Sprengers kleines Schuhmuseum

Sprengers kleines Schuhmuseum

Nach 35 Jahren war Schluss: Im Dezember 2019 schloss Jörg Sprenger die Filiale an der Möhnestraße in Sichtigvor. Heute kann man im dortigen Schaufenster ein Schuh-Museum bewundern.

»Ich kaufte das Baugrundstück hier genau an meinem 30. Geburtstag und baute 1984 dann das Haus«, erzählt sein Vater Werner Sprenger. Dieser hatte das Schuhgeschäft während der ersten 17 Jahre gemeinsam mit seinem Bruder Willi geführt. Willi Sprenger ist gelernter Schuhmacher, für alles Wirtschaftliche war Einzelhandelskaufmann Werner Sprenger zuständig. Einzig ihren Bruder Siegfried hatte es in eine ganz andere Branche verschlagen.

Schon die Vorfahren der Brüder Sprenger waren im Schuhhandel tätig. »Mein Großvater hatte sich 1906 in Waldhausen als Schuhmacher niedergelassen«, erzählt der gebürtige Waldhausener, der schon als Kind immer mit im Laden war. Mit 15 Jahren begann er seine Ausbildung im Schuhgeschäft Zahn in Lippstadt. Der Grundstock für das Schuhmuseum war zu diesem Zeitpunkt allerdings schon längst gelegt. „Als ich sieben, acht Jahre alt war, fing ich an, unverkaufte Schuhe zu sammeln“, so Werner Sprenger. „Das war in unserem ersten richtigen Laden hier in Sichtigvor, im Gartenweg, 1961. Dort baute ich im Keller hinter den Öltanks ein Regal auf, worin ich die Schuhe sammelte.“

Zum ersten Mal bewegt wurde die Sammlung  tatsächlich erst 24 Jahre später. Und dann ging es nicht etwa in ein Schuhgeschäft, sondern in eine ehemalige Diskothek.

„Im alten Schröder-Haus Möhnestraße 92a war immer eine Gaststätte. Und da wo jetzt der Imbiss ist, war ein Pferdestall“, erzählt Werner Sprenger und lacht. Die Pferde wurden gut versorgt, damit sie ihre Herren nach dem Thekenbesuch gut nach Hause brachten.“ Von 1972-1982 zog die Diskothek »Buggy« dort ein. Später dann erwarb Werner Sprenger das Haus. Er selbst zog in das Nachbarhaus ein, dort wo sich heute die Praxis Dr. Hubertus Schmidt befindet.

„1985, genau an meinem 32. Geburtstag, entfernte ich den Kalk und Zement von der 16 Meter langen Theke im Buggy und baute dort zum ersten Mal mein Schuhmuseum auf.“ Sprenger hatte ehemalige Kollegen aus Lippstadt und Ahlen sowie Freunde und Verwandte eingeladen. Damals war er Geschäftsführer bei Zahn in Lippstadt, später in Ahlen. „Aber da wusste ich schon, dass ich nach Hause gehen würde“, berichtet Werner Sprenger. Und er versprach den Kollegen und Kolleginnen, einen tüchtigen Ausstand zu geben.„Es war eine tolle Fete“, erinnert er sich. „Mit etwa 100 Mann vor der Theke.“ Und schmunzelnd erzählt er weiter: „Und lange schallt´s im Buggy noch, Salamander lebe hoch!“

Heute kann die Sammlung, die aus insgesamt  … ….. Schuhen besteht, zum Teil im Schaufenster an der Möhnestraße bewundert werden. „Ich hatte mich immer so geärgert, wenn ich hier vorbeigefahren bin. Das war so ein totes Loch hier. Da dachte ich: Bis hier wieder was reinkommt, kann doch das Schuhmuseum rein.“ Am liebsten wäre es Werner Sprenger, wenn sich dafür ein Arzt finden würde. „Ist doch ideal hier für eine Praxis“, urteilt der 67-Jährige. „Dann kann Hubertus runter ziehen und die Leute lernen gleich seinen Nachfolger kennen!“

Werner Sprenger selbst möchte sich nach dem Abverkauf der Restposten im Laden endgültig zur Ruhe setzen. Obwohl ihm da nicht ganz leicht fallen wird: „Stimmt schon, ich mische gerne überall mit.“ Er schüttelt den Kopf. „Früher habe ich teilweise jeden Tag in drei Geschäften nach dem Rechten gesehen.“ Jetzt freut er sich darauf, seinen Wohnsitz in Soest bald hinter sich zu lassen und nach Sichtigvor zurückzukehren. „Ich werde nebenan hinterm Haus ein kleines Paradies schaffen“, verspricht er. „Schauen Sie doch mal von hier nach hinten aus dem Fenster! Wie viele Besucher von Dr. Schmidt mir schon gesagt haben, dass allein die Aussicht von da oben der Gesundheit förderlich ist!“

Die meiste Freude bereitete ihn in all den Jahren, wenn er mit einer Idee Erfolg hatte. Wenn es im Laden etwas ruhiger war, arbeitete er an neuen Ideen: „Im Schuhhandel gibt es immer viele Restposten. Die kann man zur Müllkippe fahren“ – muss man aber nicht, wenn man Werner Sprenger heißt. Ich habe mir dann immer Sonderverkaufsaktionen einfallen lassen – und hatte damit meistens Erfolg.“

Die Schließung der Filiale in Sichtigvor geht der Familie nahe. Jörg Sprenger erzählt: „Ich habe die ersten zehn Jahre meines Lebens über dem Schuhgeschäft im Gartenweg gewohnt, war immer mit dabei.“ Daran hatte auch die Verlegung der Filiale an die Möhnestraße nichts geändert. »Mit der Schließung gehen über hundert Jahre Schuh Sprenger in Sichtigvor zu Ende. Das macht mich schon traurig.“ Letztendlich sei es aber wirtschaftlich betrachtet die richtige Entscheidung gewesen. Ein wenig Trost findet Jörg Sprenger darin in der Leitung des Schuhhauses Sprenger in Warburg. Auch dort hatte „Sprengers kleines Schuhmuseum“ bereits einen Auftritt. „Die Sammlung erinnert mich an meine Kindheit und natürlich auch noch an meinen Opa“, erzählt er.

Nun harrt Werner Sprengers kleines Schuhmuseum, liebevoll mit alten Stücken dekoriert, seiner Bewunderer in Sichtigvor. Feinste Kinderschühchen mit fester Ledersohle,  überraschend neumodisch aussehende Herrenschuhe tummeln sich neben Überzieherschuhen für Frauen. Apropos Überzieherschuhe: in diese schlüpften Damen bei schlechtem Wetter mit ihrer schönen, aber oft unpraktischen Fußbekleidung. Im Theater oder auf der Fete angekommen, wurden die Überzieher einfach mit an der Garderobe abgegeben.

Mittlerweile sammelt Werner Sprenger kaum noch Schuhe. Nur hier und da noch ein ungewöhnliches Stück, wie etwa der Damenschuh, der den Absatz vorne hat. „Das war das Abschiedsgeschenk eines Schuhkopieres“, erzählt der Einzelhandelskaufmann. „Der war richtig gut und hat sich, als es noch brummte, zur Ruhe gesetzt. Und gebrummt hat es!“ Er lacht. „Irgendwann wurde vor diese ganze Kopiererei gesetzlich ein Riegel geschoben. Aber bis dahin hatte der schon tausende Schuhe verkauft.“

Die Stücke Sprengers Schaufenster erzählen Geschichten und Geschichte. Da gibt es dieses alte Filmplakat oder die Kasse mit der versteckten Diebstahlsicherung. Und wer kennt noch Lurchi und seine Freunde: Den Zwerg, den Igel und…?