Tobias Lautwein: Bodenständiger Ausnahmeathlet

Quelle: Sportograf, Chris Griener, privat

Der 38-jährige Altenhofer zählt zur Weltspitze des innovativen HYROX-Sports. In seinem Beruf als Sonderpädagoge bringt er seine Erfahrungen aus dem Leistungssport ein, um seine Schülerinnen und Schüler zu motivieren. Sein Credo: „Anstrengung lohnt sich!“

Ein kleines Schleich-Pferd steht symbolisch für Tobias Lautweins größten sportlichen Triumph. „You are the fastest horse in the world“ – mit diesen bewundernden Worten überreichte ihm der entthronte HYROX-Weltmeister 2021 das Spielzeugpferd und zollte dem neuen Champion damit seinen Respekt. Heute ist das kleine Pferd ein liebgewonnenes Spielzeug für seine vier Kinder, die zwischen zwei und sieben Jahre alt sind. Dass Tobi einmal Sport auf Weltklasseniveau betreiben würde, verdankt er sicherlich einerseits seinem jahrelangen Training und andererseits seiner sympathischen Bodenständigkeit.

Der gebürtige Rheinland-Pfälzer war schon von Kindesbeinen an sehr sportlich unterwegs: Seine Eltern betrieben erfolgreich Leichtathletik bei der LG Sieg, wo sie sich auch kennenlernten, und nahmen Tobias und seine beiden Geschwister mit zum Vereinstraining. Seine Mutter spielte zudem Badminton. „Wir sind mit Sport aufgewachsen“, erinnert sich Tobias. „Bewegung war bei uns selbstverständlich und fest in den Alltag integriert. Ich hatte einen enormen Bewegungsdrang, den ich beim Leichtathletik-Training voll ausleben konnte. Gern begleitete ich auch meine Mutter bei Wettkämpfen oder Waldläufen und spielte seit meinem sechsten Lebensjahr Fußball, in der B-Jugend sogar in der Landesliga.“Als 16-Jähriger wechselte er aufgrund von Knieproblemen zum Radsport. 15 Jahre lang war dies die sportliche Heimat des Altenhofers. In den letzten fünf Jahren seiner Radsportkarriere betrieb Tobias diesen Sport sogar semiprofessionell und absolvierte ein intensives Trainingspensum von bis zu 25 Stunden pro Woche. Zu seinen Konkurrenten gehörten heutige Tour-de-France-Fahrer wie Tony Martin und Simon Geschke. „Der ‚Motor‘, diese Grundfitness, die mir im HYROX-Sport heute zugutekommt, stammt ohne Frage aus dieser Zeit“, resümiert der Athlet rückblickend.

Quelle: Sportograf, Chris Griener, privat

Deutscher Meister im Duathlon

Mit der Zeit ließ die Begeisterung für den Radsport nach, denn der Aufwand, noch bessere Trainingserfolge zu erzielen, wurde enorm. So wechselte Tobias Lautwein zum Duathlon, einer Ausdauermehrkampfsportart, bei der Laufen, Radfahren und erneut Laufen kombiniert wird. Mithilfe eines geliehenen Zeitfahrrads trat er 2016 in Alsdorf zu den Deutschen Meisterschaften der Kurzdistanz an. „Ich wollte mir kein teures Zeitfahrrad kaufen. Ich dachte, das lohnt sich nicht“, erzählt er schmunzelnd. Im Nachhinein könnte man meinen, dass sich die Anschaffung wohl durchaus gelohnt hätte, denn auch mit geliehenem Rad wurde er Deutscher Meister. Ein Jahr später kann er seinen Erfolg wiederholen. Auch Hindernisläufe, welche die Sportlerinnen und Sportler durch unwegsames und oft auch schlammiges Gelände führen, standen zu dieser Zeit auf seinem sportlichen Programm und stärkten seine Vielseitigkeit als Ausdauersportler.

Familienvater, Leistungssportler und Pädagoge mit zwei Studienabschlüssen

„Ich bin ein Mann der Extreme“, fasst er lächelnd seinen Werdegang zusammen. „Das habe ich meiner Frau bei der Hochzeit schon gesagt.“ Inzwischen sind die beiden Eltern von vier Kindern. Dass Tobias nicht nur im Sport außergewöhnliche Ziele verfolgt, zeigt auch seine berufliche Laufbahn – ein Studienabschluss reichte ihm nicht aus. Seinen Sport betrieb Tobias ausschließlich nebenberuflich. Nach seinem Abitur 2006 und anschließendem Zivildienst studierte er Grundschullehramt, welches er 2013 mit dem Referendariat in Siegen abschloss. An der Grundschule „Am Kohlberg“ in Meinerzhagen trat er im selben Jahr seine erste Stelle an. „Ich habe mich bewusst für eine Stelle als Sonderpädagoge beworben, da mich diese Arbeit mit den Kindern schon immer sehr interessiert hat. So habe ich auf dem zweiten Bildungsweg ein Referendariat als Sonderpädagoge absolviert. Wenn ich etwas mache, dann auch richtig“, beschreibt er seinen beruflichen Werdegang. Heute arbeitet er an der Grundschule Am Kohlberg in Meinerzhagen und der Ebbeschule in Valbert im sogenannten Gemeinsamen Lernen, bei welchem Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen gemeinsam in einer Klasse entsprechend ihren Voraussetzungen unterrichtet werden. Seine Leidenschaft für den Beruf ist spürbar: „Bei meiner Arbeit kann ich die Kinder motivieren, fördern und weiterbringen. Dabei helfen mir meine Erfahrungen im Sport sehr. Ich kann den Schülerinnen und Schüler ein Vorbild sein und zeigen, dass sich Anstrengung lohnt und man mit kleinen Schritten und einer positiven Einstellung viel erreichen kann. Auch wenn nicht immer alles glatt läuft.“ Dass Tobias selbst mit Herausforderungen zu kämpfen hat, zeigt sein Umgang mit einer Speiseröhrenerkrankung, die ihn in seiner Ernährung und Gesundheit beeinträchtigt. Dennoch lässt er sich davon weder privat noch sportlich oder beruflich ausbremsen.

Quelle: Sportograf, Chris Griener, privat

Mit Bodenständigkeit zu Höchstleistungen

Es ist kein Zufall, dass Tobias Lautweins Leitspruch von Bescheidenheit und Dankbarkeit geprägt ist: „Habe Hoffnungen, aber niemals Erwartungen. Dann erlebst du vielleicht Wunder, aber niemals Enttäuschungen.“ Dieser Satz, ursprünglich von Franz von Assisi, beschreibt die Haltung, die ihn trotz aller Erfolge erdet. Tobias betreibt seinen Sport aus reiner Freude an der Bewegung – nicht um Sponsoren anzuziehen oder seine Social-Media-Präsenz zu steigern. Wobei die sozialen Netzwerke ihn erst zu seiner aktuellen sportlichen Leidenschaft inspiriert haben. „Vor fünf Jahren sah ich auf Instagram erste Videos und Berichte zu der innovativen und bis dato noch sehr unbekannten Sportart HYROX“, erinnert er sich. HYROX ist ein Wettkampfformat, bei dem acht Fitness-Stationen mit jeweils einem anschließenden 1.000-Meter-Lauf verbunden werden. Die Übungen an den einzelnen Stationen führen Ausdauer- und Kraftsport zusammen. Tobias wagte einen ersten Wettkampf und war sofort Feuer und Flamme. Er trainierte für weitere Wettkämpfe und trat 2021 bei den „World Championships of Fitness“ in Leipzig an, wo er als „German skinny guy“, wie ihn viele amerikanische Athleten aufgrund seiner drahtigen Statur nennen, überraschend die Weltelite hinter sich ließ.Im darauffolgenden Jahr sicherte er sich den europäischen Titel und landete im Oktober dieses Jahres unter den Top Ten bei der HYROX-Major-Challenge in Amsterdam.Sein sportlicher Kalender bleibt aufregend: Im April kommenden Jahres steht ein Wettkampf in Barcelona an – ein möglicher Schritt zur nächsten Weltmeisterschaft, aber für Tobias kein Muss. Ganz im Sinne seiner Einstellung bleibt er gelassen: Große Ziele, ja – aber ohne Erwartungen.

Mit großem Einsatz und großem Herzen

„Ich bin sehr dankbar, dass ich in meinem Alter noch Sport auf diesem Niveau machen kann und genieße daher jeden Wettkampf. Allerdings trainiere ich nicht mehr so exzessiv wie früher. Meine Prioritäten haben sich verschoben – meine Familie und die Zeit mit meinen Kindern stehen an erster Stelle.“So sind Tobias‘ Zukunftspläne auch sehr bodenständig: „Ich möchte möglichst viel Zeit mit meiner Familie verbringen und mich in meinem Beruf weiterentwickeln, den ich als Berufung empfinde. Und wenn ich deshalb meinen Sport etwas weniger intensiv betreiben kann, ist das völlig in Ordnung.“Tobias Lautwein vereint großen Einsatz mit einem großen Herzen, indem er trotz sportlicher Erfolge seine Prioritäten auf Familie und Beruf setzt und jeden Wettkampf mit Dankbarkeit genießt.