„Streaming“ mit MrSoulcreek – Entertainment 2.0

Der Kirchhundemer Eric Selbach unterhält als MrSoulcreek auf der Plattform „Twitch“ seine Zuschauer mit Videospielen und trifft damit den Nerv der Zeit. Mittlerweile hat er damit sein Hobby zum Beruf gemacht.

Montagabend. Feierabend. Endlich Zeit für Entspannung. Während die einen den Fernseher einschalten und sich von den Simpsons oder einer Quizshow unterhalten lassen, nutzen inzwischen viele Online-Plattformen, wie „YouTube“ oder „Twitch“, um Streamern bei ihrer Arbeit zuzuschauen. Eric Selbach alias MrSoulcreek ist einer von ihnen und verdient mit Streams sein Geld. Seit nunmehr einem Jahr ist er selbstständig.

Wenn Sie bei diesen neuen und zumeist englischen Begriffen bisher nur Bahnhof verstanden haben, geht es Ihnen ähnlich wie uns vor unserem Interview mit dem 26-Jährigen. Danach waren wir schlauer – so wie Sie am Ende dieses Artikels hoffentlich auch.

Anderen beim Videospielen zuschauen

„Im Prinzip biete ich meinen Zuschauerinnen und Zuschauern Unterhaltung, indem ich Videospiele spiele und das kommentiere. Meist nutze ich Spiele aus dem Fantasygenre. In diese bunten Welten kann man abtauchen und den Alltag für eine Zeit hinter sich lassen“, erzählt der gelernte Elektroniker.

Schon als Jugendlicher ist Eric fasziniert von Videospielen, beispielsweise liebt er das Abenteuerspiel „Jak and Daxter“. Er schaut im Netz, wie andere „sein“ Spiel spielen, holt sich Tipps und Inspirationen. Dazu nutzt er „YouTube“ und „Twitch“. Das sind Plattformen, auf denen Videos hochgeladen oder live übertragen werden („streamen“). Bis er jedoch selbst einen Kanal betreiben würde, sollten noch ein paar Jahre vergehen.

Corona: Zeit für Neuorientierung

Nach dem Abitur am Gymnasium der Stadt Lennestadt im Jahr 2014 absolvierte Eric eine Ausbildung zum Elektroniker bei der LEWA in Attendorn. „Technik begeisterte mich schon als Kind. Und da der Studiengang „Videospieldesign“, den ich eigentlich gern besucht hätte, nur an teuren Privatunis angeboten wurde, entschied ich mich für einen technischen Beruf“, erinnert sich der Streamer.

Nach der Ausbildung bleibt Eric bei der LEWA, sammelt Berufserfahrung, schnuppert in ein BWL-Studium, welches ihm jedoch nicht liegt, kehrt zurück zu seinem alten Arbeitsgeber. Seine Begeisterung für Videospiele und Streaming lebt er weiterhin als Hobby aus. Doch dann kommt die Coronapandemie. Wie bei vielen Menschen bringt das Virus das Berufsleben von Eric durcheinander. Sein Vertrag wird nicht verlängert, er bewirbt sich bei zahllosen Betrieben – erfolglos. Ablenkung bietet ihm das Internet. Er arbeitet sich immer tiefer in die Streaming-Materie ein, eignet sich umfassendes Wissen an und gibt so seiner beruflichen Zukunft eine neue Richtung.

„MrSoulcreek“ geht online

Im Oktober 2020 hält Eric seinen ersten Stream. 90 Minuten ist er als MrSoulcreek live zu sehen. Eine Handvoll schaut zu, als Eric „Gothic 2“, ein Spiel aus seiner Kindheit, spielt. „Das war und ist bis heute ziemlich anstrengend. Ich muss auf die richtigen technischen Einstellungen achten, das Spiel spielen, auf Textnachrichten im Chat reagieren und in einer fremden Sprache moderieren. Da ich eine große Masse ansprechen möchte und viele der Zuschauenden aus dem englischsprachigen Raum kommen, spreche ich Englisch. Das war eine große Herausforderung. Mittlerweile fällt es mir leichter, da ich meinen ganzen Arbeitstag lang Englisch spreche“, erzählt MrSoulcreek. Sein Name ist übrigens die freie Übersetzung seines „richtigen“ Nachnamens.

Er bekommt viel Zuspruch aus dem Netz, ist schnell erfolgreich und macht sich als Streamer auf der Plattform „Twitch“ im Januar 2021 schließlich selbstständig. „Dabei konnte ich immer auf die Unterstützung meiner Familie bauen, auch wenn sie anfangs ziemlich skeptisch war“, erinnert er sich mit einem Augenzwinkern.

Marketing, Kundenbindung, Entertainment

„Mein Arbeitstag beginnt gegen 10 Uhr morgens. Online treffe ich mich mit Keith, einem befreundeten Streamer aus South Carolina. Wir unterstützen uns gegenseitig, streamen zusammen etwas und machen Werbung für den jeweils anderen. Von 13 Uhr bis 19 Uhr sende ich auf meinem Kanal, spiele meistens sogenannte Klassiker oder Spiele von unabhängigen Entwicklern, die nicht von vielen Streamern gezeigt werden. Da sehe ich meine Nische. Es gibt viel Konkurrenz auf dem Markt. Da muss man sich durchsetzen“, berichtet Eric.

Nach seiner Onlinezeit ist der Arbeitstag noch nicht vorbei. Er muss sich um seine Follower, also Nutzerinnen und Nutzer, die regelmäßig seine Übertragungen schauen, kümmern: Er chattet mit ihnen, tauscht sich über die Spiele aus, hält Kontakt. „Kundenbindung“ würde ein Wirtschaftsunternehmen das nennen. Doch für Eric sind seine Zuschauer weniger anonyme Kunden als gute Bekannte. Manche bezeichnet er sogar als Freunde, schickt ihnen Weihnachtsgrüße – vom Sauerland auf die Philippinen.

Somit ist der 26-Jährige Entertainer, Manager und Marketingexperte in Einem – ein Job, der technisches Know-how, Multitaskingfähigkeiten, Kreativität und Entertainerqualitäten fordert. Leicht verdientes Einkommen sieht anders aus.

Streaming als Einkommensquelle

„Geld verdiene ich auf drei verschiedene Arten: zum einen laufen vor meinen Übertragungen Werbeclips, zum anderen können die Zuschauerinnen und Zuschauer Abos abschließen. Damit wird für sie mein Kanal werbefrei und sie haben Zugriff auf selbstgestaltete Emotes, eine Art besonderer Emojis, von mir. Schließlich kann man mir Direktspenden zur Unterstützung zukommen lassen“, so Eric.

Mit knapp 500 Followern aus aller Herren Länder im Alter von 18 bis 70 Jahre ist Eric seinem Traum, langfristig vom Streaming leben zu können, schon viel nähergekommen. Er betont: „Man muss Leidenschaft, Geduld und Durchhaltevermögen mitbringen, die Größe der Zuschauergemeinde wächst langsam. Bist du unmotiviert, merken das die Zuschauer sofort – als Streamer hast du dann keine Chance.“ Diese Gefahr besteht bei Eric augenscheinlich nicht.

Und wer weiß, vielleicht lässt der eine oder die andere abends mal MrSoulcreek statt Homer Simpson in sein Wohnzimmer … ?