Seit 10 Jahren als Ranger auf der Sauerland-Waldroute

Interview mit Jörg Pahl

Text: Matthias Koprek

Fotos: Holger Bernert

Als einer von zwei Rangern auf der Sauerland-Waldroute ist Jörg Pahl vielen Waldfreunden aus der Region bekannt. Mit 60 Jahren geht der Kallenhardter nun in den vorzeitigen Ruhestand. Im Interview mit Matthias Koprek blickt er auf die schönste Zeit seines Berufslebens zurück. Beide kennen, duzen und schätzen sich, seitdem sie gemeinsam im Arnsberger Wald gebadet haben (siehe Thema Waldbaden auf Seite …).

WOLL:

Lieber Jörg, nach zehn Jahren als Ranger auf der Sauerland-Waldroute und vielen Jahren im Dienste des Waldes gehst du nun in den wohlverdienten Ruhestand. Wie kam es dazu, dass du dich bereits in jungen Jahren für den Wald als Arbeitsplatz entschieden hast?

Jörg Prahl:

Mein Vater war Jäger und ich habe mich immer schon für die Jagd interessiert. Mit 16 Jahren habe ich sofort meinen Jagdschein gemacht. Als Schüler habe ich in den Ferien bereits als Waldhelfer gejobbt. Ich habe zum Beispiel Flächen geräumt und die Spitzen der Fichten gegen Wildverbiss angepinselt.

Mein Vater hat mitbekommen, dass ich immer viel Spaß im Wald hatte und hat für mich bei der Stadt nachgefragt, ob ich da eine Lehre machen kann. Ihm war wichtig, dass wir Kinder alle etwas Anständiges lernen. Mit 16 Jahren habe ich dann meine Lehre als Forstwirt bei der Stadt Rüthen angefangen. Das war genau mein Ding.

Nach mehreren Zwischenstationen bin nun seit genau zehn Jahren als Ranger aktiv. Die letzten zehn Jahre waren die schönsten Jahre in meinem Berufsleben.

WOLL:

Warum hat dir die Zeit als Ranger so viel Freude bereitet?

Jörg Prahl:

Weil ich mit meinem Dienstwagen und Laptop komplett selbstorganisiert von Zuhause aus arbeiten darf. Die Sauerland-Waldroute geht direkt vor meiner Haustür lang, so dass ich sofort an meinem Arbeitsplatz bin, wenn ich das Haus verlasse.

Ich bin 23 Jahre jeden Tag 100 Kilometer zur Arbeit gefahren. Das macht irgendwann keinen Spaß mehr und kostet viel Freizeit. Insofern kam das Angebot, Ranger zu werden genau zur richtigen Zeit. Damals war ich 50 Jahre alt und wollte etwas verändern.

Als Ranger habe ich einen 140 Kilometer langen Bereich von Warstein bis Marsberg betreut und musste natürlich auch Auto fahren. Aber das ist eben ein ganz anderes Fahren.

Mir hat zudem gut gefallen, dass ich mich bei meiner Arbeit bewegen darf. Ich bin einer, der nicht ruhig sitzen kann. Ich bin ein unglaublich hibbeliger Mensch und muss mich bewegen. Ich sitze sicherlich auch mal eine Stunde am Tag im Büro. Das gehört auch in unserem Job dazu, der ebenfalls von der Bürokratisierung eingeholt wird. Wir müssen heute zum Beispiel jede Führung dokumentieren.

„Wo ich arbeite, machen andere Urlaub.“

WOLL: Was waren deine Aufgaben als Ranger?

Neben den rund 100 Führungen im Jahr sind wir als Ranger mit dem Waldschutz beauftragt. Das heißt, wir passen auf, dass sich niemand daneben benimmt und zum Beispiel ein Feuer macht. Das war in den letzten zwei Jahren besonders wichtig. Daneben betreuen wir natürlich die Infrastruktur. Schauen also, ob die Beschilderung und die Leitpfosten noch in Ordnung sind und halten Pfade frei.

Ich war somit auch praktisch tätig und habe mal den Freischneider in die Hand genommen. Als zertifizierter Wanderweg muss die Sauerland-Waldroute mindesten 35 Prozent naturnahe Wege aufweisen. Und die sind sehr pflegeintensiv, damit sie auch so naturnah bleiben.

Außerdem sind wir an der Strecke natürlich Ansprechpartner für die Wanderer. Von April bis November hat auch am Wochenende immer ein Ranger Dienst. Gerade an den Wochenenden fahren wir zu den touristischen Schwerpunkten wie Bibertal und Hohler Stein um Präsenz zu zeigen und als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen.

WOLL: Was war dir besonders wichtig den Menschen zu vermitteln?

Jörg Prahl:

Die Achtung der Natur war das Allerwichtigste, was ich vermitteln wollte. Also, wie wertvoll die Natur vor unserer Haustür ist und was sie uns geben kann. Das wird ja beim Thema Wald und Gesundheit besonders deutlich. Das betrifft aber auch das Produkt Holz als nachwachsenden Rohstoff.

Der Wald sorgt für unseren Wasserhaushalt und somit für unser wichtigstes Nahrungsmittel. Mit dem haben wir Forstleute als Erstes zu tun. Alle Quellen entspringen ja im Wald. Der Wald nimmt Wasser auf, filtert und speichert es. Und wenn man dann noch bedenkt, dass nur zwei Prozent des gesamten Wassers auf der Welt Trinkwasser sind, wird noch deutlicher, wie wichtig der Wald für unser Wasser ist.

Noch wichtiger als die Achtung der Natur ist eigentlich nur die Erklärung, warum der Wald so bedeutsam für uns und unser Klima ist. Wir sehen es ja gerade in Australien, wo die gigantischen Waldbrände toben. Der Sauerstoffgehalt und der Wasserhaushalt verändern sich sofort spürbar.

Woll: Welches Verhalten im Wald ärgert dich am meisten?

Jörg Prahl:

Die Vermüllung im Wald finde ich eine Katastrophe. Das wurde in den letzten Jahren auch immer mehr. Die ganzen Parkplätze sind zugemüllt. Hier sieht man, dass die Wertschätzung für die Natur verlorengeht. Das finde ich sehr schade. Denn sie gibt uns viel mehr, als uns bewusst ist. Meine Aufgabe ist es, die Leute dafür zu sensibilisieren.

Rauchen und Feuer im Wald sind natürlich mitunter auch ärgerlicher. Aber oft denke ich auch: Wir haben kaum noch Feuerstellen im Wald. Dabei gibt es viele interessierte Menschen, die gern mal ein Biwak draußen machen und dort übernachten möchten. Klar will man dann auch mal ein kleines Lagerfeuer machen.

WOLL:

Heutzutage ist die schlichte Übernachtung im Wald ja schon ein riesiges Abenteuer. Und wenn man abends mal ein Lagerfeuer machen will, geht das fast nur noch, wenn man ein entsprechendes Arrangement offiziell bucht.

Jörg Prahl:

Ja, fürchterlich. Mal abgesehen von gefährlichen Ausnahmesituationen wie den letzten beiden Dürresommern mit enormer Waldbrandgefahr, finde ich das eigentlich nicht gut. Denn die Menschen, die so etwas tun, die identifizieren sich mit der Natur. Das sind genau die, die wir in der Natur brauchen. Umso bedauerlicher, dass wir diese Plätze kaum noch haben. Die Sehnsucht nach solchen Naturerlebnissen ist sicherlich da.

WOLL:

Wie haben sich das Verhältnis der Menschen zum Wald und ihr Verhalten im Wald verändert?

Jörg Prahl:    

Ich glaube, das Verhältnis zum Wald ist insgesamt positiver geworden. Ich sehe viel mehr Menschen im Wald. Auch immer mehr junge Menschen, die zum Beispiel wandern. Was jedoch weniger geworden ist, sind die Aktivitäten im Verein oder allgemein in Gruppen.

Was ich nicht sehe, sind Kinder, die im Wald spielen. Das, was wir früher gemacht haben – am Bach gespielt, Buden gebaut und solche Geschichten – das sehe ich leider nicht. Kinder sind wenn, dann nur noch organisiert im Wald unterwegs. Mit dem Ranger, Lehrer oder Pfadfinderverein.

„Was ich nicht sehe, sind Kinder, die im Wald spielen.“

WOLL:

Jemand der in den letzten Jahren dafür gesorgt hat, dass das Thema Wald wieder mehr in unser Bewusstsein gerückt ist, ist Peter Wohlleben. Der berühmteste Förster Deutschlands, dessen Thesen unter seinen Kollegen allerdings nicht ganz unumstritten sind. Wie stehst du zu Peter Wohlleben?

Jörg Prahl:

Ich denke, er weiß selbst nicht ganz genau, welchen Weg er einschlagen soll. Mal sagt er, die Natur müssen wir komplett sich selbst überlassen. Dann aber wieder, dass wir Holzprodukte nutzen sollten. Er ist meiner Meinung nach ein bisschen zwiespältig unterwegs. Es ist auch nicht alles wissenschaftlich belegt, was er so sagt.

Was ich gut finde ist, dass er die Aufmerksamkeit für den Wald gesteigert hat. Schade ist jedoch, dass er seine Kollegen angreift und behauptet, sie hätten in der Vergangenheit alles falsch gemacht.

Wald einfach Wald sein zu lassen und ihn nicht zu bewirtschaften, dass funktioniert in unserer heutigen Gesellschaft nicht. Wir Forstleute sind auf seiner Seite, wenn es darum geht, dass wir keine Monokulturen mehr wollen.

WOLL:

Aber die von ihm angeprangerten Monokulturen – insbesondere Fichtenkulturen – sind ja Realität.

Jörg Prahl:

Um zu verstehen, wie es dazu gekommen ist, dass wir diese Monokulturen haben, muss man in die Geschichte zurückblicken. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es die Reparationshiebe und die Flächen mussten wieder bepflanzt werden. Damals hat man schnellwachsende Baumarten gesucht und fand die Fichte.

Dass man diese in Monokultur angebaut hat war natürlich nicht gut, aber eher aus der Not heraus geboren. Man hatte damals noch nicht dieses Wissen, das man heute hat. Zum Beispiel wie wichtig es ist, Birken und Ebereschen dazwischen zu setzen, weil ihr Laub die Bodenstruktur verbessert. Und vor allem hatte man nach dem Krieg nicht das Pflanzmaterial und schon gar nicht in der benötigten Menge, um diese riesigen Flächen wieder aufzuforsten.

Blick man noch weiter zurück, dann kommt man zu den Preußen, die die Fichte vor rund 200 Jahren hierherbrachten. Nämlich weil unsere Vorfahren an den Wäldern Raubbau betrieben haben. Sie haben den Wald für die Holzkohle abgehackt. Die ersten Fichten in unserer Region kamen aus dem Thüringer Wald und aus dem Harz.

Dass die Fichte hier von Natur aus nicht hingehört, das wissen wir heute alle. Von Natur aus gehört sie in Regionen über 600 bis 700 Meter Höhe. Also in den Alpenraum zum Beispiel. Im Hochsauerland geht das vielleicht auch noch. Wir sehen aktuell beim Borkenkäferbefall, dass wir bis ca. 600 Meter Höhe die großen Schäden an der Fichte habe.

Deshalb finde ich es falsch, die Arbeiten der Vorgängergenerationen pauschal zu verteufeln. Eigentlich hätten wir gerade jetzt die Unterstützung von Peter Wohlleben gebraucht. Wir sind prinzipiell auf seinem Weg und gar nicht so weit weg von der naturnahen Forstwirtschaft, die er predigt. Etwas Besseres, als ihn auf unserer Seite zu haben, könnte uns nicht passieren. Nicht zuletzt, weil er so medienwirksam ist.

Es gibt viele Kollegen – und das sagt Peter Wohlleben leider auch nicht – die schon seit 30 Jahren Fichten mit Buchen unterbauen. Also Voranbau betreiben, damit die Fichte mal verschwinden kann. Doch eine Fichtengeneration sind ungefähr 80 Jahre. Das geht nicht von heute auf morgen.

„Das wir gerade Zeichen aus der Natur kriegen, die uns signalisieren, dass wir uns verändern müssen, steht außer Frage.“

WOLL: Glaubst du, dass du mit deiner Arbeit als Ranger bei den Menschen, die du getroffen hast, etwas bewegen konntest?

Jörg Prahl:

Ich glaube schon – allein durch die Führungen. Die Menschen, die uns wahrnehmen, merken, dass sie nicht ganz alleine im Wald unterwegs sind. Wer uns kennt, der weiß, dass es jemanden gibt, der ein bisschen auf den Wald aufpasst. Ich denke, dass sich die Waldbesucher wohlfühlen, wo der Ranger unterwegs ist. Sicherlich hat auch unsere Medienarbeit ein bisschen dazu beigetragen.

WOLL: Was rätst du deinem Nachfolger als Ranger?

Jörg Prahl: Sprechen, sprechen, sprechen. Mit den Leuten reden und auf sie zugehen.

WOLL: Vielen Dank für das Interview und alles Gute für deinen Ruhestand!

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