Sehnsucht. Stille. Seelenorte.

Eine Qualität, die alle Orte verbindet

Text von Hermann-J. Hoffe – Foto von Klaus-Peter Kappest

Der Journalist Michael Gleich (59) ist in Kirchhundem geboren und hat nach der Schulzeit das Sauerland aus persönlichen Gründen verlassen. Nach 40 Jahren entdeckt er im Rahmen des Projektes „Sauerländer Seelenorte“ seine Heimat neu und lernt ein ganz anderes Sauerland kennen, als es in seinem Kopf gespeichert war. Insgesamt 43 besondere Orte besuchte Michael Gleich. In der Broschüre „Sauerland-Seelenorte. ankommen. bei dir“ und weiteren Ortsbroschüren beschreibt Michael Gleich die Seelenorte und lässt seine Gedanken und Gefühle darin einfließen. Bei einem Besuch in Schmallenberg haben wir Michael Gleich gefragt, was „Sauerländer Seelenorte“ sind und wie das Projekt weitergeht.

WOLL: Was darf sich der Sauerländer oder der Gast unter einem Seelenort vorstellen?
Michael Gleich:
Das ist ein Ort, der herausragt, sowohl kulturell als auch in seiner Naturbedeutung. Der eine besondere Bedeutung hat für die Menschen, die dort in der Nähe leben. Entweder ist das schon seit alters her so ein Ort oder vielleicht erst neuerdings zu einem geworden, wie der Waldskulpturenweg. Ein Seelenort berührt und inspiriert die Menschen. Er ist nicht von oben herab als ein solcher festgelegt worden, sondern die Menschen in den Dörfern sind selber darauf gekommen. In einem sehr aufwendigen und sorgfältigen Verfahren sind diese Orte genannt und gefunden worden.

WOLL: Warum Seelenort und nicht Resonanzort oder Kraftort?
Michael Gleich:
Seelenort ist ein Begriff, den man im Nachhinein gefunden hat. Am Anfang lautete der Arbeitstitel „Kraftort“. Der Begriff ist nicht genommen worden, weil es in anderen Regionen Deutschlands ebenfalls sogenannte Kraftorte gibt. „Resonanzort“ ist ein eher sperriger Begriff in der Außendarstellung. Bei Resonanz denken viele an Akustik. Und wir haben gefragt, was sind das tatsächlich für Orte? Was zeichnet sie aus? Die Menschen fühlen sich besonders wohl, sie kommen zur Ruhe. Es sind Orte, die besonders inspirieren, anregen, mal nachzudenken, sich vielleicht neu zu orientieren. Dann kam immer wieder der Satz: „Dort kann man die Seele baumeln lassen.“ So ist man zu dem Begriff der Seelen-Orte gekommen und natürlich liest sich das auch einfach gut. Sauerländer Seelenort.

WOLL: Was hat Sie bei den Besuchen der Sauerländer Seelenorte persönlich besonders beeindruckt?
Michael Gleich:
Das Erste war der Kontakt zu den Menschen, die mich zu diesen Orten geführt und begleitet haben. Ich bin immer mit jemandem gegangen, der sich besonders gut auskennt, der mit dem Ort besonders verbunden ist, teils auch mit dem- oder derjenigen, der/die diesen Ort vorgeschlagen hat. Das sind Menschen aus Vereinen, aus der Heimatpflege, aus dem Naturschutz oder mit kirchlicher Verbundenheit. Diese Menschen haben mich beeindruckt, weil sie eine so tiefe Kenntnis über diese Orte haben, dass sie wirklich ihre Geschichten kennen und lebendig und anschaulich davon erzählen können. Weil sie offensichtlich mit Freude in der Region verwurzelt und mit solchen Orten verbunden sind und gleichzeitig eine große Weltoffenheit ausgestrahlt haben. Und dann tatsächlich die Überraschung, wie groß der Reichtum der Region an natürlichen und kulturellen Schätzen ist, von denen ich bisher nichts wusste. Goethe hat mal gesagt: „Man sieht, was man weiß.“ Als ich durch die Besuche der Seelenorte und die Gespräche mit jenen, die mich dorthin geleitet haben, mehr wusste, habe ich auch mehr gesehen. Diese Vielfalt in ihrer Fülle sichtbar zu machen, der Drang und der Wunsch, sie anderen und der Region selbst mitzuteilen, das hat mich besonders beeindruckt und angetrieben.

Was einen beeindruckt, von dem will man auch erzählen. Die Gäste, die ins Sauerland kommen und denken: „Das kenne ich. Ich fahre ja schon seit zehn Jahren dorthin“, werden ebenso überrascht sein, welche Orte ihnen da präsentiert werden und wie reichhaltig diese Geschichten sind. Und Einheimische schauen noch mal mit ganz neuen Augen auf die eigene Region. Ich vermute, mit Stolz und mit Freude, weil nicht bekannt war, dass es in vielen Dörfern und Gemeinden solche starken Orte gibt. Das Projekt hat erstmals eine Übersicht geschaffen, was alles da ist.

WOLL: Welche drei Sauerländer Seelenorte haben Sie besonders beeindruckt oder angezogen?
Michael Gleich:
Es gibt Seelenorte, da würde jeder sofort sagen: Ja, das ist so ein Ort, wo man „wow“ sagt. Zum Beispiel Wormbach mit den Ausmalungen in der Kirche, dem Kirchhof und dem Friedhof, der ganz anders aussieht als in vielen anderen Orten, weil die Kreuze so einheitlich sind. Orte, die mich besonders beeindruckt haben, waren solche, die etwas Überraschendes hatten, zum Beispiel der Steinbruch an der Peperburg in Lennestadt-Grevenbrück. Ich hätte mir nie vorstellen können, mal so lange in einen Steinbruch zu gehen, und wenn er nicht zum Seelenort geworden
wäre, dann hätte ich das wahrscheinlich auch nicht getan. Ich war total verzaubert von dem, was ich gesehen habe. Also, das ist so ein Ort, da wächst Efeu in ganz langen Strängen von oben nach unten und hängt herunter wie Feenhaar. Die Akustik in diesem Steinbruch ist wie in einem natürlichen Opernsaal und hat bei mir die Assoziation ausgelöst, dass dies ein Ort ist, wo die Natur ständig musiziert. Auf den ersten Blick eher unscheinbare Orte haben mich ebenfalls sehr beeindruckt: eine Berggruppe oder ein Felsen wie der in Saalhausen. Wo man, wenn man dort über den Baumwipfeln einfach mal eine Zeitlang im Stillen sitzt, merkt, was das für ein wunderbarer Ort ist.

WOLL: Wie geht das Projekt Sauerländer Seelenorte weiter?
Michael Gleich:
Wie das Projekt allgemein weitergeht, können Hubertus Schmidt vom Tourismus Schmallenberger Sauerland und die Projektleiterin Susanne Falk sagen. Für mich selbst geht das Projekt auch weiter. Mit dem Fotokünstler Christian Klant aus Berlin, der mit einer 150 Jahre alten Foto-Technik arbeitet und den ich dafür gewinnen konnte, dass er Seelenorte auf seine Art und Weise fotografiert. Warum? Weil die Langsamkeit, die Achtsamkeit, die Sorgsamkeit, wie er millimetergenau mit der großen Kamera die passenden Blickwinkel auswählt, sehr gut zum Charakter und zur Qualität dieser Seelenorte passen. Wir planen, daraus ein wunderschönes Buch zu machen, mit dem Ziel, dass das Buch mit seinen Texten, den Fotos und der Gestaltung selber wie ein Seelenort wirkt und eine ähnlich starke Resonanz hervorruft wie die Seelenorte selber. Das Buch soll zur Besinnung einladen, zur Entschleunigung, zum Nachdenken, auch über sich selbst, zum Ankommen bei sich selbst.

WOLL: Vielen Dank, Michael Gleich, für diesen Einblick in die Sauerländer Seelenorte.

Sauerland-Seelenorte
Das sind Felsen und Steinbrüche, Kirchen und Bergkuppen, mächtige Bäume und unterirdische Grotten, Seen und Täler. 43 Orte, über das ganze Sauerland verteilt. Sie wurden ausgewählt, weil sie besonders beeindruckend sind und für die Menschen in ihrer Umgebung eine besondere Bedeutung besitzen. Nicht nur heute, sondern auch schon in früheren Zeiten. Sie berühren die Menschen emotional, geistig und spirituell. Sie rufen starke Resonanzen hervor. Es sind Orte, zu denen die Menschen wandern und wo sie abschalten können. Zu sich kommen. Die
Ruhe genießen. Inspiriert werden. Neue Einsichten gewinnen. Auch wenn jeder Seelenort seine eigene Geschichte erzählt, gibt es eine Qualität, die alle verbindet: lebendige Stille. Die Broschüre „Sauerland-Seelenorte. ankommen. bei dir.“, herausgegeben von den Sauerländer Wanderdörfern, gibt es bei der Tourist-Information und in den 43 Orten mit einem Seelenort. Weitere Informationen unter www.sauerlaender-wanderdoerfer.de