Wasserausschank am Ballotsbrunnen
Eine alte Brauchtumspflege im Iserlohner Stadtwald
Jedes Jahr am zweiten Pfingsttag sind früh ab sechs Uhr Hunderte muntere Iserlohnerinnen und Iserlohner, aber auch Auswärtige, im Iserlohner Stadtwald unterwegs. Alle bewegen sich zum Ballotsbrunnen oberhalb des Rupenteichs. Nur einmal im Jahr wird der Brunnen geöffnet und sein Wasser wird vom Königspaar und Hofstaat des Iserlohner Bürger-Schützen-Vereins ausgeschenkt. Um dieses Wasser ranken sich alte Sagen. Bis heute ist die Ansicht verbreitet, dass ich ein Jahr länger leben werde, wenn ich ein Glas des Wassers getrunken habe. Die Bestätigung der heilkräftigen Wirkung des Wassers erhalte ich, wenn ich im Jahr darauf wieder zum Brunnen komme. In Flaschen wird das Wasser auch für Kranke und für Personen, die nicht am Brunnen sein können, nach Hause getragen.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die Heiden den Quell der Göttin Freia geweiht hatten. Um ihnen im 9. Jahrhundert den Übertritt zum Christentum zu erleichtern, wurde der Quell der Jungfrau Maria geweiht. Von dieser Zeit an wurde der Quell „Juffernspring“ genannt. Die Umbenennung und Umgestaltung der freien Quelle in den gemauerten „Ballotsbrunnen“ geschah im 17. Jahrhundert, als der Iserlohner Bürger Heinrich Ballot den Brunnen und das umliegende Wiesengelände pachtete und Bleichen für die Wäsche anlegte.
Wieder in die Gegenwart: Zu einem Juffernspring gehören jungfräuliche Elfen, die vor dem ersten Sonnenstrahl am kühlen Morgen ihren Tanz aufführen. Das besorgen traditionsgemäß verschiedene Tanzschulen aus Iserlohn. In mehreren Darbietungen zwischen sechs und acht Uhr tanzen die jungen Damen auf der Wiese am Rupenteich zur Freude der Zuschauenden.
Nach dem heilkräftigen Trunk des Ballotsbrunnenwassers dürstet es die Wanderlustigen nach mehr Geschmack im Getränk. Dazu besteht die erste Gelegenheit nach dem Aufstieg zum Danzturm. Hier wird in und vor der Gaststätte ein Frühstück oder ein frisch gezapftes Pils gereicht, begleitet von den Klängen einer Jazzband. Wer jetzt noch Lust und Kraft hat, wandert durch die vom Frühling begrünten Wälder zum Forsthaus Löhen oberhalb des Lägertals. Dort lässt es sich – vorausgesetzt, das Wetter spielt mit – bis zur Zeit, da die Sonne im Zenit steht, im Garten bei Musik, Speisen und Getränken aushalten. Ist dann die heilsame Wirkung des Brunnenwassers bei dem einen oder der anderen vielleicht schon wieder aufgehoben? Egal, die Freude, frühmorgens am zweiten Pfingsttag in frischer Luft Freunde und Bekannte zu treffen, überwiegt. Wer gerne das alte Iserlohner Brauchtum erleben möchte, sollte sich in diesem Jahr am 20. Mai früh auf den Weg machen – und auf gutes Wetter hoffen.