St. Dionysius Rahrbach

Seelenort Lichterkirche mit 550-jährigem Glockenjubiläum

Vollkommene Stille und musikalische Klänge – düstere Schlichtheit und farbenprächtiges Licht – diese Gegensätze prägen St. Dionysius im Kirchhundemer Ortsteil Rahrbach. Im Jahr des 550-jährigen „Geburtstags“ der beiden ältesten Glocken der Kirche planen Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat die Weiterentwicklung des Sauerland Seelenortes.

Reinhard Tillmann, der für St. Dionysius zuständige Erzählpate, hebt die beiden Punkte hervor, die Besucher besonders begeistern: „An erster Stelle wird immer die Stille genannt und an zweiter Stelle das intensive, farbige Licht, das vor allem an einem sonnigen Morgen durch die Fenster scheint.“ Und tatsächlich verstummen mit dem Eintreten in den bald schon 750 Jahre alten Kirchenraum alle Umgebungsgeräusche vollkommen. Selbst die Schrittgeräusche wirken gedämpft. Wenn etwas erklingt, dann sind es die musikalischen Töne der alten Glocken und der außergewöhnlichen Orgel. Die Farbenpracht der Buntglasfenster von 1958 erstrahlt vor allem bei Morgensonne und bildet einen erfrischenden Kontrast zur Schlichtheit der Kirchengestaltung.

Der Weg zur Seelenort-Lichterkirche

Als in der Coronazeit die Christmette nicht stattfand, boten die Rahrbacher eine offene Kirche an. Bis Mitternacht konnten Besucher zur Krippe kommen, wann immer es ihnen passte. Eine extra entwickelte, stimmungsvolle Beleuchtung sorgte für die besinnliche Atmosphäre. Veronika Vielhaber vom Pfarrgemeinderat schwärmt davon, wie gut das Konzept ankam: „So, wie ich Zeit habe, hingehen und einfach da sein – das ist es, was Gläubige heute suchen.“ Von diesem Erfolg motiviert, haben die Rahrbacher entschieden, beim zuständigen Erzbistum in Paderborn Fördermittel zu beantragen, um St. Dionysius dauerhaft zu einer Seelenort-Lichterkirche weiterzuentwickeln.

Die Vision von Licht und Klängen

Schon heute ist die Kirche tagsüber frei zugänglich. Wenn die Mittel zur Ausgestaltung als Lichterkirche vom Erzbistum Paderborn bewilligt werden, wartet auf die Besucher bald im Eingangsbereich unter dem alten Turm ein dezent angebrachtes Touchpad. Darauf kann gewählt werden, welche Impulse am besten zum eigenen Seelenzustand passen. Unter anderem Stichworte wie „Seelenfrieden“, „Seelenfeuer“ und „Seelenwärmer“ werden dort zu finden sein. Passend zur gewählten Stimmung wird dann die Kirche ganz individuell ausgeleuchtet. Auf Wunsch kommen die Klänge der Orgel hinzu.

Ein Jahrhunderte umfassendes musikalisches Spektrum

In den Jahren 1701/02 bekam St. Dionysius eine Barockorgel voller Tonschönheit und Klangvielfalt. Der Organist Philipp Weber beschreibt, welche auf dieser Orgel eingespielte Musik Besucher in Zukunft per Touchpad als Aufzeichnung abrufen können sollen: „Barockmusik passt natürlich am besten zur barocken Orgel, aber auch Renaissancemusik, denn einige ältere Orgelpfeifen stammen noch aus der Zeit der Renaissance.“ Weit darüber hinaus wird die Auswahl an abrufbaren Stücken bis in die Gegenwart reichen – bis zu Filmmusik wie dem Federthema aus „Forest Gump“. Neben Licht und Orgelmusik sollen Besucher auf Wunsch auch sprachliche Impulse zu verschiedenen spirituellen Themen abrufen können.

Glockengeburtstag

Abgerundet wird das akustische Kirchenerlebnis durch jenen Glockenklang, den schon so viele Generationen von Rahrbachtalern durch fünf Jahrhunderte gehört haben. Der Glockengießermeister Johann von Dortmund kam 1474 nach Rahrbach, um die Dionysius- und Marienglocke zu gießen. Vermutlich geschah der Glockenguss tatsächlich direkt vor Ort in Rahrbach, weil ein Transport schwerer Glocken durchs Sauerland des 15. Jahrhunderts nicht nur aufgrund der sumpfigen Wege äußerst beschwerlich gewesen wäre. Auch die vielen Zollschranken im von Kleinstaaterei geprägten Deutschland des ausgehenden Mittelalters hätten einen Glockentransport unbezahlbar gemacht. Nur wenige noch ältere Glocken sind im Sauerland erhalten geblieben – die ältesten vermutlich in Sundern-Stockum.

Die zweite Geburt der Glocken

Fast wäre den Rahrbacher Glocken der Zweite Weltkrieg zum Verhängnis geworden. Am 6. Juli 1942 wurden Dionysius und Maria abgehängt, um eingeschmolzen zu werden, obwohl ihr Material mit einem relativ hohen Zinngehalt für die Waffentechnik jener Zeit kaum tauglich war. Der damalige Kreishandwerksmeister Rogge aus Olpe erkannte in der Maßnahme eine militärisch sinnlose Machtdemonstration der Nationalsozialisten zu Lasten der katholischen Kirche. Mutig versteckte er die Glocken und so konnten sie nach Kriegsende in ihren Turm zurückkehren. Ein Klangverschleiß ist bei ihnen nicht zu bemerken. Trotzdem müssen die alten Schätze etwas geschont werden. 1974 – zu ihrem 500. Geburtstag – wurden sie um 90 Grad gedreht, damit der Schlegel nicht immer an die gleiche Stelle schlägt und sie weitere 500 Jahre halten. So schlägt Maria heute immer noch die halbe und die volle Stunde, Dionysius ist die Totenglocke und zusammen mit einer dritten, jüngeren rufen sie gemeinsam zur Messe.