„Trotz Herausforderungen positiv in die Zukunft schauen“

Dr. Jürgen Fischbach neuer Geschäftsführer beim Sauerland-Tourismus e.V.

„Es ist der große Verdienst von Thomas Weber, ehemaliger Geschäftsführer, dass er das Sauerland nach innen zusammengebracht hat. Und er hat auch den Begriff des neuen Sauerland-Bildes mitgeprägt. Für mich ist es einfach, sein Nachfolger zu sein, denn wir haben schon lange zusammengearbeitet und dachten auch sehr ähnlich“, so blickt Dr. Jürgen Fischbach, seit Anfang Oktober der neue Geschäftsführer beim Sauerland Tourismus e.V., zurück auf seinen Vorgänger Weber. Das WOLL-Magazin hatte vor einigen Tagen ein Interview mit ihm.

Der Nachfolger von Thomas Weber

WOLL: Wenn wir von Thomas Weber sprechen: Was ist in Ihren Augen sein größter Verdienst?

Dr. Fischbach: Sein größter Verdienst ist, dass er das Sauerland nach innen zusammengebracht hat. Er hatte die Fähigkeit zum Netzwerken, zur Motivation von Partnern und auch dazu, unterschiedliche Akteure zusammenzubringen. In den ersten Jahren hat sich der Sauerland Tourismus sehr stark um den Außenmarkt gekümmert. Mit Thomas Weber haben wir angefangen, viel stärker nach innen zu arbeiten. Was können wir für die Region, für die Bürger und auch für die Gäste machen, war unsere zentrale Frage. Und das will ich mit meinem Team auch in den nächsten Jahren so beibehalten.

WOLL: Haben Sie ein Beispiel, wie die Region mitgeprägt wurde?
Dr. Fischbach:
„Das prägendste Beispiel war für mich das Thema Rothaarsteig. Weber war der Erfinder des Rothaarsteiges oder überhaupt des neuen, modernen Wanderns. Wandern war ein Stück weit wirklich unmodern geworden. Und auch durch die Fotografie, unter anderem von Klaus-Peter Kappest, ist der Rothaarsteig der Topwanderweg in Deutschland. Der Rothaarsteig hat natürlich mehrere Väter, aber Weber hat die Initiative ergriffen und die Akteure zusammengebracht.

WOLL: Wie schwierig ist es für Sie, sein Nachfolger zu sein?
Dr. Fischbach:
Eigentlich relativ einfach. Wir haben lange zusammengearbeitet und sind auch sehr ähnlich. Auch die Voraussetzungen, die es braucht, um das moderne Sauerland zu leben, haben wir durchaus gemeinsam in den Jahren geschaffen. Insofern geht es jetzt darum, dass auf die Straße zu bringen und auch wirklich durch die Krise zu bringen. Ich freue mich über unser Netzwerk und das kooperative Miteinander, was wir hier in der Region haben. Und dabei denke ich auch an die wichtige Arbeit der Ehrenamtlichen in der Region. Für alle Bereiche gilt: Ohne Ehrenamt geht es nicht. Wir arbeiten für den Lebensraum. Das gilt übrigens genauso für den Bereich Naturraum. Ohne die ganzen Akteure werden wir die Qualität, von dem, was wir Gästen hier bieten, nicht aufrechterhalten können.

WOLL: Sie wollen an die erfolgreiche Arbeit der letzten Jahre anknüpfen und den Weg zu einer deutschlandweiten Outdoorregion weitergehen. Was bedeutet das und können Sie Beispiele nennen?
Dr. Fischbac
h: Wir werden das Sauerland nicht umkrempeln können und wollen das auch nicht. Wir sind ein Mittelgebirge und ein Waldgebiet. Im Prinzip leben wir von allen Freizeitaktivitäten, die man draußen machen kann. Das ist genau das, was wir mit der Outdoorregion wollen. Was sich verändert hat, ist, dass es nicht mehr die klassische Aufteilung gibt, die es vielleicht früher noch gab: auf der einen Seite die Wanderer und auf der anderen Seite die Radfahrer. In dieser Zeit sind die Menschen heute als Mountainbiker unterwegs und morgen als Wanderer. Es geht viel stärker darum, das Sauerland als Kulisse des Mittelgebirges darzustellen. Ein wunderschöner Raum, um sich freizeitmäßig zu betätigen und das mit einer hohen Qualität: mit der Wanderinfrastruktur, mit der Rad-Infrastruktur und den ganzen Ausflugszielen.

Das alles wird nicht zuletzt durch das Ehrenamt gehalten. Ich denke hier an den ganzen Wegebereich, in dem wir wirklich in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren ganz massiv gepunktet haben. Wir hatten einen der ersten Qualitätswanderwege. Damit hat sich das Sauerland schon ein Stück weit von anderen absetzen können.

WOLL: Was werden Sie jetzt anders machen als ihre Vorgänger?
Dr. Fischbach:
Ich finde, dass wir auf einem sehr guten Weg sind – mit dem modernen Sauerland, wie wir es auch nach dem Strategieprozess ausgerichtet haben. Ich habe nicht vor, etwas grundsätzlich anders zu machen. Ich stehe zu einhundert Prozent hinter der Richtung, die der Sauerland Tourismus e.V. eingeschlagen hat. Daran werden wir auch festhalten. Die letzten Jahre haben wir die Strategie erarbeitet und die Produkte weiter modernisiert. Wir haben in diesem Jahr auch viel an touristischem Content erstellen können. Wir haben Videos produziert. Wir haben eine ganze Menge an Fotomaterial neu dazu bekommen. Damit sind wir wirklich perfekt aufgestellt, um dieses neue Sauerlandbild auch nach draußen zu dokumentieren.

Nach einer Zeit nicht-sichtbaren Marketings wollen wir jetzt mehr auf die Straße bringen. Das ist sicher für das Gastgewerbe notwendig wegen der Themen Arbeitskräfte und Fachkräfte. Wir wollen daher auch außerhalb der Region stärker kommunizieren und deutlich machen, wie cool es sein kann, in so einer Umgebung zu arbeiten. Damit hoffen wir, Fachkräfte dafür zu begeistern, in die Region zu kommen. Fachkräfte und Arbeitskräfte fehlen überall, da unterscheiden wir uns nicht von anderen Regionen. Aber gefühlt ist es bei uns im Sauerland schöner. Und darum wollen wir an der Herausforderung arbeiten und die Gastgeber so unterstützen.


Zukunft Sauerland

WOLL: Wie ist die Lage in vielen Regionen des Sauerlandes nach zwei Corona-Jahren und mitten in der Energiekrise?
Dr. Fischbach:
Um es auf den Punkt zu bringen: herausfordernder als je zuvor. Corona und die Folgen alleine hätten ja schon gereicht. Dazu dann der Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel. Dann kam das Thema Waldkalamität noch dazu, was auch unsere Landschaft ganz grundsätzlich verändern wird. Das Thema wird uns im Zusammenwirken mit den Wald- und Forstakteuren noch einige Jahre beschäftigen. Ich denke auch an die Flutkatastrophe und die Autobahn A45. Und dann kommt jetzt das Thema Energiekrise. Das in der Summe reicht im Moment. Nichtsdestotrotz muss man sagen, dass wir, sprich, insbesondere das ganze Gastgewerbe, relativ gut dadurch gekommen sind. Was es für das Gewerbe schwierig macht, ist, dass im Moment jede Planbarkeit fehlt. Und es ist extrem schwierig mehr als 14 Tage im Voraus zu planen. Gäste oder potentielle Gäste reagieren natürlich sensibel auf das Thema gestiegene Lebenshaltungskosten. Alle warten auf die Nachricht vom Energieversorger. Das betrifft das Gastgewerbe genauso. Auch die können im Moment kaum Preise kalkulieren. Wie will ich für Januar oder Februar einen Zimmerpreis machen, wenn ich gar nicht weiß, wie hoch die Energiekosten dann sind. Zu welchen Konditionen kann ich meine Lebensmittel einkaufen? Habe ich überhaupt noch genügend Personal, um das zu bewältigen? Und kommen die Gäste? Es ist extrem schwierig. Und daher für uns als Sauerland Tourismus auch ganz klar die Aufgabe, jetzt alles dafür zu tun, möglichst viele Menschen zu begeistern, ins Sauerland zu kommen. Und dann auch zu schauen, ob es Möglichkeiten gibt, Menschen außerhalb, zum Beispiel im Rheinland oder in den Niederlanden und darüber hinaus, zu überzeugen. Wir denken gar nicht so sehr an internationale Märkte, sondern erst einmal an das Potenzial in Deutschland, zum Beispiel Großstädte, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Deutlich schwieriger wird es Richtung Süddeutschland, südlich von Hessen. Aber da helfen uns dann wieder diese Top-Produkte, wie Rothaarsteig, Bike- oder Trailparks. Dort geht es nicht so sehr um die Region Sauerland, sondern um das konkrete Produkt. Das wird für den Sauerland Tourismus auch ein Schwerpunkt sein. Im kommenden Jahr wollen wir das deutlich anders machen als in der Vergangenheit. Wir werden schauen, dass wir unsere Gastwirte deutlicher in den Vordergrund stellen. Die Gastbetriebe haben viel in die regionale Baukultur investiert. Das begrüßen wir sehr und das wollen wir noch stärker ins Schaufenster stellen. Es geht nicht nur darum, dass man im Sauerland vieles machen kann, sondern auch dass man hier lecker essen und perfekt schlafen kann. Das ist auch etwas, was uns von anderen Regionen, neben der wunderbaren Kulisse der Landschaft, unterscheidet.

WOLL: Stichwort Kulisse: Zum Bild der Landschaft gehören in Zukunft vielleicht gigantische Windindustrieanlagen. Da gibt es vom Tourismus nur vage Stellungnahmen. Wie steht der neue Geschäftsführer zu diesem Thema?
Dr. Fischbach: Ich erwarte eine Konzentration und ein bewusstes Auswählen der Standorte. Das ist das, was wir auf jeden Fall erreichen sollten. Ich kann im Moment nicht einschätzen wie hoch die Fülle an Anträgen bei den Kommunen ist. Ich hoffe schon, dass die Genehmigungsbehörden auch ein Bewusstsein für das Landschaftsbild haben und im Rahmen ihrer Möglichkeiten versuchen, ihren Einfluss geltend zu machen. Die bekannte IHK-Studie hat klar gezeigt, dass die Akzeptanzwerte für Windräder deutlich sinken, wenn einfach überall was steht, und gar keine Bündelung mehr erfolgt.

WOLL: Wie blicken Sie in die Zukunft, wenn es ums Sauerland als Region geht?
Dr. Fischbach:
Trotz der ganzen Herausforderung, die wir noch bewältigen müssen, glaube ich, dass wir mit unserer qualitativ hochwertigen Branche relativ positiv in die Zukunft schauen können. Wenn jetzt nicht noch neue Schläge ins Kontor fallen, dann werden wir relativ gut durchkommen. Ein Stück weit hat auch Corona dazu beigetragen, wir haben ganz viele neue Gäste für die Region Sauerland gewonnen. Und wer einmal hier war, der kommt auch wieder, allein aufgrund der hohen Qualität und der hohen Zufriedenheit, die man mitnimmt. Das alles lässt uns positiv in die Zukunft blicken.

WOLL: Zum Schluss. Was sind ihre vier Lieblingsplätze im Sauerland: in Olpe, im HSK, Soest und Märkischer Kreis und auch in Siegen-Wittgenstein?

Dr. Fischbach: Im Kreis Olpe ist es der Biggeblick, wo ich gerne abends auch privat mal hinfahre. Im Hochsauerlandkreis sind es die Bruchhauser Steine bei Olsberg-Bruchhausen, im Kreis Soest der Möhnesee-Turm oder die Altstadt von Soest. Im Märkischen Kreis alles rund Wocklum mit dem Schloss und in Siegen-Wittgenstein das Dorf Müsen bei Hilchenbach mit dem Bergwerk.

WOLL: Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei all ihren Aufgaben.