Seelenort Himmelssäulen

Die größten Lebewesen des Sauerlandes

Eine Reihe mächtiger Douglasien steht am Fuße des Hohen Dienbergs westlich vom alten Kloster Glindfeld in der Gemeinde Medebach. Es sind die größten Lebewesen des Sauerlandes. Es ist aber nicht nur die Größe der Bäume allein, die diesen abgelegenen Waldwinkel zu einem Sauerland Seelenort macht.

„Das ist hier für mich eine grüne Kathedrale – wirklich wie eine Kirche“, sagt Anni Kuhler, die für diesen Seelenort zuständige Erzählpatin. Sie hat das Wissen um die alten Bäume zusammengetragen und bietet heute Führungen und andere kleine Veranstaltungen vor Ort an. Weit über ihr breiten die mächtigen Bäume tatsächlich mit ihren Ästen so etwas wie das Gewölbedach einer Kirche aus. Anni Kuhler sitzt am Fuße ihres Lieblingsbaumes, den die Medebacherin liebevoll Roderich nennt. Sein Stamm ist am Fuß so dick, dass man ihn auch zu zweit nicht umfassen kann.

Roderich ist nicht nur der erste in der Baumreihe, sondern mit einer Höhe von derzeit 65 Metern auch der höchste. Er liefert sich ein Wettrennen mit Waltraut vom Mühlwald, einer Douglasie im Schwarzwald etwas südöstlich von Freiburg im Breisgau. Waltraut misst derzeit etwas über 67 Meter. Roderich wächst zur Zeit noch zuverlässig jedes Jahr um einen halben Meter – Waltraut aber auch. Die Medebacher sind gespannt, ob und wann er Waltraut einholt.

Alte Bäume im Jungholz

Anni Kuhler erzählt die Geschichte der Douglasien: 1827 kamen ihre Samen mit dem schottischen Botaniker David Douglas nach Europa. Das königlich preußische Forstamt beschloss im Jahr 1889, Douglasien versuchsweise anpflanzen zu lassen. Das Forstamt Glindfeld erhielt eine Samenlieferung. Um die Ergebnisse einfach überwachen zu können, brachte man alle Samen entlang eines Weges aus – in einem Waldgebiet mit dem Namen Jungholz. Über 130 Jahre später stehen in diesem Jungholz nun die ältesten Bäume der Gegend.

Besonders stattliche Bäume haben Menschen schon immer fasziniert, inspiriert und vielleicht sogar spirituell berührt. Kaliforniens Mammutbäume ziehen Besucher aus aller Welt an. Die eindrucksvolle Douglasienreihe in Glindfeld ist natürlich deutlich kleiner als die Baumriesen Kaliforniens. Aber selbst ihre Größe übersteigt unsere Alltagserfahrung mit Nadelbäumen sehr deutlich. Weit ragen sie über die Wipfel von Buchen und Fichten in den Himmel. Das brachte ihnen den Namen Himmelssäulen ein – die Baumgiganten des Sauerlandes.

Mäusemärchen

Die Heimat der Douglasien ist Oregon. Von den dortigen Ureinwohnern haben die Glindfelder Douglasien ein altes Märchen mitgebracht: Die ersten Douglasien hatten Schwierigkeiten, sich zu vermehren. Immer wenn sie einen Zapfen zu Boden fallen ließen, kamen sofort die Mäuse und fraßen die darin enthaltenen Samen auf. Da kam eine Douglasie auf eine Idee: „Lasst uns ein Besetztzeichen an jedem Zapfen anbringen. Das hält weitere Mäuse fern.“ Ihr Vorschlag wurde begeistert umgesetzt und war sehr erfolgreich. Deshalb sehen die Douglasienzapfen bis heute so aus, als stecke unter jeder Schuppe ein Mäuschen, von dem nur der Schwanz und die Hinterbeine herausschauen.

Zukunftsbaum oder invasive Schadpflanze?

Der Blick der Forstfachleute auf die Douglasie ist sehr viel nüchterner. Das Bundesamt für Naturschutz setzte sie 2013 auf die Schwarze Liste invasiver Pflanzen. Von den dort gelisteten Arten befürchtet man, dass sie sich so stark ausbreiten könnten, dass sie heimische Arten verdrängen. Entsprechende Fälle bleiben aber bisher wohl die Ausnahme. Nach mehreren besonders trockenen Jahren betrachten viele Förster und Waldbesitzer inzwischen die Douglasie eher wohlwollend. Mit ihrer extrem dicken Borke kann sie sich gut gegen Borkenkäfer verteidigen und sie kommt problemlos mit langen, trockenen Sommern zurecht. Manch einer sieht in ihr einen von mehreren möglichen Zukunftsbäumen für das Sauerland.

Quelle: WOLL Magazin

Spaziergang zu den Himmelssäulen

Wer den Seelenort Himmelssäulen besuchen will, parkt am besten an der Kapelle St. Laurentius gegenüber von Gut Glindfeld. Eine Hinweistafel beschreibt dort den kurzen Spazierweg zu den Himmelssäulen. Nach nur sanft ansteigenden 1,7 Kilometern vorbei am Forsthaus Glindfeld erreicht man die markante Baumreihe in einem abgelegenen Bachtal. Der Zuweg ist kein durchgehender Wanderweg, sondern endet an den Douglasien. So bleibt ihre Stille und Abgeschiedenheit sichergestellt. „Man ist hier so erdverbunden, so verwurzelt. Das tut einfach der Seele gut“, schwärmt Anni Kuhler und genießt die Stille des Waldes.