Tschechen für die Arbeitssuche in Deutschland

Auffallend hoch ist zunächst das Lohngefälle zwischen Deutschland und Tschechien. Während der Durchschnittslohn in Deutschland nach einer Studie der Beratungsfirma Mazars bei 4.130 Euro liegt, liegt dieser in der Tschechischen Republik mit 1.533 Euro auf einem vergleichsweise spärlichen Niveau. Zu beachten ist, dass das Lohnniveau in Deutschland aufgrund der Tarifautonomie von Branche zu Branche erheblich variieren kann. Eine ähnlich hohe Differenz besteht beim Mindestlohn, der in Tschechien bei 4,69 Euro, in Deutschland aber seit dem 1. Januar 2024 bei 12,41 Euro liegt.

Auf diese Weise können Tschechien in Deutschland auf einen Lebensstandard kommen, den sie in ihrem Heimatland nicht erreichen, während es andererseits deutschen Unternehmern leichter fällt, tschechische Mitarbeiter zu finden, die bereit sind, für Löhne zu arbeiten, die deutsche Arbeitnehmer kaum akzeptieren würden.

Hinzu kommt, dass deutsche Arbeitnehmer sich einer Vielzahl an Rechten erfreuen, die Ausbeutung verhindern und eine gleichmäßige Work-Life-Balance ermöglichen. In vielen Branchen liegt die wöchentliche Stundenarbeit inzwischen bei unter 40 Stunden pro Woche, Arbeitgeber dürfen ihre Beschäftigten nicht unbegründet zu Überstunden verpflichten und deutsche Arbeitnehmer nehmen durchschnittlich rund 30 Urlaubstage im Jahr.

Weiterhin profitieren auch Tschechen, die in Deutschland dauerhaft arbeiten, vom ausgeprägten Sozialsystem. So berechtigt die regelmäßige Einzahlung tschechischer Mitarbeiter in die deutschen Sozialkassen zu 194 Euro Kindergeld für das erste und zweite Kind.

Diesen Herausforderungen muss sich Deutschland stellen

Natürlich ist auch in Deutschland nicht alles Gold, was glänzt, und es gibt durchaus abschreckende Faktoren. Zu den Bremsklötzen gehört zunächst eine überbordende und schwerfällige Bürokratie, die jeden Kontakt mit einer deutschen Behörde zu einer Herausforderung macht und die selbst Deutsche, die nicht von Sprachbarrieren betroffen sind, in den Wahnsinn treiben kann. In puncto Digitalisierung ist Deutschland im internationalen Vergleich abgeschlagen und der Grad der Digitalisierung ist selbst für osteuropäische Verhältnisse mangelhaft.

Die deutsche Mentalität, die streng zwischen Arbeit und Freizeit trennt, kann Tschechen, die aus ihrem Land auch während der Arbeit eine warme und herzliche Atmosphäre gewohnt sind, ebenfalls vor Herausforderungen stellen. Zum Beispiel könnten Tschechen überrascht sein, wenn es nicht nur der Chef ist, der klare Erwartungen an sie formuliert, sondern die eigenen Kollegen ebenso daran interessiert sind, dass jedes Glied in der Kette reibungslos funktioniert.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Tschechen in Deutschland

Grundsätzlich ist es nach dem EU-Freizügigkeitsrecht in Tschechien ohne Weiteres möglich, in Deutschland zu leben und zu arbeiten. Sie profitieren von einem organischen europäischen Binnenmarkt, der in puncto Handelsaktivitäten zu den attraktivsten Märkten der Welt gehört. Ganz ohne Vorschriften funktioniert dies dennoch nicht. So müssen sich Tschechen nach 90 Tagen Aufenthalt beim Einwohnermeldeamt registrieren lassen und einen festen Wohnsitz in Deutschland nachweisen.

Eine Vorbereitung ist unerlässlich

Tschechische Arbeitnehmer sollten sich bei aller Euphorie über den erwarteten Lebensstandard darüber bewusst sein, dass sie bei einem Umzug nach Deutschland ihre heimatliche Komfortzone verlassen und sich auf ein Abenteuer einlassen, das sie vor zahlreichen Herausforderungen stellen wird. Vor allem kommt es bei der Vorbereitung auf den neuen Lebensabschnitt darauf an, sich ein Sprachniveau anzueignen, das zur Kommunikation befähigt.

Punkten können Tschechen mit der Aneignung interkultureller Kompetenzen, indem sie sich mit den Wertvorstellungen und der Arbeitskultur in Deutschland vertraut machen. Vor dem Übertritt sind außerdem Kenntnisse in puncto Arbeitsgesetze und Steuersystem erforderlich, wobei ein Steuerberater oder eine Beratungsstelle helfen kann. Wer abschließend die Besonderheiten des deutschen Arbeitsmarktes und die Branchen kennt, in denen händeringend nach Fachkräften gesucht wird, ist bei der Jobsuche im Vorteil und findet schneller eine attraktive Stelle.