Sprache schafft Selbstbewusstsein

Zu Besuch bei den „Sprach-Kitas“ Warstein 

Die ersten Wörter lernen Kinder meist von ihren Eltern. Je älter sie werden, desto größer wird die Rolle, die das weitere soziale Umfeld spielt. Das Familienzentrum „Haus für Kinder“ und die KiTa Kunterbunt in Warstein nehmen jetzt bereits seit drei Jahren am Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ teil. Wir trafen Bianca Bräutigam, die Leiterin des Familienzentrums, Heike Behme, Leiterin der KiTa Kunterbunt und ihre Fachkraft für Sprache, Jutta Schulte, zum Gespräch.  

Die Sprache in den Vordergrund rücken  

„Sprache ist Übungssache und schafft Selbstbewusstsein“, erklärt Heike Behme. Daher versuchen die Fachkräfte, den Kindern immer wieder sprachliche Anreize zu geben. Wichtig dabei ist, dass es um Dinge geht, die die Kinder interessieren. Wie etwa das Thema Herbst oder eine Baustelle, an der die Kinder jeden Tag auf dem Weg zur KiTa vorübergehen. „Die meisten Kinder brennen richtig darauf, darüber zu reden.“ 

Doch nicht jedes Kind kommt von allein aus sich heraus. Die Erzieherinnen versuchen, auch mit schüchternen Kindern ins Gespräch zu kommen. Dabei ist es wichtig, die Kleinen nicht direkt auf ihre Fehler hinzuweisen. „Wenn ein Kind etwas falsch sagt, wiederholen wir es richtig“, erzählt Jutta Schulte. So hört das Kind den richtigen Terminus, ohne das Gefühl zu haben, etwas falsch gemacht zu haben. 

„Die sprachliche Bildung der Kinder fängt mit der Begrüßung an und endet mit der Verabschiedung“ (Jutta Schulte) 

Überhaupt ist die Art und Weise, wie mit den Kindern kommuniziert wird, ein wichtiges Thema in den beiden Einrichtungen. Gemeinsam mit der Sprachexpertin Daniela Todaro nehmen die drei Frauen regelmäßig an Schulungen der FABIDO (Familienergänzende Bildungseinrichtungen für Kinder in Dortmund) teil. Dabei profitieren beide Einrichtungen von der engen Zusammenarbeit und dem regelmäßigen Austausch an Erfahrungen.  

Ein wichtiger Schritt, den Kindern das Konzept der Sprache näher zu bringen, ist, sie auch an geschriebene Sprache zu gewöhnen. Bianca Bräutigam und ihre Kolleginnen haben zu diesem Zweck einiges in der Einrichtung verändert. So sind beispielsweise Beschriftungen an Türen jetzt auf Augenhöhe der Kinder angebracht. Auf einer Tafel steht, was es mittags zu essen gibt, und zwar mit den passenden Bildkarten dazu. Die Kinder lernen also, Wörter mit bestimmten Bildern in Zusammenhang zu bringen. „Das Ganze geschieht spielerisch und alltagsintegriert“, erzählt Bianca Bräutigam. Wie auch durch Fotos, unter denen der Name des abgebildeten Kindes steht. 

„Boah, so hört sich also Arabisch an!“ 

Auch die Eltern werden aktiv mit eingebunden. Das ist besonders spannend, wenn ein Vater oder eine Mutter eine andere Sprache spricht. So wurden bei einem Vorlesetag Eltern eigeladen, Geschichten in ihrer „Herzsprache“ vorzulesen. Jutta Schulte lächelt. „Die Kinder haben so gestaunt und sagten ‚Boah, so hört sich also Arabisch an!‘“ Mehrsprachig aufzuwachsen, empfinden die pädagogischen Fachkräfte als Bereicherung. Sich für die Herzsprachen anderer Kinder zu interessieren, ist ein wichtiger Schritt. „Denn nur wer in seiner Muttersprache, seiner Herzsprache gefestigt ist, kann andere Sprachen gut lernen“, erklärt Bianca Bräutigam. Mittlerweile haben auch die Erzieherinnen schon Wörter aus anderen Sprachen aufgeschnappt. Heike Behme lacht. ‚Trusy‘ heißt ‚Unterhose‘ auf Russisch, und ‚Erik‘ ist Türkisch für ‚Pflaume‘.“ 

„Miteinander zu kommunizieren ist eines der wichtigsten Dinge der zwischenmenschlichen Beziehungsarbeit“ (Bianca Bräutigam) 

Egal, um welche Sprache es geht, es sind vor allem die Eltern gefragt. Daher wünscht sich Bianca Bräutigam, dass Zuhause viel Sprache stattfindet. „Am besten sollte es jeden Tag die Möglichkeit geben, sich auszutauschen, etwa bei einer gemeinsamen Mahlzeit. Das wünsche ich allen, auch Menschen ohne Kinder.“ Auch der Umgang mit Medien ist hier wichtig. „Dass man sich immer noch etwas erzählt, statt einfach nur Fotos zu zeigen.“ 

Aber wieso heißt es eigentlich „Herzsprache“ statt „Muttersprache“? „Weil die Herzsprache die Sprache ist, in der Eltern ihr Kind in den Schlaf singen“, sagt Heike Behme. „Das ist die Sprache, in der Sie Ihrem Kind sagen, dass Sie es lieben.“