„So ein kleiner Ort, so ein großes Museum.“

Gudrun Schulte ist erste Vorsitzende des DampfLandLeute-Museums in Eslohe

Gudrun Schulte (63), gebürtige Freienohlerin, ist seit über 30 Jahren schon für das DampfLandLeute-Museum in Eslohe tätig, das jährlich bis zu 14.000 Besucher anzieht. Sie hat sich über die Jahre das Vertrauen und den Respekt in der eher „männerdominierten“ Museums-Truppe erworben. Ihr Engagement, das Fachwissen, auch die Museumskonzepte, die sie umgesetzt hat, sind beeindruckend.

Seit 1989 für das Museum aktiv.

WOLL: Frau Schulte, wie sind Sie Vorsitzende eines so bedeutenden Museums für unsere Region geworden?
Gudrun Schulte:
Ich bin seit 1989 im Museum aktiv, zuerst hatte ich eine ABM-Stelle. Diese Werkhalle hier stand damals eine Weile leer und Ketten Wulf ist dann auf den Museumsverein zugekommen und hat uns die Räumlichkeiten angeboten. Wir hatten zu der Zeit schon so viele Exponate, dass wir gerne eingestiegen sind. Mein Auftrag war es, die Halle umzugestalten. Zum einen sollten die Handwerksberufe präsentiert werden, zum anderen die Landwirtschaft und die alte Industrieschmiede im Originalzustand.

WOLL: Das klingt so, als wären Sie eher zufällig hier gelandet.
Gudrun Schulte:
Ich habe Geschichte studiert. 1983 war mein erstes Staatsexamen und mein Referendariat habe ich in Meschede bei den Benediktinern und in Arnsberg am Laurentianum gemacht. Es wurden aber keine Lehrer eingestellt. Das Arbeitsamt teilte mir mit, dass in Eslohe jemand fürs Museum gesucht werde. Das Einstellungsgespräch führte Rudolf Franzen, der Ehrenvorsitzende und damalige Leiter des Museums, zusammen mit Herbert Kaiser von der Gemeinde. Franzen fragte mich, ob ich wisse, was ein Göpel ist. Ich sagte: „Ja, ein Göpel ist ein altes Antriebswerk, das zum Beispiel durch im Kreis gehende Menschen oder Tiere zum Antrieb von Maschinen oder zur Förderung von Wasser aus der Erde genutzt wurde.“ Er war beeindruckt, dass ich das wusste. Vor lauter Hektik hatte ich meine Bewerbungsmappe zu Hause liegen lassen. Am nächsten Tag rief die Gemeinde an und sagte: „Wir brauchen keine Bewerbungsunterlagen, Herr Franzen hat sich für Sie entschieden.“

WOLL: Das heißt, vom Ziel, Lehrerin der Sekundarstufe II zu werden …
Gudrun Schulte:
… habe ich mich erstmal verabschiedet. Ich habe mich von Anfang an sehr wohl gefühlt und hatte wirklich gute Unterstützung, auch vom Museumsamt. Da konnte man jederzeit hinkommen und anrufen, wenn man ein Problem hatte. Es reicht nicht, sich einzulesen. Man muss es umsetzen, man muss es präsentieren können. Ich hatte erst einen Jahresvertrag, der immer wieder verlängert wurde. Und 1993 ist dieser Teil eröffnet worden. Da endete der Vertrag. Gleichzeitig mit der Fertigstellung war ich also arbeitslos.

WOLL: Und was haben Sie dann beruflich gemacht?
Gudrun Schulte:
Ich hatte ein bisschen Blut geleckt. Aber eine kleine Gemeinde wie Eslohe kann sich keinen Museums- oder Kulturamtsleiter leisten. Es gab keine Möglichkeit, quereinzusteigen. Es gab keine Gelder dafür. Dann bekam ich einen Vertrag für die Erforschung der Familie Schneider von Esleben. Paul Schneider von Esleben war ein sehr bekannter Architekt und hatte eine Dotation zur Erforschung seiner Familiengeschichte ausgeschrieben. Die Familie Schneider war hier aus Eslohe, eine Altarbauer-Familie. 1993 habe ich angefangen, 1995 erschien dann ein kleines Büchlein für den internen Gebrauch. Seit ein paar Jahren interessieren sich immer wieder Leute für Familie Schneider und wenden sich an mich.

WOLL: Wie sind Sie dann in den Lehrer-Dienst gekommen?
Gudrun Schulte:
1995 habe ich an der Kardinal-von-GalenSchule angefangen. Auch ein Zufall: Ich sollte für die WP, für die ich seit 1993 schreibe, einen Bericht über das Sommerfest schreiben. Der damalige Schulleiter lud mich ein, weil er Leute suchte. Es gab in der Zeit nur wenige Sonderpädagogen. Aber Sek.II, was ich studiert hatte, hatte gar nichts damit zu tun. Dann hat er gefragt, ob ich nicht ein Jahr ausprobieren wolle. Am Anfang war ich kritisch. Es ist mir nicht leichtgefallen, weil es eine ganz andere Klientel ist. Zu Hause fiel ab und an der Spruch: „Ein Jahr hält man es beim Teufel in der Küche aus.“ Meine Mutter sagte, dass ich mich nach dem Jahr immer noch umorientieren könne. Ich bin bei der Schule geblieben, weil es mir doch ganz gut gefiel. Ich hatte später die Möglichkeit, die sonderpädagogische Prüfung nachzuholen.

WOLL: Das Museum ist konzeptionell immer wieder angepasst worden. Welche Tätigkeiten haben Sie im Museum übernommen?
Gudrun Schulte:
Nach meiner ABM-Stelle war ich nur Mitglied, aber immer aktives Mitglied. Ich habe mitgeholfen, Ausstellungen vorzubereiten und aufzubauen, Archivarbeit gemacht, war Autorin in den Museumsnachrichten und später auch in den Esloher Forschungen. Der Kontakt ist nie abgebrochen, ich war immer dabei. War dann lange Jahre im Beirat. Später auch einige Jahre zweite Vorsitzende. Und jetzt seit rund sechs Jahren erste Vorsitzende.

WOLL: Ihr Ehrenamt macht Ihnen nicht nur Arbeit, sondern auch Freude?
Gudrun Schulte:
Das ist überwiegend Freude. Es gibt immer wieder mal Situationen, wo man denkt: „Warum hast du dir das angetan?“ Aber die positiven Seiten überwiegen. Letztes Jahr meinte unser zweiter Vorsitzender: „Ach, du kannst doch gar nicht ohne.“ Es ist ein Stück weit wie ein Kind. Und man bleibt ja immer Eltern. Es ist schon was anderes, wenn man Vorsitzende ist. Aber wir haben ein gutes Vorstandsteam. Ich bin zwar offiziell die erste Vorsitzende, aber wir arbeiten natürlich eng zusammen. Und wir kriegen immer wieder Exponate. Ich muss leider ganz oft sagen, dass wir sie nicht brauchen können. Es muss schon etwas ganz Besonderes sein.

WOLL: Gibt es besondere Erlebnisse in der Zeit hier im Museum, als Mitarbeiterin oder als Ehrenamtliche?
Gudrun Schulte:
Eigentlich ist es ein Dauererlebnis. Man hat immer wieder Besucher, die einen ansprechen und sagen: „Was habt Ihr für ein tolles Museum!“ Das ist einfach ein Herzensding. Viele Leute sagen auch, so ein sauberes Museum hätten sie noch nie gesehen. Das gebe ich gerne an die Mitarbeiter weiter. Ich bin jedes Mal aufs Neue davon beeindruckt, was alle für das Museum leisten. Unser Team ist wahnsinnig vielseitig. Der eine macht Elektronik, der andere die Pressearbeit. Oder jemand schreibt für die Museumsnachrichten spezielle Beiträge. Und man freut sich, wenn man besondere Exponate bekommt. Zum Beispiel die Zither, die ein Lehrer namens Fischer gespielt hat, der die Jugend und Kinder hier in Eslohe über Jahrzehnte unterrichtete. Das sind für mich schöne Momente. Auch die Auswärtstermine, wie viel Freude das macht, woanders zu erzählen, Mensch, wir haben
ein tolles Museum. So ein kleiner Ort, so ein großes Museum. Und so viel drin. Das ist schon etwas Besonderes.

WOLL: Das Museum hat einen besonderen Erlebnischarakter, würden Sie da zustimmen?
Gudrun Schulte:
So ist das. Was uns derzeit ein bisschen fehlt, sind die Führungen. Die mussten wir während Corona aussetzen. Wir haben im ersten Lockdown viele Hygiene-Maßnahmen umgesetzt, die haben wir zum Teil immer noch. Aber wir merken auch, seit wir im Juni wieder aufgemacht haben, dass es boomt. Die Leute verbringen den Urlaub mehr in Deutschland. Und dann geht man ins Museum. Für uns ist außerdem Regenwetter das beste Wetter.

Mit der Präsentation alter Handwerksberufe fing die Arbeit von Gudrun Schulte im Museum an.

WOLL: Wie viele Mitglieder und Mitarbeiter hat das Museum zurzeit?
Gudrun Schulte:
Mitglieder haben wir im Moment 305. Wenn man die Dampf-Tage und so dazurechnet, muss man großzügig sagen, etwa 60 Mitarbeiter. Wenn Dampf-Tage sind, brauche ich alleine schon 30 Leute, die das organisatorisch abwickeln.

WOLL: Wer fällt Ihnen im Zusammenhang mit Heimat, mit dem Sauerland, ein? Wer war wichtig für Sie?
Gudrun Schulte:
Rudolf Franzen hat mir immer mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Gerd Schäfer aus Iserlohn hat mir damals auch immer weitergeholfen, er war Leiter des Stadtmuseums in Iserlohn. Und viele aus dem Museumsverein. Horst Vielhaber ist immer noch in vielen Dingen mein Ratgeber. Man hat sich mit der Zeit auch einen Bekanntenkreis, ein Netzwerk aufgebaut. Und ein ganz großes Netzwerk habe ich vom Franz Keite damals übernommen, wovon ich heute noch zehre.

WOLL: Gibt es einen Ausstellungsbereich, in dem Sie sich am liebsten aufhalten?
Gudrun Schulte:
Die Handwerker-Galerie und die Landwirtschaft. Das sind halt meine Kinder. Ich muss dazu sagen, bei der Industrieschmiede und der Dorfschmiede, da hatte ich damals Hilfe von einem jungen Mann, der in Bochum Geschichte, Schwerpunkt Eisenindustrie, studierte. Wir haben gut zusammengearbeitet.

WOLL: Wie steht es um den Nachwuchs?
Gudrun Schulte:
Das Heimatgefühl kann man heute nur noch schwer vermitteln. Wenn man sich mit jungen Leuten beschäftigt und ihnen die Bedeutung der Geschichte klarmacht, glaube ich, dass sich viele hierfür interessieren würden. Herr Sensen, Museumsleiter in Altena, sagte mal, dass wir hier alle das gleiche Problem hätten. Vereine ja auch. Man muss die Studenten an solche Dinge heranführen. Das wäre ein Ansatzpunkt, dass man ein kleines Budget, zum Beispiel für Führungen, auslobt, um junge Leute fürs Museum zu begeistern. Ich glaube, dass viele gar nicht wissen, was sich hier im Museum so verbirgt. Manche kennen es nur, weil sie als Kinder mal hier waren. Mir ist es wichtig, dass wir weiter Nachwuchs haben. Wir sind überwiegend jenseits der 60. Hängt natürlich damit zusammen, dass diese Leute auch die Zeit haben. Aber es wäre schön, wenn man junge Leute dazugewinnen könnte.

WOLL: Welche Bedeutung hat das Sauerland für Sie? Sind Sie stolz auf Ihre Heimat?
Gudrun Schulte:
Ich würde mich als bodenständig bezeichnen und könnte mir gar nicht vorstellen, woanders zu wohnen. Verreisen, klar, das habe ich auch viel gemacht in den 90er Jahren. Aber heute habe ich gar nicht mehr das Bedürfnis. Ich weiß, dass es bei uns auch schön ist. Ich habe einen Wald hinterm Haus und wir haben selber auch Wald. Da kann man immer raus.

WOLL: Liebe Frau Schulte, vielen Dank für das interessante Interview. Wir wünschen Ihnen weiterhin alles Gute.